„Beherzte Verteidiger der Demokratie“
Stuttgart. Der Rabbiner Dr. Tovia Ben-Chorin und der Psychologe Ahmad Mansour sind die zweiten Preisträger der Joseph-Süß-Oppenheimer-Auszeichnung. Der Landtag von Baden-Württemberg und die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) würdigen damit herausragendes Engagement gegen Minderheitenfeindlichkeit und Vorurteile in Wissenschaft und Publizistik. „Durch ihr beherztes Eintreten gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verteidigen beide Preisträger unsere Demokratie“, so Landtagspräsidentin Muhterem Aras.
Aras appellierte in ihrem Grußwort, gegen Antisemitismus ebenso entschlossen einzutreten wie jeglicher Suche nach Sündenböcken. „Dieses Engagement ist enorm wichtig, um allen Versuchen entgegenzutreten, unsere Gesellschaft mit Ressentiments zu spalten“, so die baden-württembergische Parlamentspräsidentin. Dies sei elementar für unseren Zusammenhalt.
Als Laudator würdigte Professor Michael Wolffsohn von der Hochschule der Bundeswehr München die so unterschiedlichen Preisträger. Aras dankte dem Historiker und Publizisten für seine häufig überraschenden, manchmal provozierenden Beiträge in Debatten. „Sie haben sich nicht vereinnahmen lassen und gerne quergedacht.“
Mehr als 450 Gäste wohnten der Preisverleihung im Neuen Schloss anlässlich des Neujahrsempfangs der IRGW bei. Neben Landtagspräsidentin Aras, die die Urkunden sowie die Medaille überreichte, sprachen die IRGW-Vorstandsvorsitzende Barbara Traub sowie der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Mark Dainow Grußworte. Anwesend waren neben den Spitzen des Landes und der Landtagsfraktionen auch die beiden Landesrabbiner Wurmser und Flomenmann.
Infos/Hintergrund:
Auszeichnung
Die seit 2015 vergebene Joseph-Ben-Issachar-Süßkind-Oppenheimer-Auszeichnung erinnert an das Schicksal von Joseph Oppenheimer. Der erfolgreicher Geschäftsmann jüdischer Herkunft und Hoffaktor von Herzog Carl Alexander, wurde 1738 am Stuttgarter „Galgenberg“ hingerichtet. Dem Justizmord vorausgegangen war ein Schauprozess. Beweise für die ihm zugeschriebenen Taten gab es keine. Das Todesurteil stand von Beginn an fest. Joseph Oppenheimer, schmähend nur „Jud Süß“ genannt, wurde, tief sitzenden Antisemitismus nutzend, zum Sündenbock gemacht für Verfehlungen des Herzogs.
Preisträger
Dr. h.c. Tovia Ben-Chorin: Der 1936 in Jerusalem geborene Sohn des renommierten Religionsphilosophen Schalom Ben-Chorin amtierte als Rabbiner in Manchester, in Jerusalem und Zürich. Sechs Jahre wirkte er auch in der Jüdischen Gemeinde Berlin, wo man den „Dialog-Rabbiner“ ungern ziehen ließ. Der 80-Jährige ist seit 2015 jüdischer Rabbiner in St. Gallen und spricht fließend Deutsch. Obwohl sein Vater 1935 aus Deutschland vertrieben wurde, ist er dem Land innig verbunden. Religion ist für ihn ein Instrument des Friedens.
Ahmad Mansour: 1976 als Sohn arabischer Israelis geboren, wuchs Mansour in einer nicht praktizierenden, muslimischen Familie auf. Bis 1999 studierte er Psychologie in Tel Aviv. Unter dem Eindruck eines Anschlags, ging er 2004 nach Deutschland und setzte sein Studium in Berlin fort. Seit 2015 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für demokratische Kultur und berät die European Foundation for Democracy. Mansour ist geschätzter sowie streitbarer Ansprechpartner für Medien zu Themen wie Salafismus, Antisemitismus sowie psychosoziale Fragen bei muslimischen Migranten. Seit 2017 ist er deutscher Staatsbürger.