Begrüßung durch Landtagspräsident Peter Straub
Bundespräsident Köhler zu Gast im Hohen Haus Es gilt das gesprochene Wort! Stuttgart. Im Rahmen seines Antrittsbesuchs in Baden-Württemberg hat Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler am Montag, 29. November 2004, dem Stuttgarter Landtag seine Aufwartung gemacht. Dort fand zu Ehren des Staatsoberhaupts ein Empfang von Landtag und Landesregierung statt. Begrüßt wurden Köhler und die rund 150 namhaften Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kirche, Kultur und Gesellschaft von Landtagspräsident Peter Straub. Musikalisch umrahmt wurde der Empfang von der Knabenmusik Meersburg. Die Begrüßungsansprache von Landtagspräsident Peter Straub, der sich Grußworte des Ministerpräsidenten und des Bundespräsidenten anschlossen, hatte folgenden Wortlaut: >>Selbst wenn man viel in der Welt herumgekommen ist – eine Reise bleibt etwas Besonderes: die „Reise in das Land der eigenen Jugend“. Deshalb wird es für Sie, verehrter Herr Bundespräsident, heute Morgen nicht reine Routine gewesen sein, hochoffiziell dorthin zu fliegen, wo Sie aufgewachsen sind und studiert haben. Umso herzlicher begrüße ich Sie hier im Landtag von Baden-Württemberg. Es ehrt uns, dass Sie nicht lediglich hereinschauen, sondern sich Zeit nehmen. Wohlklingend empfangen worden sind Sie zunächst vom Ensemble und dann vom Klarinetten-Trio der Meersburger Knabenmusik. Den brillanten, klangkräftigen Botschaftern vom Bodensee sei schon jetzt gedankt für die nette Umrahmung dieses – in Anführungszeichen – „Staatsbesuchs“. Ein Bundespräsident wirkt durch seine individuelle Ausstrahlung, durch seine Bereitschaft, sich prägnant zu exponieren, und durch seine Reden. Sie, verehrter Herr Bundespräsident, haben in den zurückliegenden fünf Monaten auf beeindruckende Weise gezeigt, wie man mit diesen Mitteln Profil gewinnen kann. Ihre Reden bestechen nicht allein durch dezidierte Aussagen. Ihre wohltuend unverbrauchte Wortwahl sichert Ihnen zudem eine positive Resonanz. Für uns im deutschen Südwesten kommt ein Drittes hinzu: die landsmannschaftlich vertraute Einfärbung Ihrer Stimme. Wir hören es gerne: Sie, verehrter Herr Bundespräsident, sind einer von uns. Wir merken dabei indes: Sie sind einer von uns, den wir gar nicht so richtig kennen. Exakt diesem Mangel sollen die nächsten anderthalb Stunden wenigstens im Ansatz abhelfen. Sie, verehrter Herr Bundespräsident, sehen vor sich rund 150 Verantwortungsträger, die unser Land, seine Wurzeln, seine Strukturen und seine Spitzenstellung auf vielen Gebieten repräsentieren. Das Haus Württemberg und das Haus Baden sind ebenso höchst prominent vertreten wie Wirtschaft und Wissenschaft; das Gleiche gilt für Kirchen, Kultur, Medien, Kommunen, Verbände, Bundeswehr, Justiz, Verwaltung und Politik. Eigentlich wäre ein Defilee angesagt. Als symbolischen Beitrag zu den notwendigen Deregulierungen haben wir aber auf ein ausgefeiltes Drehbuch verzichtet. Haben Sie, meine Damen und Herren, deswegen bitte Verständnis, dass ich Sie nur pauschal, dafür auf das Allerherzlichste, willkommen heiße. Das schlanke Protokoll erhöht die Chance, Ihre zuversichtliche Frische direkt zu erleben, verehrter Herr Bundespräsident. Sie zeigen authentisch, wie sehr Optimismus und Selbstvertrauen Deutschland akut fehlen. Wir wissen, dass wir in einer Übergangsphase leben. Trotzdem lösen wir uns zu zaghaft von der „alten Bundesrepublik“, die wir bei der Wiedervereinigung schlicht um 25 Prozent vergrößern wollten. Und folglich erreichen wir die „neue Bundesrepublik“ zu langsam. Das diagnostizieren Sie mit der Stringenz eines Ökonomen, der als Motor und als Motivator Deutschland voranbringen will. Sie ermutigen, die überheizten Nischen unseres Wohlfahrtsstaates zu verlassen. Denn Sie vermitteln das Wesentliche – nämlich, dass wir Deutschen im Wind der Globalisierung nicht erfrieren werden, sofern wir uns auf unsere Stärken besinnen. Zu diesen Stärken zählen Sie unser föderales System. Manifest geworden ist das in der Ansprache, die Sie zum „Tag der deutschen Einheit“ – notabene am 3. Oktober – gehalten haben. Ihr schnörkelloser Appell an die Bemühungen der Föderalismuskommission lautete: „Ich erwarte, dass sie am Ende zu Reformen führen, die diesen Namen verdienen.“ Überdies haben Sie die Wähler aufgefordert, am Ergebnis der Debatte die Qualität der deutschen Politik zu messen. Das nennt man „Druck erzeugen“ – und dafür danken Ihnen die Landesparlamente natürlich mit spezifischer Intensität. Sie, verehrter Herr Bundespräsident, verkörpern das Integrative und das Gemeinsame unseres Bundesstaates. Wir hier im Landtag von Baden-Württemberg stehen für die innerstaatliche Heterogenität und für die Bereitschaft, Länderhoheit als Länderverantwortung zu buchstabieren. Dieser Empfang hat somit unausgesprochen das Motto „Einheit trifft Vielfalt“. Und das verspricht interessante Begegnungen und gute Gespräche. Deshalb möchte ich jetzt bloß noch meinen verbalen Willkommensgruß durch ein kleines Gastgeschenk unterstreichen. Ein Geschenk, das sich an beide richtet: an den Ökonomen in Ihnen und ein bisschen auch an den Baden-Württemberger in Ihnen, verehrter Herr Bundespräsident. Es handelt sich um einen Originaldruck der Schrift „Preise und Produktion“ des späteren Nobelpreisträgers Friedrich August von Hayek, der als einer der bedeutendsten Sozialphilosophen unserer Zeit von 1962 bis 1968 in Freiburg lehrte und als Emeritus ab 1977 bis zu seinem Tod 1992 dort lebte. Ich hoffe, Sie freuen sich darüber.