Landtagsvizepräsidentin Lösch mahnt Verwirklichung der Chancengleichheit an

Stuttgart. Ganz im Zeichen des morgigen Internationalen Frauentags stand am frühen Mittwochabend, 7. März 2012, eine Sonderveranstaltung im Landtag, zu der Landtagsvizepräsidentin Brigitte Lösch (Grüne) über 300 Gäste begrüßen konnte. Was die Verwirklichung der Chancengleichheit, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen im Erwerbsleben und vor allem an politischen Entscheidungsprozessen angehe, herrsche in Baden-Württemberg großer Handlungsbedarf, sagte Lösch. Als besonders dringliches Anliegen nannte sie einen höheren Frauenanteil in den Parlamenten. Zu Beginn ihrer Rede verwies Lösch auf den Frauenanteil im Landtag von Baden-Württemberg. „Mit 18,8 Prozent sind wir bundesweit das Schlusslicht“, so die Vizepräsidentin. Schon in der vergangenen Legislaturperiode sei dieser Anteil mit 23,7 Prozent der niedrigste im ganzen Bundesgebiet gewesen. „Ich bin deshalb sehr dankbar, dass sich die frauenpolitischen Sprecher/innen aller vier Landtagsfraktionen gemeinsam für eine Erhöhung des Frauenanteils in Parlamenten engagieren.“ Lösch erinnerte an den ersten Internationalen Frauentag vor 101 Jahren, dessen zentrale politische Forderung das aktive und passive Wahlrecht für Frauen gewesen sei. In diesem Zusammenhang verwies sie auf den morgigen Internationalen Frauentag als weltweit etablierten Gedenk- und Aktionstag, der in weit mehr als 150 Staaten der Erde begangen werde. „Im Jahr 2012 schauen wir auf wichtige Meilensteine auf dem Weg zur Gleichberechtigung zurück: über 90 Jahre Frauenwahlrecht, 60 Jahre Gleichstellungsartikel im Grundgesetz, 50 Jahre Gleichberechtigungsgesetz. Auf rechtlicher Ebene haben wir Frauen viel erreicht“, betonte Lösch. Eine echte Gleichstellung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sehe jedoch anders aus. Heute gehe es um die Verwirklichung der Chancengleichheit, um gleichberechtigte Teilhabe von Frauen im Erwerbsleben und vor allem an politischen Entscheidungsprozessen. „Und da herrscht eben in Baden-Württemberg großer Handlungsbedarf.“ Nach Angaben Löschs ist nicht nur der Frauenanteil der gewählten Abgeordneten, sondern auch der Bewerbungen für die Landtagswahl gesunken. In Anbetracht dessen sei zu überlegen, wie diese Situation verbessert werden könne. „Brauchen wir eine Änderung des Kommunalwahlgesetzes und des Landtagswahlgesetzes – damit wir paritätisch besetzte Listen haben – analog dem Parité-Gesetz in Frankreich?“, fragte Lösch. Ohne solche gesetzlichen Vorgaben werde sich nichts ändern. Für die meisten Frauen aller Parteien sei die Quote ein Schritt in die richtige Richtung. Führungskräfte und Parteien würden so gezwungen, erst einmal nach guten Frauen zu suchen – und gute Frauen würden damit auch sichtbar, so Lösch. Die Quote sei trotz aller Unkenrufe ein modernes Instrument der Erneuerung. Sie berge ein enormes innovatives Potential, weil sie Unternehmen und die Verwaltung zwinge, langfristige Konzepte zu entwickeln, um Frauen gleichberechtigt zu integrieren. In Frankreich zwinge ein Gesetz zur Geschlechtergleichheit in der Politik, führte Lösch aus. Ob sich dieses Gesetz auf Deutschland übertragen lasse, habe unter anderem Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski vom Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Kassel untersucht. Sie werde über ihre Erkenntnisse in der heutigen Veranstaltung referieren. Ein weiterer Vortrag, nämlich von Prof. Dr. Lars Holtkamp vom Institut für Politikwissenschaften der FernUniversität Hagen, befasse sich mit der Frauenunterrepräsentanz und möglichen Strategien. Im Anschluss an die Rede Löschs und die Vorträge diskutierten die frauenpolitischen Sprecher/-innen der Landtagsfraktionen Friedlinde Gurr-Hirsch (CDU), Charlotte Schneidewind-Hartnagel (Grüne), Sabine Wölfle (SPD) und Jochen Haußmann (FDP/DVP). An dieser von Anna Koktsidou vom SWR moderierten Gesprächsrunde nahmen auch die Vorsitzende des Landesfrauenrates Baden-Württemberg Angelika Klingel sowie die stellvertretende Vorsitzende des DGB Baden-Württemberg Marion von Wartenberg teil. Zitate aus der Gesprächsrunde mit den frauenpolitischen Sprecher/innen der Landtagsfraktionen: Friedlinde Gurr-Hirsch MdL (CDU) „Noch nie zuvor in der Geschichte hat es eine so gut ausgebildete Frauengeneration gegeben wie heute. Die Gesellschaft kann es sich nicht leisten, auf die politische Partizipation und das Potential dieser gut ausgebildeten Frauen zu verzichten.“ Charlotte Schneidewind-Hartnagel MdL (Grüne): „Ohne gesetzliche Grundlage und ohne Verbindlichkeit wird es keinen gleichstellungspolitischen Fortschritt geben. In Anbetracht der Tatsache, dass über die Hälfte der Bevölkerung in Baden-Württemberg weiblich ist, müssen Frauen in unseren Kommunal- und Landesparlamenten angemessen repräsentiert werden“. Sabine Wölfle MdL (SPD): Käthe Strobel, ehemalige SPD-Bundesministerin, hat einmal gesagt: ‘Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte‘, dem kann ich mich nur anschließen. Männer und Frauen ergänzen sich durch ihre unterschiedliche Sichtweise in der Politik und das kann nur von Vorteil sein. Jochen Haußmann MdL (FDP/DVP): „Mein Ziel ist eine echte Gestaltungskultur von Frauen in der Politik auf Augenhöhe. Bloße Beteiligung ist mir zu wenig.“ Ausstellung „Gründerinnenjahr 2011"
Die Handwerkskammer Freiburg hatte das vergangene Jahr – in Kooperation mit der Kontaktstelle Frau und Beruf der Stadt Freiburg – unter das Motto „Gründerinnenjahr 2011“ gestellt. Ziel dieses Aktionsjahres war es, mehr Frauen für das Handwerk zu begeistern und aktiven Handwerkerinnen Mut für einen möglichen Weg in die Selbstständigkeit zu machen. Ein über das Jahr 2011 sichtbares Ergebnis ist die Ausstellung „Vorbilder“, die am 7. März 2012 auch im Foyer des Landtags zu sehen war. Die ausgestellten Portraits von selbstständigen Handwerkerinnen aus dem Kammerbezirk Freiburg zeigten die ganze Lebensfreude der Frauen und machten auf beeindruckende Weise deutlich: Diese Frauen leben und lieben ihr Handwerk.