Landtagspräsidentin Aras: EU-Binnengrenzen müssen auch in Krisenzeiten offengehalten werden
Stuttgart/Brüssel. Der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) hat in seiner Stellungnahme zum EU-Notfallinstrument (SMEI) der Forderung von Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) einstimmig zugestimmt, dem Notfallinstrument bei künftigen Krisen partiellen Vorrang vor dem Schengener Grenzkodex zu geben. Damit sollen die EU-Binnengrenzen künftig bei Krisen wie etwa der Corona-Pandemie weitgehend für den Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr offengehalten werden. Landtagspräsidentin Aras, die Berichterstatterin für das Thema im Ausschuss der Regionen ist und sich ausdrücklich für die Forderung eingesetzt hat, sagte: „Anstatt unsere Probleme in Zeiten zahlreicher grenzüberschreitender Krisen durch Abschottung zu verschärfen, müssen wir die Vorbereitung und die effektive Zusammenarbeit zwischen der EU, den Mitgliedsstaaten und den lokalen und regionalen Behörden verbessern.“
Das Notfall-Instrument für den Binnenmarkt ist ein von der EU-Kommission vorgeschlagener Rahmen für die Krisensteuerung. Damit soll die Europäische Union besser auf künftige Krisen vorbereitet und eine schnelle und wirksame Krisenreaktion der EU ermöglicht werden. Im aktuellen Entwurf der Kommission hat jedoch der Schengener Grenzkodex Vorrang vor dem Notfallinstrument. „Das Notfallinstrument ist ein gutes und wichtiges Instrument. Aktuell würden die Maßnahmen jedoch ins Leere laufen, weil Mitgliedsstaaten weiter scharfe Grenzkontrollen einführen könnten. Nach den Pandemiejahren bin ich der Überzeugung, dass die inneren Grenzen Europas auch in Krisenzeiten offenbleiben müssen“, sagte die Landtagspräsidentin in ihrer Rede in der AdR-Plenarsitzung im Europäischen Parlament in Brüssel. Das Binnenmarkt-Notfallinstrument könne seine Ziele nur erreichen, wenn die Freizügigkeit, eine der wichtigsten europäischen Errungenschaften, aufrechterhalten werde. In seiner Plenarsitzung am 8. und 9. Februar 2023 befasste sich der Ausschuss in einer Debatte mit dem Thema und verabschiedete schließlich die Stellungnahme einstimmig. „Ich freue mich sehr, dass der Ausschuss der Regionen dem Vorschlag gefolgt ist“, so die Präsidentin.
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, welche weitreichenden Auswirkungen Krisen auf den europäischen Binnenmarkt haben können. Der Handel im europäischen Binnenmarkt betrifft 56 Millionen Arbeitsplätze mit einem geschätzten wirtschaftlichen Nutzen von 8 bis 9 Prozent des BIP der EU.
In ihrer Stellungnahme sprachen sich die AdR-Mitglieder zudem für eine bessere Einbindung des Ausschusses der Regionen und der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften aus. Die Städte und Gemeinden sowie die Grenzregionen Europas seien vom reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes abhängig und seien die Ersten, die die Auswirkungen in Krisenzeiten zu spüren bekämen. Um die lokalen und regionalen Belange besser zu berücksichtigen, sei es unerlässlich, den Europäischen Ausschuss der Regionen in die Beratungsgruppe und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Verbindungsbüros einzubeziehen, die im Rahmen der Schaffung des Notfallinstruments eingeführt werden sollen.
Aras dankte dem Europaabgeordneten Andreas Schwab, der den Vorschlag in seinem Redebeitrag als Berichterstatter des federführenden Binnenmarkt-Ausschusses ebenfalls unterstützte. Die Stellungnahme wird demnächst an das Europäische Parlament und den Rat der EU gegeben und soll in die Ausgestaltung des Notfallinstruments einfließen.
Hintergrund
Das Binnenmarkt-Notfallinstrument (SMEI) ist ein von der Europäischen Kommission am 19. September 2022 vorgeschlagener Rahmen für die Krisensteuerung für den Binnenmarkt, mit dem der freie Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr sowie die Verfügbarkeit wesentlicher Waren und Dienstleistungen in künftigen Notfällen zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen in der gesamten EU erhalten werden soll. Es schafft einen Rahmen für die Krisenkoordinierung und -bewältigung, um verschiedene Bedrohungen für den Binnenmarkt zu erkennen, und ergänzt andere EU-Gesetzesmaßnahmen für das Krisenmanagement.
Der Europäische Ausschuss der Regionen ist die Versammlung der regionalen und lokalen Vertreter der EU aus allen 27 Mitgliedstaaten. Die 1994 nach Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht gegründete Aufgabe besteht darin, die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in den Entscheidungsprozess der EU einzubeziehen und sie über die EU-Politik zu informieren. Das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission konsultieren den Ausschuss in Politikbereichen, die Regionen und Städte betreffen. Um im Europäischen Ausschuss der Regionen zu sitzen, müssen alle 329 Mitglieder und 329 Stellvertreter entweder ein Wahlmandat innehaben oder gegenüber einer gewählten Versammlung in ihren Heimatregionen und -städten politisch rechenschaftspflichtig sein.