Breite Zustimmung für Ausbau des ÖGD – SPD vermisst klare Entscheidungen

Stuttgart. Die Corona-Pandemie stellt den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) in Baden-Württemberg vor enorme Herausforderungen. Die Landesregierung hat dies erkannt und bereits beschlossen, den Dienst auf allen Verwaltungsebenen zu stärken. Die Opposition unterstützt dieses Ziel grundsätzlich, vermisst bei den Bemühungen der Regierung allerdings den erforderlichen Biss. Das wurde in der Sitzung des Ausschusses für Soziales und Integration am Donnerstag, 22. Oktober, deutlich.

Auf Antrag der SPD-Fraktion diskutierte der Ausschuss über die Lage des ÖGD, dessen Ausbau nach Auffassung der Sozialdemokraten „dringend notwendig“ ist. Seitens der SPD sei in der Sitzung kritisiert worden, das zuständige Sozialministerium habe bisher „viele Ankündigungen, aber keine Entscheidungen“ produziert, berichtete der Ausschussvorsitzende Rainer Hinderer (SPD). Zehn Prozent der ärztlichen Stellen beispielsweise in den Gesundheitsämtern seien derzeit auch deshalb nicht besetzt, weil die Vergütungen nicht attraktiv genug seien. Mediziner, die sich für eine Tätigkeit etwa bei Krankenkassen entscheiden, würden deutlich besser bezahlt. Die Stellungnahme des Ministeriums zum SPD-Antrag enthielten zu diesem Thema „die üblichen Aussagen eines Arbeitgebers, der eine Erhöhung der Bezüge gar nicht will“. Wenn man wolle, dass sich mehr Ärzte für den ÖGD entscheiden, müsse man sich auch an diesem Punkt bewegen und mehr tun.

Die Regierungsfraktionen wiesen die Kritik nach Angaben Hinderers zurück. So seien jüngst beim Landesgesundheitsamt 15 von 16 freien Stellen besetzt worden. Auch in den Regierungspräsidien gebe es bereits deutlich weniger Vakanzen. Die Schwierigkeiten, freie Stellen mit Ärzten zu besetzen, hätten auch mit den spezifischen Tätigkeiten des ÖGD zu tun. Viele Mediziner würden es vorziehen, mit und an den Patienten zu arbeiten. Das lasse sich nicht wegdiskutieren. Zudem gab es laut Hinderer seitens der Regierungsfraktionen den Hinweis, dass die Tarifhoheit zumindest für die Gesundheitsämter bei den Kommunen liege. Das Land sei nicht zuständig.

Sozialminister Manfred Lucha bekräftigte in der Sitzung seinen Willen, den Öffentlichen Gesundheitsdienst auszubauen und auch konzeptionell neu auszurichten. Der ÖGD habe zu lange ein „Schattendasein“ geführt, damit müsse Schluss sein. 227 zusätzliche Stellen für Ärzte, aber auch für Fachpersonal anderer Disziplinen seien angesichts der Corona-Pandemie auf allen Ebenen genehmigt worden, sagte der Grünen-Politiker. Das sei ein großer Erfolg für das Land. Der „Pakt für den ÖGD“, auf den sich die Länder gemeinsam mit dem Bund verständigt haben, sei keine Worthülse. Im Gegenteil, Baden-Württemberg liege bei der Umsetzung weit vorn, so Lucha. Viele der zusätzlichen Stellen seien im September ausgeschrieben worden. Aktuell liefen bereits intensive Bewerbungsrunden. Er erhalte dazu positive Rückmeldungen auch aus den Kommunen, sagte der Minister.  

Die SPD wollte Lucha nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Rainer Hinderer darauf verpflichten, dem Gremium künftig regelmäßig über den Fortschritt bei der Besetzung neuer Stellen zu berichten. Die Regierungsfraktionen lehnten dies mit ihrer Mehrheit ab. Damit wird der Sozialminister erst im Januar wieder vor dem Ausschuss zu diesem Thema sprechen.

Erfreuliche Einigkeit herrschte dagegen laut Hinderer in einem anderen Punkt: Spontan hätten alle Mitglieder des Ausschusses in der Aussprache den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ÖGD anhaltenden Applaus für ihren aufopfernden Einsatz im Kampf gegen die Corona-Pandemie gespendet. Die Abgeordneten hätten damit gezeigt, wie sehr sie auf den ÖGD setzen. Und dass sie sich sehr wohl der Tatsache bewusst seien, dass sich in den Dienststellen viele Menschen bis zur Erschöpfung gegen eine weitere Ausbreitung des Virus stemmen.