Eröffnung durch Landtagspräsident Peter Straub

Ausstellung erinnert an Geschichte und Entwicklung der württembergischen Landtage und Landstände Stuttgart. An die Geschichte und die Entwicklung der württembergischen Landtage und Landstände erinnert eine Ausstellung, die bis 30. November 2007 im Stuttgarter Landtag gezeigt wird. Anlass der Sonderschau ist die 550. Wiederkehr der erstmaligen Erwähnung von Landtagen in Württemberg. „Das geistige Erbe von 1457 verpflichtet die Institutionen, die Bereitschaft zu Freiheit und die Befähigung zu politischer Mitverantwortung zu fördern. Und es verpflichtet die Bürgerinnen und Bürger, nicht der verhängnisvollen Sehnsucht nach einem politikfreien Leben zu erliegen, sondern zu begreifen, dass sie in der Pflicht stehen“, sagte Landtagspräsident Peter Straub bei der Eröffnung der Ausstellung am Dienstagabend, 6. November 2007. Wörtlich führte der Präsident aus: >>Nach unseren Maßstäben waren die ersten württembergischen Landtage vor 550 Jahren noch keine Parlamente. Im Jahr 1457 wurde aber gleichsam eine Keimzelle für ein freiheitlich-demokratisches Staatswesen befruchtet. Das erstarkende Bürgertum stieg zum politischen Akteur auf. Es begann eine beeindruckende Metamorphose. Man darf sogar sagen: eine einzigartige Metamorphose. Der Landtag von Baden-Württemberg kann sich mit Fug und Recht als deren Ergebnis fühlen – was er gerne tut. Zum stolzen Jubiläum „550 Jahre württembergische Landtage“ wird uns ein echtes Geschenk zuteil: Wir können – buchstäblich – zurückblicken – auf die Umstände und die Protagonisten dieser eher unspektakulär, jedenfalls nicht revolutionär eingeführten Innovation – und auf die späteren Wegmarken und Meilensteine des politisch-gesellschaftlichen Fortschritts. Dieses Zurückblicken im Wortsinn wird uns ermöglicht durch die Ausstellung „Landschaft, Land und Leute – Politische Partizipation in Württemberg“, die das Hauptstaatsarchiv Stuttgart penibel und aufwendig gestaltet hat. Wir beherbergen die Exponate dankbar und mit Respekt. Die Präsentation bezeichnet sich – in landestypischer Bescheidenheit – als Streiflicht. In Wahrheit ist sie jedoch ein starker Xenon-Scheinwerfer, der viele Details punktgenau ausleuchtet und der vor allem erhellt: Die Mitte und das Ende des 15. Jahrhunderts waren eine ereignisreiche Zeit. Es geschah mehr als die Erfindung des Buchdrucks und die Entdeckung Amerikas. Passend dazu hatte der Abend eine musikalisch klangvolle Ouvertüre mit einer Sonate von Daniel Speer. Für den gelungenen Auftakt und für die gewiss nicht weniger meisterhafte Umrahmung sage ich „Herzlichen Dank“ einem Posaunenquartett der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart bestehend aus: Christian Künkel, Damien Lingard, Christoph Paus und Fabian Beck. Besucher von Vernissagen sind im Allgemeinen privilegiert: Sie werden prominent eingestimmt; und ihnen wird das Gebotene authentisch näher gebracht. So natürlich auch heute. Diese Aufgaben haben übernommen – Herr Staatssekretär Dr. Birk vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg – und einer, der zu den „Vätern“ der Ausstellung zählt: Herr Dr. Rückert, vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Den Begriff „Ausstellungsmacher“ habe ich nicht gebraucht, obwohl er auf der Zunge liegt: Er würde verschleiern, wie viel Mühe, Leidenschaft, ja Liebe in das Konzipieren und Realisieren des Projekts über Monate investiert worden sind. Professionalität, Passion und Publikumsorientierung – diese drei P spiegeln sich im multimedialen Jubiläumsarrangement wider. Der Philosoph Hans-Georg Gadamer charakterisierte das historische Verstehen als ein Gespräch zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Und dieser Dialog wird hier – unter dem Dach des Landtags – in den nächsten drei Wochen zum intellektuellen Genuss. Das Jahr 1457 markierte einen nachhaltigen Anfang. Das inzwischen sprichwörtliche „Einmischen in die eigenen Angelegenheiten“ begann. Der Aufbruch speiste sich selbst und konnte nicht mehr revidiert werden. Es wehte der Wind eines Wandels, der das Land, seine Städte und seine Bewohner positiv veränderte und auf neue Weise miteinander verband. Eine Nebenfolge war: Der Zugewinn an innerer Einheit im politisch total zersplitterten Raum zwischen Main und Bodensee verschaffte Württemberg im überregionalen Kräftespiel größeren Einfluss. Partizipation entpuppte sich nicht als Bremse der gedeihlichen Entwicklung des Landes. Im Gegenteil: Die bürgerschaftliche Mitbestimmung wurde zu deren Beschleuniger und zu deren Navigationssystem. Diese Einschätzung gilt nach 550 Jahren immer noch. Dass ich eingangs die Erfindung des Buchdrucks und die Entdeckung Amerikas erwähnt habe, ist keine rhetorische Dekoration gewesen. Die beiden Mega-Impulse aus dem 15. Jahrhundert haben sich addiert und prägen unser Dasein als Globalisierung, als Vernetzung, als erdumspannender Wettbewerb in Bildung, Wissenschaft und beim Transfer von Forschungsergebnissen. All diese Phänomene bringen uns Baden-Württembergern mehr Chancen als Risiken. Dennoch dürfen wir nicht ignorieren, dass technische und ökonomische Entwicklungen das Verhältnis der Menschen zum Staat und zur Demokratie grundlegend beeinflussen. Eine Kernfrage lautet folglich: Welche Anforderungen muss das demokratische System unter den Bedingungen unserer Zeit erfüllen? Die drei wichtigsten Aspekte sind meines Erachtens: Erstens: Demokratie lebt von Transparenz und erkennbarer Verantwortung. Zweitens: Demokratie bedeutet, messbar und spürbar mitentscheiden zu können. Und drittens: Demokratie ist nicht ausschließlich eine Sache der Vernunft. Demokratie ist zudem eine Sache des mentalen Engagements. Das geistige Erbe von 1457 hat demnach mehrere Adressaten: Es verpflichtet die Institutionen, die Bereitschaft zu Freiheit und die Befähigung zu politischer Mitverantwortung zu fördern. Und es verpflichtet die Bürgerinnen und Bürger, nicht der verhängnisvollen Sehnsucht nach einem politikfreien Leben zu erliegen, sondern zu begreifen, dass sie in der Pflicht stehen. Angesichts der globalen Herausforderungen und angesichts der demografischen Probleme wird die politische Führungsaufgabe immer relevanter, – den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu gewährleisten – und die Überzeugung zu stiften, dass sich der persönliche, selbstlose Einsatz für unser Gemeinwesen lohnt. So betrachtet, ist diese Ausstellung eine Quelle der Ermutigung. Schöpfen wir intensiv daraus!<< Die Sonderausstellung des Landtags und des Landesarchivs „Landschaft, Land und Leute – Politische Partizipation in Württemberg 1457 bis 2007“ wird im Haus des Landtags vom 7. bis 30. November 2007 gezeigt. Eindrückliche Bilder, Zeichnungen und Karten veranschaulichen die landschaftliche und herrschaftliche Umgebung, kostbare Münzen und Schmuck, einzigartige Skulpturen und Plastiken erinnern an besondere Ereignisse und Persönlichkeiten der Landtagsgeschichte. Daneben vermitteln Ton- und Filmbeispiele aus der jüngeren Vergangenheit einen authentischen Eindruck von „Landschaft, Land und Leuten“ in ihrem historischen Umfeld. Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Begleitband erschienen. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.