Antrittsrede von Landtagspräsident Guido Wolf: Für einen Geist des partnerschaftlichen Umgangs

Stuttgart. Für einen Geist des partnerschaftlichen Umgangs hat der neu gewählte Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) in der Plenarsitzung am Mittwoch, 26. Oktober 2011, plädiert. Er sehe seine Aufgabe und Verantwortung darin, zusammenzuführen, über Parteigrenzen hinweg zu integrieren und gemeinsame Wege aufzuzeigen, sagte Wolf in seiner Antrittsrede. Er wolle deutlich machen, dass das Parlament trotz oder gerade wegen der unterschiedlichen politischen Überzeugungen ein wesentlicher, wenn nicht gar der wesentlichste Teil der Demokratie sei. In diesem Sinne sehe er es als seine vornehmste Pflicht an, der Stellung des Landtags als Erster Staatsgewalt jederzeit und unbedingt Geltung zu verschaffen. Ausgleichend, dienend und politisch wolle er sein neues Amt beherzt in Angriff nehmen, so Wolf. Wörtlich führte der Landtagspräsident aus: >>Eine Wahl zu gewinnen heißt einen Vertrauensvorschuss zu bekommen. Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen haben mir soeben Ihr Vertrauen ausgesprochen, indem Sie mir das Amt des Landtagspräsidenten zutrauen. Dafür möchte ich mich von Herzen bedanken. Ihr parteiübergreifendes Vertrauen dokumentiert die an mich gerichtete Erwartungshaltung, ein ausgleichender und integrierender Präsident zu sein. Nach meiner Überzeugung haben die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes Sehnsucht nach einer Politik, die sich vorrangig an der Lösung von Problemen orientiert. Parteipolitische Auseinandersetzung darf nicht reiner Selbstzweck sein. Im Mittelpunkt steht einzig und allein der Mensch mit seinen konkreten und spezifischen Anliegen. In diesem Haus zusammenzuführen, über Parteigrenzen hinweg zu integrieren und gemeinsame Wege aufzuzeigen, darin sehe ich meine Aufgabe und Verantwortung. Ich will ein Präsident sein, der sein Amt politisch, nicht aber parteipolitisch ausüben wird. Mit demokratischem Geist nach innen und nach außen will ich deutlich machen, dass das Parlament trotz oder gerade wegen der unterschiedlichen politischen Überzeugungen ein wesentlicher, wenn nicht gar der wesentlichste Teil unserer Demokratie ist. In diesem Sinne sehe ich es als meine vornehmste Pflicht an, der Stellung des Landtags als Erster Staatsgewalt jederzeit und unbedingt Geltung zu verschaffen. Demokratische Parlamente sind in der Verfassung verankerte Prüfsteine – und zwar gewollt und unverzichtbar. Deshalb will ich an dieser Stelle nochmals ausdrücklich betonen, dass sich eine Missachtung der Rechte des Parlaments, gar ein Verfassungsbruch, wie er im Rahmen des Ankaufs der EnBW-Aktien vom Staatsgerichtshof gerügt wurde, nicht wiederholen darf. Speziell in diesem Sinne will und werde ich ein wachsamer, zur Not auch unbequemer Präsident sein. Das Amt des Landtagspräsidenten erlebt in diesem Moment keinen völligen Neustart. Mein Vorgänger Willi Stächele hat in den vergangenen fünf Monaten für frischen Wind in diesem Hohen Hause gesorgt. Es ist für mich deshalb nicht nur eine Frage der Etikette, sondern ein Ausdruck tief empfundenen kollegialen Respekts, dass meine erste Amtshandlung darin besteht, Ihnen, lieber Kollege Stächele, auf das Herzlichste zu danken für alles, was Sie in Ihrer kurzen Amtszeit als Präsident mit Elan, Gestaltungsfreude und Humor angestoßen, verbessert und neu strukturiert haben. Sie haben kompetent und zielbewusst geführt und dadurch uns allen gedient. Daran will ich anknüpfen. Die Bürgerinnen und Bürger, die Menschen dieses Landes sind mein, sind unsere Arbeitgeber. Ihnen zu dienen, ist unser Auftrag. Und machen wir dabei nicht den Fehler, unsere eigene Rolle zu überhöhen. Nehmen wir uns, getreu dem Motto von Papst Johannes XXIII. „nicht so wichtig“. Bleiben wir auf dem Boden und unter den Menschen. Bei all unserem Wirken, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es aber auch um die Selbstachtung des Parlaments. Wir sollten nicht bloß an landespolitischen Wegmarken, sondern auch im Parlamentsalltag beherzigen: Nur wer sich selbst achtet, wird geachtet. Nach meinem Eindruck fragen die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger – insbesondere wenn sie uns an Plenartagen besuchen – noch zu oft irritiert: Ist das unser Landtag? Ich meine: Wir sollten uns noch intensiver darum bemühen, dass die Bürgerinnen und Bürger über uns anerkennend sagen: Das ist unser Landtag! Es ist ein Landtag, der Würde ausstrahlt und Respekt verdient. Es ist ein Landtag, der politische Kultur vermittelt und Menschen für Politik begeistert. Kein Zweifel: An diesem Profil gilt es noch zu schleifen. Zwar mögen Seriosität und Bedachtsamkeit leicht hausbacken und langweilig erscheinen. Aber das ist beim guten alten Bausparvertrag genauso. Und der hat die Finanzkrise hervorragend überstanden. Unsere Plenarsitzungen müssen trotzdem nicht monoton ablaufen. Politik lebt von der Leidenschaft für die eigenen Überzeugungen. Und diese zu verbergen wäre verkehrt. Mehr noch: Das Wesen des Parlamentarismus besteht gerade in der demonstrativen Konfrontation von Alternativen. Das parlamentarische Durchleuchten und Bewerten des Regierungshandelns dient eben nicht allein dazu, die Verfassungskonformität sicherzustellen. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, dass Zweifel, Sorgen, Vorbehalte im zentralen politischen Forum des Landes artikuliert und diskutiert werden, bevor verbindliche Entscheidungen fallen. Aber sie erwarten, dass wir das in Würde und mit Respekt voreinander tun. Wir müssen den Menschen Politik besser erklären, ihnen Politik näher bringen. Es gefährdet die Demokratie, wenn Bürgerinnen und Bürger immer mehr auf Distanz zu den Politikern gehen. Diese Distanz gilt es abzubauen, gemeinsam abzubauen. Verkennen wir also nicht, wie sehr der einzelne Abgeordnete als Teil des Ganzen das Bild von der Institution Landtag prägt. Sich um Einzelanliegen kümmern, lokale oder regionale Interessen vertreten, kommentieren, was in der Welt geschieht – das alles zählt zu unserem Kerngeschäft. Aber wir sollten dafür Sorge tragen, dass wir nicht beschränkt auf dieses Tätigkeitsprofil wahrgenommen werden. Zeigen wir offensiv, wie viel wir gestalten, indem wir Rahmenbedingungen überarbeiten, Anreize für gewünschte Entwicklungen setzen oder die strukturelle Verschuldung abbauen. Heute, meine Damen und Herren, ist auch mit Blick auf Berlin und Brüssel ein historischer Tag, weil für Europa und damit für uns alle materiell und immateriell so viel auf dem Spiel steht. Griechenland nachhaltig stützen, den Euro belastbar absichern, die Banken stabilisieren, die Verschuldung der Staaten bremsen – das ist eine Herkulesaufgabe im wahrsten Sinne des Wortes „hoch vier“. Und die vergangenen Monate haben bestätigt, dass vermeintlich einfache Lösungen mit höchster Vorsicht zu genießen sind. Im Strom der jetzt geforderten Entscheidungen braucht es Leitlinien. Und eine davon heißt, Europa transparent zu machen. Europa braucht weniger Staat und mehr Demokratie. Europa braucht mehr Subsidiarität und starke Regionen! Und jede und jeder von uns, liebe Kolleginnen und Kollegen kann mithelfen, den Weg dafür zu ebnen. Denn zu den optimistisch stimmenden Erfahrungen in diesen Wochen zählt, dass die Bürgerinnen und Bürger die Probleme sehr wohl anerkennen, sobald man ihnen die Zusammenhänge erklärt. Unsere Herausforderung ist es, den Menschen Europa in seiner ganzen und weitreichenden Dimension begreifbar zu machen und Ängste abzubauen. Eines liegt mir besonders am Herzen, der Veränderung nicht die Zuversicht zu entziehen. Verfallen wir nicht dem Kleinmut. Erwecken wir nicht den Anschein, Getriebene zu sein, die nur so und nicht anders können. Gönnen wir uns Ziele und Visionen über den Tag hinaus. Gestalten wir mutig Zukunft. Optimismus und Zuversicht, ja und eben auch der Humor, gehören für mich zu den politischen Kardinaltugenden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, meine sehr geehrten Damen und Herren, ausgleichend, dienend und politisch, das ist der Dreiklang, mit dem ich mein neues Amt beherzt in Angriff nehmen will. Im kollegialen Zusammenwirken mit meinen Vizepräsidenten Brigitte Lösch und Wolfgang Drexler will ich unkompliziert für jedermann erreichbar sein. Ich will in diesem Hause für einen Geist des partnerschaftlichen Umgangs stehen. Dabei bitte ich Sie um wohlwollende Begleitung und konstruktive Offenheit!