22. Januar 2020

Parlamentsrede, Fakefinder und Phrasenschwein

Gehören Phrasen zum politischen Betrieb? Wie gefährlich sind Fake-News und Hate-Speech? Wie beeinflussen Gruppen außerhalb des Parlaments die Politik? Kommt die Politik überhaupt noch ins Gespräch mit den Leuten? Wie sieht es aus mit den Jungen? „Lost in politics – Miteinander? Gegeneinander? Füreinander?“ lautet der Titel der dritten CONMEDIA im Landtag von Baden-Württemberg. Das von 23 Studierenden der Hochschule der Medien (HdM) der Studiengänge Medienwirtschaft, Crossmedia-Redaktion und Unternehmenskommunikation konzipierte, interdisziplinäre, journalistische Projekt widmet sich verschiedenen Aspekten rund um Sprache in der Politik – von der parlamentarischen Rede über Hatespeech, Fake News und Phrasen bis Satire. Mehr als zwei Stunden dauert der Event, in dem sowohl Landtagspräsidentin Muhterem Aras als auch verschiedene Landtagsabgeordnete sowie Aktive von Parteien, Bewegungen wie Campus for Future oder Junge Muslime eingebunden sind. Die Einstimmung übernehmen Studierende der Fachrichtung Sprachkunst, die im Plenarsaal wie auf einer Bühne eine aus realen Redebestandteilen konstruierte Debatte nachbilden. Dafür hatte das CONMEDIA-Team alle Protokolle von Landtagsdebatten des Jahres 2019, mehr als 1500 Seiten, ausgewertet. „Faszinierend, wie viel man reden kann, ohne etwas zu sagen“, begrüßt Moderator Alexander Winkler (SWR/IMO-Institut für Moderation) die rund 350 Gäste im Foyer. 
Moderatorin Katja Logemann (HdM-Masterstudentin/IMO-Institut für Moderation) fragt: Wer hat Interesse an Politik? Und wer engagiert sich? Einfallsreich spielt die CONMEDIA mit der Erwartungshaltung und der Wahrnehmung der Zuhörerinnen und Zuhörer. Zum Einsatz kommt ein „Phrasenschwein“, benannt nach einem Buch, das das Phänomen der Phrase als Inhaltsersatz untersucht, und ein Packen Stimmkarten in den Farben der Landtagsfraktionen. Von welcher Partei war der Politiker/die Politikerin, die gesagt hat: …? Es wird geraten, richtig und daneben getippt: Grüne, CDU, AfD, SPD oder FDP/DVP? Zum Einsatz kommt auch der "Fakefinder", entwickelt von Julia Kaltenbacher, und von CONMEDIA-Teams als Drehscheibe entwickelt mit Hinweisen, wie Menschen falsche von richtigen Nachrichten unterscheiden können. Der Journalist Anno Knüttgen (SWR) wirbt für den traditionellen "Faktenfinder", den Journalismus. Zum Einsatz kommen Stimmkarten in Parteifarben. Rezitiert werden Netzkommentare als Gesprächsbeiträge in lockerer Runde. 


Präsidentin Aras spricht über Hatespeech, berichtet von Mails und Briefen, anonym, rassistisch, sexistisch: „Fast schlimmer als die persönlichen Angriffe, sind die Angriffe auf das Amt – auf eine demokratisch gewählte Vertreterin des Volkes.“  Sie sagt: „Ich möchte mich nicht daran gewöhnen, dass wir so miteinander umgehen.“ Der Polizeihauptkommissar Rainer Hellmann erzählt von Gefährdungsbeurteilungen, wenn aus Hatespeech konkrete Drohungen werden. Die Bilanz der jungen Generation am Ende eine durchwachsene: Wie schwach die Kommunikation zwischen der Bevölkerung und der Politik ist, findet Julia Ruppert von den Fridays, CDU-Mitglied Merve Gül plädiert für Engagement in Parteien, weil dies die Entscheidungsträger sind. Und Dennis Sadik Kirschbaum bindet die CONMEDIA 2020 ab mit einer Poetry Slam-Einlage: Wir brauchen nicht mehr Demokratie, wir brauchen mehr Demokraten, dahinter gehen die Schilder hoch mit Wörtern wie Einmischen, Leidenschaft, Mitmachen. Präsidentin Aras sagt Danke für den tollen Abend. Junge Menschen für Politik zu interessieren sei das Zukunftsthema schlechthin, weshalb der Landtag offen bleibt für Überraschungen und gerne als Einladender und Akteur in Erscheinung trete. „Ein solcher Abend ist eine Win-Win-Veranstaltung“, so Präsidentin Aras.