Amtseinführung durch Landtagspräsident Peter Straub:

Dr. Eberhard Leibing übernimmt Stelle des neuen Landtagsdirektors Stuttgart. Landtagspräsident Peter Straub hat am Mittwoch, 26. September 2001, den neuen Direktor beim Landtag, Dr. Eberhard Leibing, in sein Amt eingeführt. Leibing, bislang Präsident des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg, tritt die Nachfolge des Ende Juni 2001 in den Ruhestand verabschiedeten Dr. Winfried Grupp an. Bei der Feier, die sich unmittelbar einer Plenarsitzung des Parlaments anschloss, sagte Landtagspräsident Straub: >>Bisweilen wird der Politik entgegengehalten, wir würden vielfach nur noch kommentieren, was ohnehin geschieht. Diese generelle Kritik halte ich nicht für berechtigt. Wenn ich Sie, verehrter Herr Dr. Leibing, im weiteren Sinn zur Politik zählen darf, so haben Sie diese Aussage schon vor Ihrem Amtsantritt widerlegt. Sie haben es durch prononcierte Äußerungen verstanden, das Amt des Landtagsdirektors in der medialen Wahrnehmung schon vor dem eigentlichen Antritt zu besetzen. Dabei sind Sie in Ihren Interviews nicht nur auf den Istzustand eingegangen, vielmehr haben Sie teilweise recht kritisch auf Veränderungen in der Zukunft gedrängt. Ob vor allem die Abgeordneten Ihre Aussagen und Bewertungen in vollem Umfang unterschreiben würden, möchte ich an dieser Stelle offen lassen. Nichtsdestotrotz, lieber Herr Dr. Leibing, seien Sie auf das Herzlichste willkommen geheißen hier im Haus des Landtags als Ihrer neuen Arbeitsstätte. Ich denke, auch für Sie ist heute ein besonderer Tag. Sie treten an die Spitze einer Einrichtung, über die es im Handbuch "Parlamentsrecht und Parlamentspraxis" heißt: "Parlamentsverwaltungen sind weder einheitliche und konstant strukturierte, noch mit genau umrissenen Aufgaben beauftragte oder einen bestimmten Verwaltungstyp verkörpernde Organisationseinheiten." Dass Parlamentsverwaltungen also etwas Spezifisches - etwas nicht genau Konfiguriertes - sind, macht die Bedeutung und den Reiz der Direktoren-Funktion aus. Allerdings zeigt die Praxis, dass jene Amtsinhaber am meisten bewirken und das höchste Renommee erlangen, die es mit einem Rat halten, den der alte Freiherr von Knigge in seinem Traktat "Über den Umgang mit Menschen" einst gegeben hat und der da lautet: "Stimme dich herab von der Begierde, zu herrschen oder eine glänzende Hauptrolle zu spielen. Ach wüsstest du, wie teuer das oft erkauft werden muss". Anders gesagt: Der Platz des Amtschefs im Parlament ist - und hier gebrauche ich ein launiges Wort des schleswig-holsteinischen Landtagsdirektors anlässlich der Verabschiedung Ihres VorgängersDr. Grupp - nicht die Bühne, sondern die Kulisse. Diese Kulisse ist beileibe keine Nebensache: Bei einem qualitätvollen Bühnenstück sind effiziente Leistungen der Kulisse und des Personals, das die Kulisse prägt, unverzichtbar. Von dort aus soll der Landtagsdirektor ein zwar kleines, aber vielseitiges und mit anspruchsvollen Aufgaben betrautes Dienstleistungsunternehmen am Laufen und auf der Höhe der Zeit halten. Von dort aus soll er zudem dem Präsidenten ein loyaler, zuverlässiger Berater sein nicht nur in fachspezifischen und organisatorischen, sondern selbstverständlich auch in politischen Fragen. Wie sagte Ihr geschätzter Vorgänger Dr. Grupp: Der Landtagsdirektor ist der „erste Knecht“ des Parlaments. Ich habe keinen Zweifel, dass Sie, Herr Dr. Leibing, der sich auf allen Ebenen der Staatsverwaltung in verschiedenen Ressorts bestens bewährt hat, Ihre neue Aufgabe mit Freude und Erfolg ausführen werden. Ich darf Ihnen aus jahrelanger Erfahrung als Abgeordneter, als stellvertretender Präsident und als Präsident sagen, dass Sie von Ihren Vorgängern eine qualifizierte, schlagkräftige und belastbare Verwaltung übernehmen. Dies hat sich nicht zuletzt in den vergangenen Wochen und Monaten gezeigt. Ein Vergleich mit anderen Parlamentsverwaltungen zeigt, dass wir mit relativ wenig Personal und geringem finanziellen Aufwand einen ausgezeichneten Output erzielen. Sie, Herr Dr. Leibing, im Einzelnen vorzustellen, ist unnötig: Die allermeisten von uns kennen Sie seit vielen Jahren. Trotzdem möchte ich zwei Facetten beleuchten. Zum einen: Ihr verstorbener Vater Christian Leibing war nicht nur Landwirt und Bürgermeister, sondern er war Politiker und gehörte dem Deutschen Bundestag und acht Jahre lang auch dem Landtag von Baden-Württemberg an, und zwar von 1964 bis 1972, also in einer für das Land wichtigen und politisch turbulenten Zeit. Das politische Engagement Ihres Vaters ist vielfach gewürdigt worden - auch mit der Landesverdienstmedaille. Und nach allem, was über Ihren Vater im Landtagsarchiv nachzulesen ist, war er ein bodenständiger, bürgernaher Kollege, der sich verkannt gefühlt hätte, wenn sein Pragmatismus mit Opportunismus verwechselt worden wäre. Zum anderen haben Sie, Herr Dr. Leibing, in Ihrem bisherigen Leben Veränderungen und das Übernehmen von mehr Verantwortung nie gescheut. Sie sind promovierter Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, · der seinen Berufsweg im Alter von 14 Jahren mit einer landwirtschaftlichen Lehre begonnen hat · und der schon im Alter von 21 Jahren einen Abschluss als Diplomagraringenieur vorweisen konnte. Ihre glänzende Karriere starteten Sie als Fachbeamter in der Ernährungsverwaltung. Zu den wichtigsten Zwischenstationen zählten die Leitung der Zentralstelle im Landwirtschaftsministerium sowie herausgehobene Positionen im Staatsministerium. Dort waren Sie zunächst von 1979 bis 1982 als stellvertretender Sprecher der Landesregierung tätig; dann wurden Sie mit der Leitung der Abteilung für Landesangelegenheiten betraut. Von 1986 bis 1992 waren Sie Amtschef im Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie, ab 1990 mit der Amtsbezeichnung ”Staatssekretär”. Nach Bildung der Großen Koalition wurden Sie in den einstweiligen Ruhestand versetzt, der aber kein Vierteljahr dauerte, denn am 1. September 1992 traten Sie an die Spitze des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg. Dass Ihnen ein Frührentner-Dasein nicht genug gewesen ist, hat dem Land nicht nur viel Geld gespart - Sie haben zugleich gezeigt, dass Sie "Staatsdiener" zu sein nicht als Privileg, sondern als Verpflichtung betrachten. Auf diesem Werdeweg hatten Sie die Chance, sich das besondere Rüstzeug anzueignen, das man als Landtagsdirektor braucht - nämlich die intime Kenntnis der Ministerialverwaltung mit all ihren Tiefen und Untiefen; · Manager- und Controllerqualitäten, die die Fähigkeit zur Teamarbeit und zur Menschenführung einschließen; · das Geschick, Entscheidungen im Rahmen der vorgegebenen Richtlinien argumentationsstark, aber geräuschlos vorzubereiten; · gewinnendes Auftreten, wenn es gilt, Gäste zu empfangen oder Außentermine wahrzunehmen. Mit anderen Worten: Die Voraussetzungen sind gegeben, dass auch beim neuen Landtagsdirektor Amt und Person bestens zusammenpassen. Ich wünsche Ihnen, mir und uns allen, dass es so kommt.
Meine Unterstützung haben Sie auf jeden Fall, wenn am kommenden Montag für Sie der Ernst des Landtagsdirektoren-Lebens beginnt.