Enquetekommission „Berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ legt Abschlussbericht mit 50 Handlungsempfehlungen vor

Stuttgart. Den Abschlussbericht der Enquetekommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ haben am Montag, 13. Dezember 2010, die Vorsitzende dieses Gremiums Andrea Krueger (CDU) und die Obleute aller vier Landtagsfraktionen der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Bericht enthält eine aktuelle Bestandsaufnahme sowie einen umfangreichen Katalog 50 konkreter Handlungsempfehlungen an die Landesregierung mit 160 Einzelvorschlägen für die Zukunft des beruflichen Schulwesens, der dualen Ausbildung sowie der allgemeinen und beruflichen Aus- und Weiterbildung. Er wird am kommenden Mittwoch, 15. Dezember 2010, im Plenum beraten. „Individuelle Bildungspotentiale ausschöpfen und damit gleichzeitig den künftigen Fachkräftebedarf entsprechen – das ist die Zielvorgabe der Enquete für die Menschen und die Wirtschaft in Baden-Württemberg. Daher standen für die Enquetekommission die persönliche Entwicklung und die berufliche Perspektive eines jeden einzelnen jungen Menschen im Mittelpunkt ihrer Überlegungen“, berichtete die Vorsitzende Andrea Krueger MdL. Auf dieser Grundlage habe die Kommission die bestehenden Herausforderungen analysiert, mögliche Lösungsansätze sachlich und fachlich fundiert beraten und letztlich über 160 einzelne zielgenaue Handlungsvorschläge entwickelt, mit denen den Herausforderungen begegnet werden kann. Die Perspektive sei dabei das Jahr 2030 gewesen „Ich freue mich, dass wir ihnen heute (13.12.) ein schlüssiges Bündel an Handlungsempfehlungen vorstellen können, das wir am Mittwoch (15.12.) der Vollversammlung des Landtags zur Beschlussfassung und Weiterleitung an die Landesregierung übergeben werden“, betonte Krueger. „Hervorheben will ich, wie sehr sich die Mitglieder der Enquetekommission an der Sache und den fachlichen Aufgaben orientiert haben. Die aus dieser Herangehensweise resultierende große Übereinstimmung zu den Vorschlägen, mit denen den verschiedenen Herausforderungen wirksam und nachhaltig begegnet werden soll, findet ihren Ausdruck in der überaus großen Zahl einstimmig gefasster Beschlüsse“, so Krueger weiter. Vorsitzende Krueger berichtete, dass drei große Herausforderungen die Enquete intensiv beschäftigt hätten: - Die notwendige Herstellung der Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung, - die Heterogenität der Gesellschaft mit Menschen unterschiedlichster Herkunft und verschiedenster Bildungsvoraussetzungen, die eines differenzierten und flexiblen Bildungsangebots bedürfen, - die notwendige Gewinnung von Fachkräften zur Bewältigung der wirtschaftlichen Herausforderungen des erfolgreichen Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg. Die zentralen Handlungsfelder fasste Krueger zusammen: „Es ging um die nachhaltige Sicherung der beruflichen Schulstandorte, nicht zuletzt zur Stärkung der wirtschaftlichen Infrastruktur im ländlichen Raum, um die Bereitstellung passgenauer Bildungs- und Förderangebote für leistungsstarke und leistungsschwache Schülerinnen und Schüler im schulischen Bereich wie in der dualen Ausbildung sowie um die strukturelle Weiterentwicklung der Weiterbildung im Sinne eines lebenslangen Lernens. Der erwartete Fachkräftebedarf kann nur gedeckt werden, wenn es uns mittels passender Maßnahmen gelingt, jeden jungen Menschen jeden Tag ein bisschen besser zu machen. Unsere Vorschläge dazu stellen wir Ihnen heute vor. „Danken will ich an dieser Stelle auch für das große Interesse der Wirtschaft und der Weiterbildungsträger an der Arbeit der Enquete sowie für die große Offenheit und Bereitschaft, gemeinsam auch neue Wege zu beschreiten, durch die die zweifellos vorhandenen Potentiale von Leistungsstarken und Leistungsschwächeren noch besser ausgeschöpft werden können. Dank gebührt ebenso den beruflichen Schulen, deren Vertreterinnen und Vertreter für die Arbeit der Enquete sehr wertvolle Unterstützung geleistet haben“, so Krueger. Aus ihrer Sicht sei das gemeinsame Ringen um die bestmöglichen Lösungsmöglichkeiten ein Schlüssel für den Erfolg der Enquete gewesen. Die Erkenntnis habe sich über alle Fraktionen durchgesetzt, dass die Enquete das falsche Instrument für einen vorgezogenen Wahlkampf ist. Im Weiteren erläuterten die Obleute der vier Fraktionen ihre Überlegungen zu den zentralen Handlungsfeldern der Enquetekommission. Stefan Teufel, Obmann der CDU-Fraktion, zeigte sich erfreut darüber, dass die Kommission wichtige Impulse zur nachhaltigen Sicherung der bundesweiten Spitzenposition der beruflichen Schulen setzen konnte. „Für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg ist es unverzichtbar, dass wir für die jungen Menschen im Land eine leistungsstarke berufliche Bildungsstruktur vorhalten. Dabei nehmen die beruflichen Schulen als regionale Kompetenzzentren eine Schlüsselposition ein – für deren Bestand auch im ländlichen Raum wir wichtige Empfehlungen an die Landesregierung übergeben werden.“ Ebenso ist es nach Teufels Worten gelungen, „die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass leistungsschwache wie leistungsstarke Schülerinnen und Schüler durch individuelle Förderung bzw. entsprechende Bildungsmöglichkeiten jeden Tag ein bisschen besser werden können. Mit der Empfehlung einen ‚Bildungsnavi‘ zu entwickeln, schaffen wir die notwendige Transparenz, dass die jungen Menschen auch ihren eigenen Bildungsweg finden können.“ Die Beteiligung an allgemeiner und beruflicher Weiterbildung insgesamt zu steigern und dabei vor allem auch bildungsferne Schichten in den Blick zu nehmen, war Christoph Bayer, dem Obmann der SPD, in der Enquete besonders wichtig. „Die Bedeutung der Weiterbildung wird angesichts der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung künftig weiter steigen. Deshalb muss es uns besser gelingen, auch die Menschen anzusprechen, die sich momentan unterdurchschnittlich oft an Weiterbildung beteiligen.“ Um dies zu erreichen, habe die Enquetekommission beschlossen, neue Wege der Ansprache, wie etwa aufsuchende Bildungsberatung, zu gehen. „Die finanzielle Ausstattung der Weiterbildungsträger wird dabei gesichert und es wird geprüft, wie sie den zusätzlichen Aufgaben entsprechend angepasst werden kann.“ Mit ihren Handlungsempfehlungen habe sich die Enquete klar dazu bekannt, die Menschen bei lebenslangem Lernen bestmöglich zu unterstützen. „Durch den Aufbau einer trägerunabhängigen, flächendeckenden und die allgemeine und berufliche Weiterbildung abdeckende Bildungsberatung können Bildungsinteressierte sich künftig besser über ihren Bedürfnissen entsprechende Angebote informieren.“ Die Enquetekommission habe begriffen, dass die bisher geltende Trennung zwischen beruflicher und allgemeiner Weiterbildung heute nicht mehr zu halten sei. Beide Bereiche bedingten einander und müssten gefördert werden, so Bayer. Die Öffnung des dualen Ausbildungssystems nicht nur für leistungsstärkere, sondern insbesondere für marktbenachteiligte und leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler stand für den Obmann der GRÜNEN, Siegfried Lehmann, im Vordergrund der Arbeit der Enquetekommission. „Angesichts des anstehenden Fachkräftemangels können wir es uns schlicht nicht leisten, zahlreiche junge Menschen in Warteschleifen mit schlechten Aussichten auf einen Übergang in ein reguläres Ausbildungsverhältnis unterzubringen.“ Nach Auffassung Lehmanns ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung durch die Enquetekommission vollzogen: „Die Enquetekommission hat die Probleme des Übergangssystems erkannt und mit Handlungsempfehlungen zur Praxisorientierung berufsvorbereitender Maßnahmen und zur Weiterentwicklung von Ausbildungsbausteinen die grundlegende Reform des Systems angestoßen.“ Auch das Thema Anerkennung und Anrechnung bereits erworbener Qualifikationen ist nach Ansicht Lehmanns durch die Arbeit der Enquetekommission zumindest auf die politische Tagesordnung gekommen. „Der Eintritt in grundlegende Reformen ist geschafft, nun geht es darum, diese in der Fläche umzusetzen und die Frage der Verbindlichkeit von Anerkennung und Anrechnung zu klären,“ meinte Lehmann. „Die duale Ausbildung ist und bleibt das Herzstück der beruflichen Bildung in Baden-Württemberg“, sagte Heiderose Berroth, Obfrau der FDP/DVP-Fraktion in der Enquetekommission. Für die FDP/DVP-Landtagsfraktion ist es ein zentrales Anliegen, mehr Jugendliche direkt nach der Schule in eine praxisnahe Ausbildung zu bringen. Durch persönlichen Kontakt mit jungen Auszubildenden, die in den allgemein bildenden Schulen als „Ausbildungsbotschafter“ aus der Praxis berichten, können sich die Schülerinnen und Schüler schon früh ein realistisches Bild über ihren künftigen Beruf machen. Diese und weitere Maßnahmen sollen auch zu einer Senkung der Abbrecherquoten führen. Es sei im Verlauf der Anhörungen sehr deutlich geworden, dass es das Potenzial der hier lebenden jungen Menschen noch besser auszuschöpfen gelte. „Über Maßnahmen der Berufsorientierung wie dem Girls Day oder anderer Aktivitäten ist die Ausbildungsbeteiligung von Mädchen und Frauen in MINT-Berufen weiter zu steigern“, so Berroth. „Besonders hervorheben will ich das breite Angebot der Schulen in freier Trägerschaft. Hier gibt es auch Bildungsgänge, die im staatlichen Bereich kaum angeboten werden, beispielsweise in der chemisch-technischen Ausbildung oder im Pflege- und Sozialbereich“, erklärte Berroth abschließend. Mitglieder der Enquetekommission Der Enquetekommission gehörten 15 Mitglieder an, davon waren 11 Mitglieder Abgeordnete und vier Mitglieder externe sachverständige Personen.
 

A. Abgeordnete

Fraktion

Mitglieder

Stellvertretende Mitglieder

CDU

Krueger, Andrea

Kurtz, Sabine

Razavi, Nicole

Schütz, Katrin

Teufel, Stefan

Wolf, Guido

Bormann, Monika

Hauk, Peter

Herrmann, Klaus

Lazarus, Ursula

Dr. Löffler, Reinhard

Schebesta, Volker

SPD

Bayer, Christoph

Kleinböck, Gerhard

Dr. Mentrup, Frank

Fohler, Sabine

Haller-Haid, Rita

Dr. Prewo, Rainer

Grüne

Lehmann, Siegfried

Neuenhaus, Ilka

FDP/DVP

Berroth, Heiderose

Fauser, Beate

 

B. ExterneMitglieder

Mitglieder

Stellvertretende Mitglieder

Futter, Waldemar
Vorstandsvorsitzender des Berufsschullehrerverbands Baden-Württemberg

Dr. Käuflein, Albert
Leiter des Roncalli-Forums in Karlsruhe (Bildungszentrum des Bildungswerks der Erzdiözese Freiburg)

von Wartenberg, Marion
Stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirks Baden-Württemberg

Dr. Rapp, Wolfgang
bis 2008 Leiter der Volkshochschule Göppingen

Prof. Dr. Euler, Dieter
Universität St. Gallen, Direktor des Instituts für Wirtschaftspädagogik

Prof. Dr. Deißinger, Thomas
Universität Konstanz, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik

Dr. Ruf, Michael
ZF Friedrichshafen AG, Leiter Internationales Personalmarketing

Vollmer, Klaus Landesinnungsmeister des Konditorenhandwerks

Insgesamt zwölf Sitzungen Die Enquetekommission trat in der Zeit von 19. November 2009 bis 15. Dezember 2010 zwölfmal zusammen, hiervon neunmal in öffentlicher und zwölfmal in nicht öffentlicher Sitzung. Sieben Anhörungen von Sachverständigen und Verbänden
Die Enquetekommission hat in sieben Sachverständigenanhörungen zu folgenden Themenfeldern 34 Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis angehört:

  1. Öffentliche Anhörung zum Thema "Berufliche Bildung - fit für Europa"
  2. Öffentliche Anhörung zum Thema "Duales System - gemeinsame Leistung von Wirtschaft und Schule"
  3. Öffentliche Anhörung zum Thema "Weiterentwicklung beruflicher Schulstandorte"
  4. Öffentliche Anhörung zum Thema "Gleichwertigkeit der beruflichen und allgemeinen Bildung"
  5. Öffentliche Anhörung zum Thema "Fit durch Weiterbildung - allgemeine und berufliche Weiterbildung"
  6. Öffentliche Anhörung zum Thema "Weiterbildung als vierte Säule der Wissensgesellschaft"
  7. Öffentliche Anhörung zum Thema "Sicherung des Fachkräftebedarfs und Integration durch Berufliche Schulen, Wirtschaft und Weiterbildung"

Die Enquetekommission hat außerdem bei einer öffentlichen Verbändeanhörung Vertreterinnen und Vertreter von folgenden Verbänden und Organisationen angehört:

  • Arbeitsgemeinschaft der Direktorenvereinigungen an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg
  • Verband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg e.V.
  • Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Baden-Württemberg
  • Landesschulbeirat Baden-Württemberg
  • Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Baden-Württemberg
  • Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeber e.V.
  • DGB-Bezirk Baden-Württemberg
  • Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag e.V.
  • Baden-Württembergischer Handwerkstag e.V.
  • Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit
  • Landkreistag Baden-Württemberg
  • Städtetag Baden-Württemberg

Zusammenfassung Abschlussbericht Enquetekommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“
Baden-Württemberg lebt von der Schaffenskraft und dem Innovationsgeist seiner Bürgerinnen und Bürger. Der Einzelne und seine Entwicklungsmöglichkeiten müssen deshalb Dreh- und Angelpunkt sein, auf den die Weiterentwicklungen in der Bildungspolitik zielen.

  • Welche Fähigkeiten und Kompetenzen brauchen junge Menschen, um ein selbstverantwortliches Leben in einer komplexer werdenden Gesellschaft führen zu können?
  • Wie können insbesondere ein erfolgreicher Start in eine berufliche Ausbildung und ein lückenloser Übergang in das Berufs- und Arbeitsleben gelingen?
  • Welche Förderung brauchen Leistungsstarke, und welche Hilfen benötigen jene, denen das Lernen – aus welchen Gründen auch immer – schwerer fällt?
  • Wie kann erreicht werden, dass sich alle Menschen im Land sowohl im allgemeinen wie im beruflichen Bereich lebenslang weiterbilden können?

Die Enquetekommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ des Landtags von Baden-Württemberg ist diesen zentralen Fragestellungen nachgegangen. Sie hat dabei den Blick auf einen Bereich unseres Bildungswesens gerichtet, der sonst oft – und das völlig zu Unrecht – im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit steht: den der beruflichen Schulen, der dualen Ausbildung sowie der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung. Herausforderungen / Auftrag Die Enquetekommission ist der Überzeugung, dass die Sicherung des Fachkräftenachwuchses eine der wichtigsten Herausforderungen der nächsten Jahre darstellt. Dieser muss sich unsere Gesellschaft stellen. Die Ursachen hierfür liegen im demografischen Wandel, der zu einer Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung im Land führt – und der in Kombination mit stetig wachsenden beruflichen Anforderungen zu einem erheblichen Fachkräftemangel führen kann. In einigen Bereichen ist dieser schon heute spürbar und wird bis zum Jahre 2030 auf eine Größenordnung von 500.000 Fachkräften ansteigen. Dies entspricht gegenwärtig 10 Prozent aller Arbeitskräfte im Land. Prognostiziert wird vor allem ein Bedarf an höher qualifizierten Fachkräften. So werden vor allem Meisterinnen und Meister, Technikerinnen und Techniker, Gesellinnen und Gesellen sowie Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen auf dem Arbeitsmarkt fehlen. Insbesondere werden Fachkräfte im technischen Bereich, aber auch in den Gesundheits- und Pflegeberufen benötigt werden. Eine weitere Herausforderung stellt die zunehmende Heterogenität der Gesellschaft – mit Menschen unterschiedlichster Herkunft und Bildungsvoraussetzungen – dar. Eine hoch ausdifferenzierte Gesellschaft benötigt auch ein Bildungssystem, das den einzelnen bestmöglich zu fördern vermag. Dazu bedarf es intelligenter und flexibler Lösungen. Die Enquetekommission will mit ihren Handlungsempfehlungen sowohl den erfolgreichen Start junger Menschen in das Berufsleben erleichtern, als auch die Fähigkeiten älter werdender Fachkräfte sichern. Dabei geht es der Enquetekommission nicht nur um rein fachliche Qualifikationen – sondern gerade auch um die Wertevermittlung, soziale Kompetenzen wie auch integrative Aufgabenstellungen. Insgesamt will die Enquetekommission mit ihren Empfehlungen die Qualifizierung und das Bildungsniveau der im Land lebenden Menschen anheben. Aufgrund der hohen Ausdifferenzierung des baden-württembergischen Bildungssystems bestehen vielfältige Ansatzpunkte hierfür. Gleichwertigkeit Für die Enquetekommission ist die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung der Ausgangspunkt, der sich wie ein ‚roter Faden‘ durch zahlreiche von ihr vorgelegten Handlungsempfehlungen zieht. Ein grundlegender Anspruch ist dabei, dass die beiden Bildungsbereiche in gleichen Maßen bei der Verteilung von Ressourcen berücksichtigt werden. So ist der Enquetekommission die zeitnahe Anpassung der Unterrichtsversorgung der beruflichen Schulen an das Versorgungsniveau der allgemein bildenden Schulen in den nächsten drei bis fünf Jahren ein wichtiges Anliegen. Auch in Fragen der Verteilung der Fortbildungsmittel, Möglichkeiten der schülerindividuellen Förderung – oder auch der Wertigkeit – legt die Enquetekommission diesen Maßstab an. Die Unterscheidung zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung ist nach Einschätzung der Enquetekommission für die heutige Arbeits- und Lebenswelt nicht mehr zeitgemäß. Dies gilt auch für den Bereich der Weiterbildung: Mit Blick auf die Anforderungen eines lebenslangen Lernens in einer Wissensgesellschaft scheint der Enquetekommission diese Unterscheidung auch für den Weiterbildungsbereich überholt. Berufliche Schulen Die beruflichen Schulen des Landes nehmen bundesweit eine Spitzenstellung ein. Mit ihrer Arbeit möchte die Enquetekommission diese herausragende Position bestätigen und zugleich weitere Möglichkeiten für die heranwachsende Generation schaffen. Jeder einzelne junge Mensch soll die ihm innewohnende persönliche Begabung optimal entfalten können. Auch in dieser Lebensphase werden weitere wesentliche Grundlagen für ein gelingendes lebenslanges Lernen gelegt. Der kommenden Generation bieten die leistungsstarken beruflichen Schulen ein vielfältiges und breites Bildungsangebot, das individuelle Bildungswege eröffnet. Den Schülerinnen und Schülern steht dieses Angebot wahlweise an öffentlichen wie auch privaten beruflichen Schulen zur Verfügung. Ein Ziel der Enquetekommission ist es, dieses Angebot systematisch weiterzuentwickeln, um auch künftig hochqualifizierte Fachkräfte für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg auszubilden. Dabei ist es uns auch wichtig, dass beispielsweise junge Frauen MINT-Berufe bzw. junge Männer Berufe im erzieherischen und sozialen Bereich ergreifen können. Die Bedeutung der beruflichen Schulen belegen folgende Zahlen: Zwei Drittel aller Menschen im Land besuchen im Verlauf ihres Lebens eine berufliche Schule, und über die Hälfte der Hochschulzugangsberechtigungen stammt heute aus dem beruflichen Schulbereich. Ländlicher Raum / Standortentwicklung Wie sich in den Anhörungen der Enquetekommission zeigte, wird der demografische Rückgang der Schülerzahlen zeitnah auch die beruflichen Schulen erreichen und markiert eine dauerhafte Trendwende. So ist nach der aktuellen Prognose des Statistischen Landesamtes zu erwarten, dass die aktuellen Schülerzahlen an den öffentlichen beruflichen Schulen bis zum Jahr 2030 um rund ein Drittel sinken werden. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass nicht alle Standorte und Bildungsgänge gleichermaßen vom Schülerrückgang betroffen sein werden. Vor diesem Hintergrund gilt es, die Sicherung und Optimierung der beruflichen Schulstandorte frühzeitig und systematisch in den Blick zu nehmen. Gerade für das Flächenland Baden-Württemberg ist die Sicherung eines dichten Netzes beruflicher Schulstandorte auch im ländlichen Raum eine weitere entscheidende Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte. Insbesondere handwerkliche bzw. mittelständische Betriebe benötigen zur nachhaltigen Gewinnung gut ausgebildeter Nachwuchsfachkräfte ein leistungsstarkes berufliches Bildungsangebot in der Region. Die zwischen beruflicher Schule und regionalen Betrieben gelebte enge Kooperation bedarf der räumlichen Nähe. So ist für den gewinnbringenden Austausch zwischen Lehrkraft und Ausbilder vor allem auch der persönliche Kontakt notwendig. Das bisherige statische System der Standortplanung scheint der Enquetekommission angesichts der erkennbaren Herausforderungen optimierbar. Es scheint eine gezielte Weiterentwicklung erforderlich, die verstärkt auch das vorhandene Expertenwissen vor Ort einbezieht. Dabei soll eine „dynamische Standortplanung“ das Leitmotiv sein. Die Enquetekommission erkennt die Chance, dass unter Einbeziehung der in der jeweiligen Region vorhandenen Sach- und Fachkenntnis von Vertretern der Schule, Schulträger, Wirtschaft, Elternschaft u.a., ein abgestimmtes und am regionalen Bedarf ausgerichtetes berufliches Bildungsangebot gesichert werden kann. Dabei sollen insbesondere Trends frühzeitig identifiziert und in eine weitsichtige und abgestimmte Entwicklung der beruflichen Schulen einfließen. Mit ihrer Empfehlung, dass jeder Standort im Land einen Bildungsgang enthalten sollte, der einen Hochschulzugang vermittelt, kann eine weitere Attraktivitätssteigerung ländlicher beruflicher Schulstandorte erreicht werden.Transparenz Ein weiteres Anliegen der Enquetekommission ist es die Transparenz und Qualität der beruflichen Bildung weiter zu verbessern. Nach Einschätzung der Enquetekommission ist eine hohe Transparenz die Voraussetzung dafür, dass die Schülerinnen und Schüler die vorhandenen Angebote kennen und umfassend nutzen können. Konkret empfiehlt die Enquetekommission die Entwicklung eines internetbasierten „digitalen Bildungsnavigators“, der individuelle Bildungswege aufzeigen und veranschaulichen kann. Bei Eingabe der vorhandenen formalen Abschlüsse und der angestrebten Bildungsziele, soll dieser „Bildungsnavi“ alternative individuelle Bildungswege aufzeigen können – am besten gleich mit Kontaktdaten der ortsnahen beruflichen Schulen. Auch die Weiterentwicklung, Verstetigung und Optimierung des Weiterbildungsportals www.fortbildung-bw.de bewertet die Kommission als zielführend. Aber nicht nur die vielfältigen Bildungswege und Möglichkeiten müssen noch transparenter werden, sondern auch die Datengrundlage für die empirische Bildungsforschung anhand derer die Planungen der zukünftigen Bildungspolitik erfolgen sollte weiter verbessert werden. So empfiehlt sie unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Einschränkungen, eine integrierte Ausbildungsstatistik zu erstellen und das nationale Bildungsregister in die Tat umzusetzen. Damit könnte aus Sicht der Enquetekommission die Bildungspolitik in Zukunft noch zielgerichteter und wissenschaftlich fundierter handeln. Eine noch passgenauere Ausrichtung an den Förderbedürfnissen der jungen Menschen könnte möglich werden.Berufliches Gymnasium / Berufsoberschule Gerade die beruflichen Gymnasien eröffnen innerhalb des baden-württembergischen Schulsystems die äußerst attraktive Möglichkeit für Schülerinnen und Schüler mit mittlerem Bildungsabschluss die allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Sie tragen damit dem Trend zu höheren Bildungsabschlüssen Rechnung. Der baden-württembergische Weg zum Abitur in 9 Jahren verläuft über 6 Jahre Realschule und 3 Jahre berufliches Gymnasium! Damit auch alle entsprechend befähigte Schülerinnen und Schüler diesen attraktiven Weg gehen können, empfiehlt die Enquetekommission einen weiteren bedarfsgerechten Ausbau dieser Schulart – auch über die bereits bewilligten 100 Klassen zum Schuljahr 2011/12 hinaus. Daneben will sie auch, dass besonders leistungsstarke Auszubildende den Weg des Zweiten Bildungswegs mit dem Angebot der Berufsoberschule noch besser nutzen können. Deshalb gibt die Enquetekommission hier der Landesregierung die Empfehlung, das bestehende Netz der beruflichen Gymnasien im Land noch dichter zu knüpfen. Mit dem gezielten Ausbau der Technischen Gymnasien gelang es bereits in den letzten Jahren zusätzliche Schülerinnen und Schüler zur allgemeinen Hochschulreife zu führen. Die beruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg sind ein echtes Erfolgsmodell und wurden daher sukzessive ausgebaut und um weitere Richtungen – wie zuletzt um das Biotechnologische und das Sozialwissenschaftliche Gymnasium ergänzt. Im laufenden Schuljahr besuchen über 50.000 Schülerinnen und Schüler ein öffentliches berufliches Gymnasium, worin sich auch die breite Akzeptanz dieser Schulform innerhalb der Gesellschaft widerspiegelt. Zwischen 2000/01 und 2010/11 erfolgte ein Ausbau der beruflichen Gymnasien um insgesamt 163 zusätzliche Klassen. Zum Schuljahr 2011/12 wird der deutliche Ausbau um weitere 100 zusätzliche Klassen weitergeführt werden. Darüber hinaus empfiehlt die Enquetekommission einen weiteren Ausbau der Schulplätze entlang der Bewerberzahlen vorzunehmen. Parallel zum quantitativen Ausbau gibt sie auch die Empfehlung zu einer weiteren qualitativen Stärkung. Ein Profil „Umwelttechnik“ soll bereits zum Schuljahr 2011/12 an einigen Standorten an den Start gehen. Inhaltlich empfiehlt die Enquetekommission für dieses zukunftsweisende neue Profilfach den Bildungsgehalt ausgewählter technischer Themen wie den Einsatz erneuerbarer Energien (Solarenergie, Windkraft, Erdwärme u.a.), den Umgang mit Brennstoffzellen und neuen Speichertechnologien sowie den Ressourcen schonenden Einsatz von Energiequellen im Bereich der Gebäudetechnik und der Automobilindustrie (Mobilitätskonzepte, …) in den Mittelpunkt zu stellen. Die nahezu allgegenwärtigen Rahmenbedingungen der knapper werdenden Ressourcen, deren schonende Verwendung und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt vor dem Hintergrund korrekter technisch-naturwissenschaftlicher Grundlagen sollen in diesem Kontext differenziert betrachtet werden. Neben den originär technischen Themen sollen in diesem Profil auch nicht technische Aspekte wie Subventionen, Förderprogramme, Produktionsbedingungen u.ä. Berücksichtigung finden. Duales System Die duale Ausbildung ist eine Besonderheit der Berufsausbildung in Deutschland und ein weltweit anerkanntes Erfolgsmodell. Ihre Stärke liegt in der richtigen Mischung aus allgemeinen, fachtheoretischen und fachpraktischen Inhalten. Insbesondere die betriebliche Praxis gibt den jungen Menschen wichtige Impulse für ihre weitere berufliche Entwicklung. Als dualer Partner ist die Berufsschule nach Einschätzung der Enquetekommission von zentraler Bedeutung. Sie ist der „Markenkern“ der beruflichen Schulen im Land und qualifiziert gemeinsam mit den Betrieben die Auszubildenden zu kompetenten Fachkräften. Mittels berufsbildender Inhalte sollen die jungen Menschen in der Berufsschule befähigt werden, die neuen vielfältigen Chancen und Möglichkeiten einer veränderten Arbeitswelt individuell nutzen zu können und für sich ein erfolgreiches Berufsleben zu gestalten. Die Enquetekommission erkennt im Dualen System ein stabiles Fundament für eine lebenslange Berufsqualifikation. Mit ihren Empfehlungen will die Enquetekommission einen wichtigen Beitrag leisten, um die Attraktivität der dualen Ausbildung gemeinsam mit der Wirtschaft weiter zu stärken. Das Motto „Karriere durch Lehre“, soll auch in Zukunft gelten. Mit einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit sollen Eltern und jugendliche Schulabgänger über die Chancen im dualen System informiert werden. Dazu kann beispielsweise der Einsatz von Auszubildenden dienen, die als Ausbildungsbotschafter in den Schulen direkt aus der Praxis berichten. Ein wichtiger Baustein in den Empfehlungen an die Landesregierung ist das Angebot von Englisch in der Berufsschule. Die Enquetekommission ist sich der Bedeutung des berufsbezogenen Fremdsprachenunterrichts in einer globalisierten Welt bewusst. Daher müssen junge Menschen passgenau auf diese veränderten Rahmenbedingungen auf einen erfolgreichen Berufsstart vorbereitet sein. Dass es im Herzen Europas Bildungsgänge des Sekundarbereichs II gibt, in denen nicht wenigstens eine Fremdsprache obligatorisch erlernt wird, erscheint als Anachronismus. Zudem erkennt die Enquetekommission die Chance, dass dies zur weiteren Attraktivitätssteigerung des Dualen Systems beitragen wird. Gleichzeitig ist damit auch eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Fachkräfte verbunden. Mit ihren Handlungsempfehlungen will die Enquetekommission einen wichtigen Beitrag dazu leisten, diese Spitzenposition zu halten und nach Möglichkeit noch auszubauen. Sie will dazu beitragen, die berufliche Bildung in Baden-Württemberg ‚fit für die Zukunft‘ zu machen – es gilt die sich abzeichnenden zukünftigen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft zu bewältigen. Trotz aller Erfolge stehen die beruflichen Schulen, die duale Ausbildung sowie die allgemeine und berufliche Weiterbildung vor großen Herausforderungen. Das „Bündnis für Ausbildung“ hat zu einer weiteren Stärkung der dualen Ausbildung im Land beigetragen. Es wurde im Jahr 2006 zwischen der Landesregierung und der Wirtschaft im Land geschlossen und verpflichtet die beiden Bündnispartner zu einem erhöhten Engagement für das Duale System. Gerade angesichts der äußerst schwierigen Begleitumstände der Wirtschafts- und Finanzkrise hat das Bündnis zur Stabilisierung beigetragen. Die Enquetekommission empfiehlt im Zuge der Verhandlungen um eine Bündnisverlängerung die bisherigen quantitativen Ziele – wie die Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze – auch um qualitative Zielsetzungen zu ergänzen. Dazu empfiehlt die Enquetekommission vor allem die weitere Optimierung von passgenauen Angeboten für leistungsstärkere als auch leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler. Nach Einschätzung der Enquetekommission sollten in das Bündnis unter der Überschrift ‚allgemeine Bedeutung der dualen Ausbildung‘ gezielte Maßnahmen zu qualitativen Zielsetzungen aufgenommen werden. Diese originären Bündnisziele scheinen dazu geeignet, leistungsstarke und leistungsschwache Schülerinnen und Schüler für eine duale Ausbildung zu gewinnen – die derzeit teilweise verloren gehen. Die Enquetekommission ist der festen Überzeugung, dass so eine wichtige Voraussetzung geschaffen werden kann, dass das Ausbildungsbündnis künftig noch zielführender für eine positive Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt sein wird.Angebote für Leistungsschwache Aber nicht nur für die Leistungsstarken stehen mit den Beruflichen Gymnasien, den Berufskollegs oder den Berufsoberschulen attraktive Angebote bereit. Auch für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler, die auf Grund von Sprachdefiziten, sozialen Nachteilen oder sonstigen Gründen über schlechtere Startchancen verfügen, kann das duale Ausbildungssystem einen attraktiven Einstieg in die Berufswelt bieten. Für diese Schülerinnen und Schüler scheint eine möglichst frühe berufspraktische Lernphase zielführend. Insbesondere leistungsschwächere bzw. schulmüde Jugendliche können so persönliche Erfolge erleben und dadurch einen erfolgreichen Start ins Berufsleben schaffen. Ganz konkret empfiehlt die Enquetekommission deshalb, das Berufsvorbereitungsjahr, das Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf sowie das Berufseinstiegsjahr mit umfangreicheren betrieblichen Lernphasen auszugestalten. Die Landesregierung wird beauftragt ein Umsetzungskonzept zu entwickeln, das mindestens zwei Tage im Betrieb vorsieht. In dieser wichtigen betrieblichen Praxisphase sollte eine individuelle Unterstützung stattfinden. Eine mögliche Anrechenbarkeit auf eine spätere Ausbildung ist ein wesentliches Anliegen der Enquete. Ein weiteres wichtiges Ziel liegt für die Enquetekommission in der Reduzierung von Ausbildungsabbrüchen. Dazu empfiehlt sie insbesondere ein höheres Maß an individueller Förderung – auch auf Basis von Kompetenzanalysen. Auch sollten jugendliche Berufsabbrecher in besonderer Weise Unterstützung erfahren. Seitens der Wirtschaft wird wiederholt angemahnt, dass die Leistungsfähigkeit einiger Jugendlicher nicht immer den allgemeinen Anforderungen, die zum Eintritt in ein Ausbildungsverhältnis erforderlich sind genügen. Eine individuelle Förderung lernschwächerer Schülerinnen und Schüler wird daher an den Berufsschulen im Wahlpflichtbereich mit bis zu zwei Wochenstunden (dem sogenannten Stützunterricht) angeboten. Die organisatorische und inhaltliche Gestaltung dieser Förderleistungen übernimmt die Schule. Gegenwärtig findet ein Kooperationsprojekt der Universität Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium zur systematischen Förderung von lernschwächeren Schülerinnen und Schülern in der einjährigen Berufsfachschule statt, in Zuge dessen besonders die Bereiche Personal-, Sozial- und Fachkompetenz gefördert werden. Nach Einschätzung der Enquetekommission sollen auf Grundlage der Ergebnisse dieses Projektes Wege gefunden werden, um den Stützunterricht im Wahlpflichtbereich der Stundentafel zukünftig noch effizienter und effektiver gestalten zu können. In gravierenden Fällen soll dieser Stützunterricht auch über die Stundentafel hinaus erweitert werden können Für den Bereich des BVJ, BEJ und VAB soll auf Empfehlung der Enquetekommission zeitnah eine Ganztagesbeschulung eingeführt werden. Das Konzept soll dabei so angelegt sein, dass es die gesellschaftliche und berufliche Integration der Schülerinnen und Schüler fördert und mögliche einschränkende Einflüsse ihrer sozialen bzw. kulturellen Herkunftsmilieus ausgleichen kann. Daneben sollen die Jugendlichen an den Lebensrhythmus bzw. das Zeitmuster der Arbeitswelt herangeführt werden. Darüber hinaus soll mit einem Modellversuch zudem das Ganztagesangebot am BK I erprobt werden. In den Modellversuch sollen quotiert BKs aller drei Schultypen einbezogen sein. Es soll erprobt werden, ob durch ein solches optimiertes Unterrichtsangebot noch mehr Schülerinnen und Schüler den angestrebten Erwerb der FHSR realisieren können. Insbesondere verspricht sich die Enquetekommission durch die so mögliche Stärkung in den allgemein bildenden Fächern einen erleichterten Übergang in das BK II. Angebote für Leistungsstarke Die Enquetekommission empfiehlt für leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler parallel zum traditionellen Besuch der Berufsschulen das Angebot von Zusatzqualifikationen im Ergänzungs- bzw. Erweiterungsunterricht, die auch zertifiziert werden können. Aus Sicht der Enquetekommission liegt darin die Chance, die Attraktivität des dualen Ausbildungssystems für leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler noch weiter zu steigern. Zusätzlich besteht gegenwärtig an derzeit etwa 30 Standorten im Land die Möglichkeit, außerhalb der Stundentafel in der Freizeit die Fachhochschulreife zu erwerben. Es hat sich jedoch in der Vergangenheit gezeigt, dass dieses Angebot eine hohe zusätzliche Belastung bedeutet und daher nur selten in Anspruch genommen und noch seltener erfolgreich absolviert wird. Die Enquetekommission empfiehlt daher, den Erwerb der Fachhochschulreife zumindest teilweise im Rahmen der betrieblichen Arbeitszeit durchzuführen. Nach ihrer Einschätzung liegt der Zusatzunterricht zum Erwerb der FHSR im gemeinsamen Interesse von Auszubildendem und Ausbildungsbetrieb und trägt nachhaltig zur Attraktivitätssteigerung einer Ausbildung gerade im Handwerk bei. So könnte das gemeinsame Interesse von Ausbildungsbetrieb und Auszubildenden zu einer pragmatischen Lösung geführt werden: Der Auszubildende mit Mittlerer Reife verzichtet auf seine Verkürzungsmöglichkeit der Ausbildungszeit und der Ausbildungsbetrieb gestattet ihm im Gegenzug den Zusatzunterricht zur FHSR während der Arbeitszeit zu besuchen. Die Enquetekommission erkennt in einem solchen Modell eine große Chance, die vor Ort von der Wirtschaft noch intensiver genutzt werden sollte. Die Kammern sollten die Betriebe hierüber intensiv beraten. Darüber hinaus empfiehlt die Enquetekommission den weiteren Ausbau der Dualen Berufskollegs. Ein solches Angebot könnte die Entscheidung leistungsstärkerer Schülerinnen und Schüler nachhaltig für eine duale Ausbildung steigern. Insbesondere empfiehlt die Enquetekommission der Wirtschaft – insbesondere dem Handwerk –sich aktiv an der Weiterentwicklung der Dualen Berufskollegs zu beteiligen. Die Enquetekommission hat den generellen Bedarf des Handwerks an leistungsstärkeren Auszubildenden, die über eine hohe Handlungskompetenz verfügen, erkannt und sieht daher die Möglichkeit der Attraktivitätssteigerung von Ausbildungen im Handwerk auch für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten als gegeben an. Um Schülerinnen und Schülern der beruflichen Gymnasien die Chancen und Möglichkeiten einer Karriere im Handwerk näherzubringen, sollen auf Empfehlung der Enquetekommission künftig auch handwerkliche Aspekte in den Bildungsplan des beruflichen Gymnasiums aufgenommen werden. Die zeitnahe Einführung eines richtungsübergreifenden Faches „Organisation & Führung im Handwerk“ im Wahlbereich bereits zum Schuljahr 2011/12 erscheint deshalb sinnvoll.Integration Neben der Integration von leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern stellt auch die Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Herausforderung dar, der sich die Enquetekommission angenommen hat. Es scheint in dem Zusammenhang förderlich, verstärkt Unternehmen, die von Migrantinnen und Migranten geführt werden, über die duale Berufsausbildung zu informieren und für diese zu gewinnen. Zudem muss das Wissen um das System der dualen Ausbildung gerade in diesen gesellschaftlichen Kreisen noch gezielter multipliziert und etabliert werden. Wie sich in den Anhörungen zeigte, scheinen die Kultur- und Elternvereine als besonders geeignete Anknüpfungspunkte. Auch auf eine Stärkung der interkulturellen Kompetenzen auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Ausbilderinnen und Ausbilder ist in Zukunft verstärkt zu achten, um eine gelingende Integrationspolitik weiter voranzutreiben. Lehrkräfte mit eigenem Migrationshintergrund können dabei eine wichtige Vorbildungsfunktion übernehmen. In Bezug auf ältere qualifizierte Migrantinnen und Migranten wird die Landesregierung aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den dualen Partnern Vorschläge für ein bundesweit realisierbares Verfahren zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen auszuarbeiten.OES Die Enquetekommission will den beruflichen Schulen noch vermehrt die Verantwortung dafür übertragen, was vor Ort gelingt. Dabei sollen Schulleitung und Kollegium gemeinsam den Erfolg der Schule anstreben – und diesen verantworten. Sie verstehen dabei den ‚Erfolg der Schule‘ als den ‚Erfolg ihrer Schülerinnen und Schüler‘. Die Schulen vor Ort sollen ihre spezifische Entwicklung selbst gestalten und steuern können. Damit dies gelingt, weiten wir den Freiraum der Schulen zielgerecht aus. Auf diesem Weg sollen die Schulen verstärkt regionale Partner einbinden und mit ihrem unmittelbaren Umfeld aktiv zusammenarbeiten. Ein entscheidendes Instrument zur Optimierung der Qualität beruflicher Schulen ist die Weiterentwicklung der Operativ Eigenständigen Schule (OES) und die in diesem System eingebundene Fremdevaluation. Die Enquetekommission erkennt in der Einführung von Fortbildungsbudgets eine Chance dafür, dass berufliche Schulen noch eindeutiger ihre eigene Qualitätsentwicklung steuern können. Das Ziel dabei ist eine nachhaltige Verbesserung der Unterrichtsqualität. Darüber hinaus empfiehlt die Enquetekommission die Einführung eines Schulverwaltungsassistenten an den mittleren und großen beruflichen Schulstandorten. So hat die Evaluation der Modellversuche eindeutig gezeigt, dass der Schulverwaltungsassistent zu einer deutlichen Effizienzsteigerung führt. Der Schulverwaltungsassistent fand bei allen schulischen und außerschulischen Beteiligten hohe Akzeptanz. Er kann notwendige Freiräume schaffen, dass Lehrkräfte sich wieder verstärkt ihrem originären Kerngeschäft Unterricht widmen können. Daher erscheint der Enquetekommission die Ausweitung des Einsatzes von Schulverwaltungsassistenten sinnvoll. Die Enquetekommission empfiehlt der Landesregierung für die mittelgroßen bis großen beruflichen Schulen, den Einsatz von Schulverwaltungsassistenten in der Anstellungsträgerschaft der Schulträger unter 50%iger Kostenbeteiligung des Landes (ab dem Schuljahr 2012/13) vorzunehmen. Weiterbildung Um die Qualifizierung und das Bildungsniveau des Landes anzuheben, muss aber nicht nur die Ausbildung im beruflichen Schulwesen als auch in der dualen Ausbildung zukunftsgerecht ausgerichtet werden, sondern auch die allgemeine und berufliche Weiterbildung. In einer zunehmend alternden Gesellschaft mit immer kürzeren technologischen Innovationszyklen gewinnt die Aktualität des Wissens und damit das lebenslange Lernen zunehmend an Bedeutung. Das zentrale Anliegen der Weiterbildungspolitik muss es zukünftig sein, bisher kaum erreichte Zielgruppen wie etwa bildungsferne Schichten, An- und Ungelernte sowie Migrantinnen und Migranten anzusprechen und für Weiterbildungsmaßnahmen zu gewinnen. Gerade für diese Gruppen erscheint es von enormer Bedeutung sie durch Weiterbildungen auf die Anforderungen der Berufswelt einzustellen und weiter zu qualifizieren und sie damit im Erwerbsprozess zu halten. Zudem muss einer digitalen und damit einhergehender informativen Spaltung der Gesellschaft vorgebeugt werden. Eine besondere Schwierigkeit stellt in diesem Zusammenhang die Zielgruppenansprache dar, die durch eine aufsuchende Weiterbildungsberatung realisiert werden könnte. Zudem müssen im Weiterbildungsbereich zielgruppenspezifische Lernmittel und Vermittlungsformen vorhanden sein. Die Enquetekommission fordert daher die Landesregierung auf, ein entsprechendes Konzept zu entwickeln, das passgenau auf die genannten Zielgruppen ausgerichtet ist. Um das allgemeine Weiterbildungsangebot in Baden-Württemberg zu sichern, solle zudem die Verzahnung von öffentlichen und privaten Weiterbildungsangeboten optimiert sowie die Grundförderung – auch für Kooperationen verschiedener Träger – verlässlich geregelt werden.
Im Bereich der beruflichen Weiterbildung muss ein Schwerpunkt auf kleine und mittlere Unternehmen als auch An- und Ungelernte gelegt werden, da hier Defizite erkennbar sind. In diesem Bereich könnten sich gerade im ländlichen Raum die beruflichen Schulen als regionale Kompetenzzentren positionieren und in Kooperation mit den Kammern und den Betrieben ein Weiterbildungsangebot gemäß dem regionalen Bedarf unter Vollkostenrechnung entstehen. Generell ist der Weiterbildungssektor dahingehen umzustrukturieren, dass bestehende Doppelstrukturen abgebaut werden, insbesondere im Hinblick auf die Programme des Bundes und der Bundesagentur für Arbeit. Zudem könne ein Netzwerk zur Weiterbildungsberatung in Baden-Württemberg entstehen, welches trägerneutral, flächendeckend und allgemein- als auch berufsbildend agiert. Dazu bedürfe es der Vernetzung der bestehenden Beratungsstellen mit selbstverpflichtenden Beratungsstandards. Außerdem müssten innovative Weiterbildungskonzepte entwickelt werden wie etwa auch Web 2.0-Modelle oder e-learning und blended learning für den ländlichen Raum.