Professor Dr. Meinhard Miegel setzt Veranstaltungsreihe im Landtag fort:
Vortrag zum Thema „Soziale Sicherheit bei leeren Kassen“ Grußwort von Landtagspräsident Peter Straub Es gilt das gesprochene Wort! Stuttgart. Mit einem Referat von Professor Dr. Meinhard Miegel, Leiter des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft Bonn, wurde die Vortragsreihe des Landtags über „Neue Herausforderungen für Staat und Gesellschaft“ am Dienstagabend, 21. Oktober 2003, fortgesetzt. Miegel sprach zum Thema „Soziale Sicherheit bei leeren Kassen“. Zuvor hatte Landtagspräsident Peter Straub (CDU) den Referenten sowie die zahlreichen Gäste mit folgenden Worten begrüßt: >>Der heutige Abend ist der Zukunft dessen gewidmet, was wir „soziale Sicherung“ nennen. Und die Einstimmung darauf ist uns ja in den vergangenen Tagen frei Haus geliefert worden – durch die Hiobsbotschaft über das Loch in der Rentenkasse und durch die Notmaßnahmen, die das Bundeskabinett am Sonntag beschlossen hat. Spätestens jetzt wird niemand mehr bestreiten, • dass die gesetzliche Rentenversicherung vom Wohl und Wehe der Gesamtwirtschaft unmittelbar abhängt • und dass die Rückkehr zum Wirtschaftswachstum, so überlebensnotwendig sie ist, uns trotzdem nur noch Luft zu schenken vermag, keinesfalls aber das von der Ökosteuer mühsam gestützte System retten kann. Fehlender Nachwuchs und höheres Lebensalter bedeuten einfach, dass wir –definitiv – in einer demografischen Falle sitzen – übrigens nicht bloß bei Rente, Gesundheit und Pflege, sondern auch am Arbeitsmarkt. Eines können wir freilich nicht bestreiten – nämlich, dass wir seit über zwei Jahrzehnten aufgefordert werden, dem demografischen Wandel konsequent Rechnung zu tragen. Vor allem zwei Persönlichkeiten haben die bequeme Schlafmützigkeit der Gesellschaft und die Kurzatmigkeit der Politik permanent gegeißelt: zum einen Professor Kurt Biedenkopf und zum anderen unser heutiger Gast, also Sie, verehrter Herr Professor Miegel. Ich heiße Sie auf das Herzlichste willkommen hier im Landtag von Baden-Württemberg. Wir freuen uns, dass wir Sie gewinnen konnten für den zweiten Abend unserer neuen Vortragsreihe, in der wir die Herausforderungen für Staat und Gesellschaft bewusst ohne Weichzeichner beleuchten. Natürlich hätten wir Sie schon vor zehn – oder besser vor fünfzehn – Jahren einladen sollen. Aber wir hoffen, dass wir mildernde Umstände geltend machen dürfen. Denn selbst die „Rürup-Kommission“ schaffte es ja mit ihren Ergebnissen nicht, zu Ihren Wegweisungen, verehrter Herr Professor Miegel, inhaltlich aufzuschließen. Und ob die „Herzog-Kommission“ wirklich Besseres ersonnen hat, werden Sie uns sicher sagen. Aber ganz im Ernst: Es fügt sich gut, dass wir Sie gerade in diesem sozialpolitisch hoch brisanten Herbst gewinnen konnten. Politik, Gesellschaft und Öffentlichkeit haben sich endlich an vielen Stellen aufgemacht, die komplexen Wirkungsmechanismen des demografischen Wandels systematisch zu durchdringen. Erörtert werden insbesondere drei Fragen: Erstens: Vor welchen Risiken hat sich der Einzelne künftig durch echte Versicherungen zu schützen – also durch Versicherungen ohne Umverteilungsauftrag? Zweitens: In welchen Bereichen kann dann ein sozialer Ausgleich über Steuern organisiert werden? Und Drittens: Auf welche Weise schaffen wir es, jene Phase zu bewältigen, die bei wirklichen Strukturveränderungen die größten Probleme birgt – sprich die jeweilige Übergangszeit, in der nicht nur das neue System zu finanzieren ist, sondern in der auch das alte System weiterlaufen und deshalb weiter bezahlt werden muss? Sie, verehrter Herr Professor Miegel, bieten als Politikberater und Publizist auf diese und andere Kernfragen schlüssige und wissenschaftlich abgesicherte Antworten. Antworten, die in der Gesamtschau einen Gegenentwurf sichtbar machen zu unserem Sozialstaatsmodell Bismarckscher Prägung. Und darüber hinaus haben Sie sich als Person und mit Ihrem ganzen Renommee an die Spitze derer gesetzt, die der Politik Beine machen wollen und tief greifende Veränderungen wenigstens jetzt – sozusagen „zehn nach zwölf“ – einfordern. Vom heutigen Abend dürfen folglich Schönfärber, Flickschuster oder Strukturkonservative keinen argumentativen Honig erwarten. Wir sind deshalb gespannt auf Ihren Vortrag und danken Ihnen, dass Sie uns – quasi in der zweiten Halbzeit der Veranstaltung – für eine ergänzende Aussprache zur Verfügung stehen werden. Für die Leitung dieser Diskussion haben wir wieder den Leiter der Wirtschaftsredaktion des SWR-Fernsehens gewonnen, also Sie, verehrter Herr Dr. Zeiss. Auch Sie, Herr Dr. Zeiss, heiße ich herzlich willkommen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich angesichts der Wahrheiten, die in den nächsten beiden Stunden formuliert werden, mit einem Tipp schließen. Und dieser Tipp lautet: Denken wir an den klassischen Riesen Anthäus, der jedes Mal stärker wurde, wenn er den Boden berührte. Und hoffen wir, dass auch die politische Handlungsbereitschaft an Kraft gewinnt, wenn sie mit voller Härte auf den harten Boden der demografischen Tatsachen gestellt wird.