250-Jahr-Feier der KBC Manufaktur Koechlin, Baumgartner & Cie GmbH
Ansprache von Landtagspräsident Peter Straub bei der Verleihung der Staufermedaille an Claas E. Daun am 30. August 2003 in Lörrach >>Die KBC war schon 55 Jahre alt, als Napoleon bei seinem denkwürdigen Zusammentreffen mit Goethe 1808 in Erfurt meinte: „Politik ist das Schicksal“. Davon inspiriert prägte Walter Rathenau 1921 den zur stehenden Wendung gewordenen Satz: „Die Wirtschaft ist das Schicksal“. Und wenn es einen würdigen Anlass gibt, dieses "Bonmot" Walter Rathenaus im gedanklichen Kontext zu zitieren, dann sicher hier und heute. Der Kontext lautet: "Das Wort Napoleons ist hundert Jahre lang wahr geblieben - und es lastet mit seiner ganzen Schwere auf uns. Aber auch dieses Wort hat seine begrenzte Dauer. Es wird der Tag kommen, wo es sich wandelt, und wo das Wort lautet: Die Wirtschaft ist das Schicksal. Schon in wenigen Jahren wird die Welt erkennen, dass die Politik nicht das Letzte entscheidet.“ Wir, die wir uns in dieser großen Festgemeinde zusammengefunden haben, um ein wahrhaft beeindruckendes Unternehmensjubiläum zu feiern – wir können in spezifischer Weise bestätigen: Walter Rathenau hatte Recht mit seiner Prophezeiung. Die KBC hat in zweieinhalb Jahrhunderten viele Umbrüche und politische Katastrophen überstanden; der globale Wettbewerb der Standorte und die fortschreitende Unerheblichkeit von Grenzen und Entfernungen aber wären ihr – fast – zum Verhängnis geworden. Und die - vom Zeitgeist unserer Tage so gerne zum Leitbild erhobene - Lehre Schumpeters von der „schöpferischen Zerstörung“ hätte keinen Trost bedeutet: Denn in Struktur- und Anpassungskrisen – wenn traditionsreiche Unternehmen oder ganze Branchen auf der Kippe stehen - ist die Wahrheit höchst konkret: Menschen verlieren ihre Arbeitsplätze; Familien fürchten um ihre Existenzgrundlage; am Ort und in der Region schwindet die Wirtschaftskraft; es breitet sich eine defätistische Stimmung aus. All das war 1999 für die KBC und für die Stadt Lörrach nicht graue Theorie, es war eine sehr reale Gefahr. Und dann kamen Sie, verehrter Herr Daun! Oder um es mit der Terminologie von Unternehmensübernahmen zu beschreiben: Sie waren weit mehr als ein „weißer Ritter“ – Sie wurden zum „rettenden Ritter“! Sie haben gezeigt: „Die Wirtschaft ist das Schicksal“ – aber ein Schicksal, das gestaltet werden kann, und zwar auch durch Rehabilitation statt durch Revolution. Sie bauten und bauen die Zukunft hier in Lörrach nicht auf den Trümmern des Alten, sondern auf dessen Schultern. Sie haben nicht Substanz vernichtet - Sie haben bewiesen: Ökonomische und technische Umwälzungen können konstruktiv verarbeitet werden, wenn man auch jene Werte im Blick hat, die nur schwer bilanziert werden können - die Kompetenz und das Engagement der Belegschaft oder die gewachsene Unternehmenskultur zum Beispiel. Und Sie haben bewusst gemacht, dass wir in Deutschland die Industrie nicht vorschnell abschreiben dürfen. Wir wären ökonomisch und gesellschaftlich schlecht beraten, würden wir allein auf den Dienstleistungssektor setzen. Die Industrie erwirtschaftet ein Drittel unseres Bruttosozialproduktes; das ist viel mehr als in vergleichbaren westlichen Staaten. Eine konkurrenzfähige Industrie war, ist und bleibt das Fundament unseres Wohlstands. Sie, verehrter Herr Daun, gehören damit in herausragender Weise zu der Art von Investoren und Unternehmerpersönlichkeiten, die unser Land mehr denn je braucht – gerade nachdem sich herausgestellt hat, dass in der IT-Branche und in den Softwareschmieden die Bäume eben doch nicht in den Himmel wachsen. Sie waren und sind ein Glücksfall für die KBC und für Lörrach! Und Sie waren und sind ein Glücksfall für die ganze Region und für unser Land! Denn neben der KBC haben Sie die Lauffenmühle in Lauchringen und in Brombach, Synteen in Erzingen und die Seidenweberei in Reutlingen revitalisiert. Das heißt: Vier traditionsreiche Unternehmen der einstmals unser Land und dessen Struktur mit beherrschenden Textilindustrie leben in Ihrem Imperium weiter - mit geschärftem Profil, aber ohne Identitätsbruch. Und aufgrund Ihrer konsequenten Investitionsstrategie sind alle vier Unternehmen - trotz der schwierigen Wirtschaftslage - in der Erfolgsspur, was sich nicht zuletzt in einem vielfältigen Ausbildungsplatzangebot und bemerkenswerten Chancen auch für eher praktisch veranlagte Jugendliche niederschlägt. Dieser Jubiläumsfestakt hätte deshalb einen unverzeihlichen Mangel, wenn das Land Baden-Württemberg Ihnen, verehrter Herr Daun, heute nicht sichtbar Dank und Anerkennung bekunden würde. Und ich freue mich außerordentlich, dass mir die Aufgabe zugefallen ist, Sie mit der Staufermedaille zu ehren, die Ihnen der Herr Ministerpräsident zugedacht hat. Mit der Staufermedaille werden Menschen ausgezeichnet, denen Baden-Württemberg für besondere Leistungen Hochachtung zollen möchte. Der Letzte, dem vor Ihnen diese Geste zuteil geworden ist, war Placido Domingo. Die Staufermedaille soll dokumentieren, wie hoch wir Sie und Ihr unternehmerisches Engagement wertschätzen. Damit verbunden ist natürlich eine politische Botschaft, die ich so formulieren möchte: Unternehmen, die sich im Wettbewerb nicht behaupten können, nützen auf die Dauer überhaupt niemandem - am wenigsten ihren Beschäftigten, den Städten oder den Regionen, in denen sie produzieren. Jedes Unternehmen muss also zunächst einmal effizient, am Markt erfolgreich, innovativ, profitabel sein - sonst kann es keine gesellschaftliche oder soziale Funktion übernehmen. Deshalb wiegt es schwer, wenn ein persönlich besonders glaubwürdiger Unternehmer wie Sie, verehrter Herr Daun, mahnend sagt, dass es andernorts auf der Welt eigentlich viel befriedigender ist, Unternehmer zu sein, als in Deutschland. Sie schreiben uns genau genommen nichts anderes ins Stammbuch als Walter Rathenau, der seine Formel „Die Wirtschaft ist das Schicksal“ zuvorderst als eine Aufforderung an die Politik verstand – nämlich als Aufforderung, endlich die Zeichen der Zeit zu erkennen. Umso mehr empfinden wir Sie und Ihr Engagement hier in unserem Bundesland – ich wiederhole mich bewusst – als Glücksfall.