09. Mai 2018

Identität durch Landesverfassung

"Europa elektrisiert". Mit diesen Worten hieß Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) mehr als 400 Gäste zu einem außergewöhnlichen Veranstaltung willkommen. Vor 65 Jahren trat die Verfassung des Landes Baden-Württemberg in Kraft. Die letzte rechtswissenschaftliche Kommentierung liegt allerdings gut 30 Jahre zurück. Ein aktueller Kommentar, herausgegeben im Nomos-Verlag von Professor Volker Haug (Universität Stuttgart) vor, schließt diese Lücke. Die Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg, Muhterem Aras (Grüne), nutzte den Anlass der Publikation, am Europatag (9. Mai), zu einer Diskussions-Veranstaltung einzuladen. Titel: „Verfassungsrechtliche Gestaltungsräume für eine eigenständige Europapolitik des Landes Baden-Württemberg“.Während der neue "Handkommentar" sämtliche Novellierungen der Landesverfassung abdeckt, standen bei der Einladungsveranstaltung im Landtag eine Betrachtung der Gestaltungsspielräume im Fokus, die die Landesverfassung für die praktische Politik bietet - insbesondere durch die Möglichkeit einer eigenständigen Europapolitik. Als erste Landesverfassung legte Baden-Württemberg bereits im Jahr 1995 fest, dass die Landesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union dem Landtag die Möglichkeit zur Stellungnahme gibt. Und mehr: Werden Kompetenzen an die EU übertragen, ist die Regierung seit 2011 an Stellungnahmen des Landesparlaments gebunden.Neben dem Herausgeber Haug diskutierten die Rechts-Professorin Stefanie Schmahl (Universität Würzburg) sowie der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Baden-Württemberg, Eberhard Stilz über die Bedeutung von Verfassung und Verfassungsrecht.Es moderierte die Journalistin Gigi Deppe von der ARD-Rechtsredaktion.

Präsident Stilz nutzte das Forum des Landesgesetzgebers, einen „Tag der Landesverfassung“ vorzuschlagen. Dafür biete sich das Datum 11. November hervorragend an, der Tag der Verabschiedung vor 65 Jahren, sagte Stilz im Landtag. Nicht allein das „faszinierende Grundgesetz“, auch und gerade die Landesverfassung präge die Identität des Landes. Es gelte, mehr Verfassungsbewusstsein zu schaffen, wie es Landtagspräsidentin Muhteren Aras mit ihrer Reihe „Wertsachen“ vorbildlich tue. Er schlage vor, rund um einen „Tag der Landesverfassung“ einen Themenschwerpunkt an Schulen zu legen. „Wir dürfen es nicht den Juristen und Politologen überlassen, die Verfassung mit Leben zu füllen.“ so Stilz, der zugleich Präsident der Stiftung Weltethos ist. Eine landesweite Auseinandersetzung über gemeinsame Werte sei geeigneter, Zugehörigkeit zu schaffen, als eine Feierstunde zum Grundgesetz in Berlin.

Der Herausgeber des neuen "Handkommentars", Professor Volker Haug, bezeichnete es als „Unding“, dass Baden-Württemberg über Jahrzehnte keinen aktuellen Verfassungskommentar gehabt habe. Dies zeige ein „krasses Missverhältnis“ zur Relevanz dieses Bundeslandes. Baden-Württembergs Landesverfassung weist eine Besonderheit auf: Als erste Landesverfassung legte Baden-Württemberg bereits im Jahr 1995 fest, dass die Landesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union dem Landtag die Möglichkeit zur Stellungnahme gibt. Und mehr: Werden Kompetenzen an die EU übertragen, ist die Regierung seit 2011 an Stellungnahmen des Landesparlaments gebunden. Dieser Artikel 34 der Landesverfassung zeigt nach Ansicht des Podiums im Landtag, dass eine Landesverfassung es vermag, in einem stark exekutiv geprägten Entscheidungsprozessen auf Bundes- und EU-Ebene, ein Bundesland „in die Player-Rolle zurückzuholen“.