Empfang im ZKM: "Landtag trifft Karlsruhe"
Präsident Peter Straub bezeichnet Karlsruhe als Modellregion Karlsruhe. Anlässlich der ersten auswärtigen Plenarsitzung des Landtags in Karlsruhe hat Landtagspräsident Peter Straub (CDU) am Mittwochabend, 15. Mai 2002, im Zentrum für Kunst und Medientechnologie zu einer Begegnung der Parlamentarier mit Bürgerinnen und Bürgern aus der Stadt und der Region Karlsruhe sowie Repräsentanten von obersten Bundeseinrichtungen und Landesinstitutionen eingeladen. Bei dem Empfang, der unter dem Motto "Landtag trifft Karlsruhe" stand, konnte der Präsident über 500 Gäste begrüßen. Wörtlich sagte Straub: >>Der Landtag von Baden-Württemberg hat heute in Karlsruhe eine reguläre Arbeitssitzung abgehalten; und morgen folgt - wie üblich im Sitzungsmodus - eine zweite. Was unspektakulär klingt, ist in Wahrheit eine Premiere: Zum allerersten Mal finden Plenartage des Landtags nicht in Stuttgart statt. Und es war im Landtagspräsidium völlig unstreitig, dass es für diese Premiere und die damit verbundene Geste aus Anlass des 50-jährigen Landesjubiläums nur einen angemessenen Ort gibt: Karlsruhe! Diese Geste wäre freilich unvollständig, würde sie nicht die Begegnung mit denen umfassen, die die eigentliche Substanz der Stadt Karlsruhe und der umliegenden Region bilden. Ich meine die Begegnung mit Ihnen, meine Damen und Herren. Und es freut mich - ebenso wie meine Kolleginnen und Kollegen des Landtags - wirklich sehr, dass unsere Einladung zum Empfang unter dem Motto "Landtag trifft Karlsruhe" eine so große Resonanz gefunden hat. Sie, meine Damen und Herren, repräsentieren die - in Qualität und Quantität beeindruckende - ökonomische, technologische, kulturelle, bürgerschaftliche und administrative Potenz des badischen Kernlandes. Und weil man Karlsruhe bisweilen vorhält, es sei zu bescheiden, würde ich Sie alle am liebsten einzeln persönlich begrüßen. Mit Rücksicht auf unsere Füße und weil ein Empfang ja kein Zählappell sein soll, möchte ich trotzdem nur einige wenige ausdrücklich willkommen heißen: als Ersten - wie es sich gehört - das Stadtoberhaupt, also Sie, Herr Oberbürgermeister Fenrich, sowie die Bürgermeister der Stadt und die Mitglieder der kommunalen Gremien; ebenso natürlich die Vertreter der Region und aus der Region - an der Spitze Frau Regierungspräsidentin Hämmerle und Herrn Landrat Kretz; und im gleichen Atemzug die zahlreichen Repräsentanten aus Exekutive und Legislative, für die - stellvertretend - genannt seien: Herr Präsident Frank vom Rechnungshof Baden-Württemberg und Frau Präsidentin Barth von der Landesanstalt für Umweltschutz; Ein herzlicher Gruß gilt in gleicher Weise den Vertretern der Kirchen, zuvorderst Frau Synodalpräsidentin Fleckenstein und Herrn Landesbischof Dr. Fischer; den Vertretern des Wirtschaftsstandorts Karlsruhe, von denen ich Herrn Vorstandsvorsitzenden Sauer von der Landesbank Baden-Württemberg und Herrn Dr. Hoepfner stellvertretend erwähnen möchte; sowie den Direktoren und Rektoren der Museen, Theater und Hochschulen - wobei ich dreizehn Namen aufzählen müsste, was Sie mir sicher erlassen, was Sie bitte aber umso mehr als Beweis für den Rang Karlsruhes als Kulturstadt werten. Natürlich ist dieser Empfang auch eine Gelegenheit, sich mit ehemaligen Abgeordneten zu treffen, die ich alle herzlich begrüße - darunter einen meiner Amtsvorgänger, Herrn Landtagspräsident a. D. Dr. Gaa, sowie mit besonderer Hochachtung die "Alterspräsidentin" des heutigen Abends, Frau Toni Menzinger. Wir freuen uns wirklich sehr, liebe Frau Menzinger, dass Sie hierher ins ZKM gekommen sind, nachdem Sie schon heute Morgen bei der Plenarsitzung anwesend waren. Und bevor lange herumgerätselt wird, sage ich es einfach: Sie konnten im März Ihren 97. Geburtstag begehen. Nicht weniger freue ich mich, dass unter den Ehemaligen auch die früheren Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe und ehemaligen Landtagskollegen Otto Dullenkopf und Professor Gerhard Seiler sind - wobei ich nicht versäumen möchte, Ihnen, verehrter Herr Professor Seiler, auch für Ihre dritte Karriere als KSC-Chef wieder nachhaltigen Erfolg zu wünschen. Meine Damen und Herren, ich habe es angedeutet: Der Landtag ist hierher gekommen, um im Jubiläumsjahr Baden-Württembergs Karlsruhe als ehemaliger Hauptstadt Badens die Reverenz zu erweisen. Uns ist dabei bewusst, dass es in Karlsruhe Stimmen gibt, die fordern, zum 50. Geburtstag unseres Bundeslandes nicht nur Jubelarien anzustimmen. Und das empfinden wir überhaupt nicht als Drohung: Gerade ein Landesjubiläum muss selbstverständlich auch Raum lassen für kritische Fragen an uns selbst. Dass die Stärke des Landes in der Vielfalt seiner Regionen liegt, darf in der Tat nicht bloß eine Floskel sein, die Festansprachen ziert. Fairness, Verständnis, Chancengleichheit müssen als Maximen des regionalpolitischen Handelns sichtbar werden. Auf der anderen Seite kann man zweifellos jenes Resümee ziehen, das Sie, Herr Oberbürgermeister Fenrich, kürzlich im Gespräch mit einer großen Tageszeitung formuliert haben - nämlich dass die Erfolgsbilanz zu gut sei, als dass sich Ähnliches mit einem eigenständigen Land Baden hätte erreichen lassen. Zu den Beispielen dafür zählt gewiss auch der Ort, an dem wir uns heute Abend versammelt haben - genauer: all das, was an diesem Ort unter einem Dach versammelt ist: das ZKM mit dem Museum für Neue Kunst sowie die Hochschule für Gestaltung. Auf einer Industriebrache, in Hallen, die einst auch als Munitionsfabrik dienen mussten, haben Stadt und Land eine hier in Karlsruhe geborene und vorangetriebene Idee verwirklicht und so gemeinsam ein faszinierendes Stück Baden-Württemberg geschaffen. Die Künste der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft sind ebenso unter einem Dach vereint worden wie Theorie und Praxis. Diese einzigartige, multidimensionale Synthese gehört zweifellos zu den landesweit wichtigsten Kulturinvestitionen der letzten fünf Jahrzehnte. Vor allem aber: Auf dieses Renommierobjekt mit bundes-, ja europaweiter Ausstrahlung sind wir in Baden-Württemberg alle gleichermaßen stolz. Und deshalb danke ich Ihnen, Herr Professor Weibel, auf das Allerherzlichste, dass Sie uns Ihr Haus zur Verfügung gestellt haben. Mein besonderer Dank schließt auch Sie ein, Herr Professor Adriani, denn Sie haben für uns die Türen geöffnet zu Ihrem Reich, dem Museum für Neue Kunst. Ebenso eingeladen sind wir, meine Damen und Herren, zudem zum Besuch der Städtischen Galerie Karlsruhe. Selbstredend möchte ich auch der Hochschule für Gestaltung für die freundliche Aufnahme danken - namentlich Ihnen, Herr Professor Grob, der Sie heute Abend als Prorektor den leider verhinderten Rektor Professor Sloterdijk vertreten. Meine Damen und Herren, der Vater des ZKM und Gründungsrektor der Hochschule für Gestaltung, Professor Heinrich Klotz, hat über dieses solitäre Haus für Kunst und Kultur einmal gesagt "Wir gestalten die Zukunft mit. Innovation ist jedoch nicht alles - auch die Vertiefung der historischen Dimension ist eine Gegenwartsaufgabe". Und er hat der Politik den Rat gegeben: "Die vorhandenen Potentiale nutzen - Neues nicht im luftleeren Raum, sondern in Verbindung mit dem Vorhandenen beginnen". Meines Erachtens sind damit kurz und treffend zwei jener Erfolgsrezepte umschrieben, denen wir in Baden-Württemberg weiterhin bewusst folgen sollten. Ich habe deshalb heute Morgen am Beginn unserer Plenarsitzung deutlich gemacht, wie viel wir als demokratisches Gemeinwesen Baden im Allgemeinen und Karlsruhe im Speziellen verdanken und wie beachtenswert und förderungswürdig die Entwicklung hier ist. Und ich betone gerne auch von dieser Stelle: Das eigentliche Musterland im deutschen Südwesten hieß einst Baden! Baden war politisch und ökonomisch der modernere Staat. Baden zählte zu den Protagonisten der Demokratie und des Parlamentarismus in Deutschland. Es verfügte über die bessere Infrastruktur und über die größere wirtschaftliche Potenz. Die Gewerbeförderung zum Beispiel musste in Württemberg erfunden werden, nicht in Baden. Und das Großherzogtum Baden war selbst am Ende des wilhelminischen Reichs schuldenfrei! Was sich - mit Recht - badische Identität nennt, ist und bleibt damit ein hervorragender Anknüpfungspunkt für eine spezifische Entwicklung Karlsruhes und seiner Region. So hatte Karlsruhe im 19. Jahrhundert früher als Stuttgart eine Technische Hochschule - und so kann Karlsruhe heute eine höhere Ingenieurdichte verzeichnen. Neues braucht hier wahrlich nicht im luftleeren Raum zu entstehen. Zu einer substanziellen Entwicklung gehört - unbestritten - mit an vorderster Stelle, als Region ein eigenständiges politisches Gewicht zu gewinnen. Mittelbaden hat sich dazu aus sich heraus in der TechnologieRegion Karlsruhe - wie es neudeutsch heißt - aufgestellt. Der Landtag wird morgen als TOP 1 unseres zweiten Plenartages über die TechnologieRegion Karlsruhe, deren Bilanz und und deren Perspektiven debattieren. Ohne die Ergebnisse vorwegnehmen zu wollen, darf ich sicher feststellen, dass hier ein "Modell regionaler Möglichkeiten in Baden-Württemberg" entstanden ist, das eine faire Beachtung und gleiche Chancen verdient. Von alledem sollte jedoch ein weiterer Aspekt keinesfalls überdeckt werden - nämlich, dass die baden-württembergischen Regionen - so sehr sie im Wettbewerb untereinander stehen - letztlich nur miteinander gewinnen oder gemeinsam verlieren werden. Denken wir nur an das Ringen um den Verlauf der geplanten Schnellbahntrasse von Paris nach Budapest. Kommt diese "Magistrale für Europa" nicht oder würde sie an Baden-Württemberg vorbeiführen, lägen Karlsruhe, Stuttgart und Ulm, lägen Mittelbaden, der Mittlere Neckarraum und Oberschwaben allesamt im Verkehrsschatten. Hier - und sicher auch bei vielen anderen Aufgaben - können wir nicht als getrennt marschierende und untereinander konkurrierende Badener und Württemberger, sondern eben nur als wirkliche Baden-Württemberger erfolgreich sein. Auch diesen Gedanken sollen die Plenarsitzungen des Landtags in Karlsruhe und der Empfang heute Abend bewusst machen. Und auch in diesem Sinne wünsche ich uns allen deswegen angenehme Stunden bei guten Gesprächen.