12. Januar 2019

Landtag in Frauenhand - als Fiktion

Unter dem Titel „Herrengedeck und Frauengedöns“ beleuchteten Landesfrauenrat, der Verein Frauen und Geschichte sowie Studierende der Hochschule der Medien diesen Jahrestag historisch, gesellschaftspolitisch und auf kreativ-fiktionale Art. „Vor 100 Jahren überwand die Demokratie ihren Geburtsfehler: Den Ausschluss der Frauen aus der Politik“, sagte Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne). „Heute geht es um nicht weniger als die Einlösung des Verfassungsversprechens auf Gleichberechtigung und die Beseitigung bestehender Nachteile“, sagte die gastgebende Landtagspräsidentin Muhterem Aras in ihrer Begrüßung. Sie entwickelte die Idee, erst Mann und Frau zusammen könnten auf demokratische Weise in Parlamenten - egal auf welcher föderalen Ebene - die Gesellschaft repräsentieren. "Seit 100 Jahren besteht die Möglichkeit, die Parlamente paritätisch, also ausgewogen mit Männern und Frauen zu besetzen, seit 100 Jahren haben wir das nicht ein einziges Mal geschafft - das muss sich endlich ändern!"

Mit reichlich Beifall bedacht waren auch die Vorträge von Professorin Doris König, Richterin am Bundesverfassungsgericht, sowie Professorin Sylvia Schraut, Vorsitzende des Vereins Frauen und Geschichte. König lenkte den Blick auf das 1948/49 ausgearbeitete und mit dem Recht auf Gleichberechtigung versehene Grundgesetz. Auf dessen Basis erst hätten nach und nach frauendiskriminierende Vorschriften durch das Bundesverfassungsgericht abgeschafft werden können. „Es lohnt sich, den Weg zu einem Parité-Gesetz weiter zu verfolgen“, appellierte König in Stuttgart an das Durchhaltevermögen von Frauen. Besonders viel Applaus gab es für ihr Zitat der früheren CDU-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth: "Ich finde ganz entscheidend, dass Frauen nicht einknicken und versichern: 'Ja, wir sind geduldig, wir machen keinen Ärger' Ich kann nur sagen: Das Bravheits-Gebot ist völlig untauglich. Es geht nicht ohne harte politische Auseinandersetzungen."

Charlotte Schneidewind-Hartnagel, Erste Vorsitzende des Landesfrauenrates, forderte dieses Parité-Gesetz mit der Gleichung „Hälfte der Bevölkerung, Hälfte der Mandate“. Die Vorsitzende des Vereins Frauen und Geschichte, Professorin Sylvia Schraut, appellierte an junge Frauen: „Schluss mit den Platzhirschen, kämpft für ein neues Landtagswahlrecht!“ Wenn Frauen Politik durchsetzen wollten, die sie für richtig halten, müssten sie mitmachen. „Sonst wird mit uns Politik gemacht.“ An Vorträge und Diskussion schloss sich eine Workshop-Phase an.

Eine multimedial beeindruckende Performance boten Studierende des Studiengangs Medienwirtschaft an der Hochschule der Medien. Im Plenarsaal inszenierten die Studierenden im Rahmen einer CONMEDIA-Produktion („content in media“) wie es sich anfühlt, wenn im Parlament ein Geschlecht weitgehend dominiert. Im Planspiel, das das Rund des Plenums in lila Licht tauchte, saßen zunächst nur Frauen , sie sprachen über Schönheitsmuster, Selbstbewusstsein und Selbstverständnis. "Traut Euch etwas zu", ermunterte Landtagspräsidentin Aras das weibliche Auditorium. Flankiert wurde die „Experimentierdemokratie“ durch Video-Interviews mit allen frauen-politischen Sprecherinnen der Fraktionen im Landtag sowie einer Umfrage unter Kindern zu ihrem Rollenverständnis. Die Resonanz auf das Angebot des Landtags zu 100 Jahre Frauenwahlrecht fiel beeindruckend aus: Mehr als 500 überwiegend weibliche Gäste kamen am Nachmittag und gut 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Abend zur CONMEDIA - und es gab so viele Anmeldungen, dass Interessierte abgewiesen werden mussten. Das habe es in 18 Jahren CONMEDIA nie gegeben, so Moderatorin Carolin Leßmann.