Es gilt das gesprochene Wort!

Gemeinsamer Kantonstag auf der Schweizer Expo.02: Landtagspräsident Peter Straub: Brückenschlag zwischen Schaffhausen und Baden-Württemberg Schaffhausen. Im Rahmen der schweizerischen Landesausstellung Expo.02 findet am Samstag, 21. September 2002, in Neuchâtel ein gemeinsamer Kantonstag von Schaffhausen und Baden-Württemberg statt. Als Botschafter Baden-Württembergs für die Expo.02 sprach Landtagspräsident Peter Straub (CDU) bei einem Empfang in Schaffhausen am Freitagabend, 20. September 2002, folgendes Grußwort: Wenn man in der eigenen Familie feiert, lädt man dazu nur wirklich gute Freunde ein. Wir Baden-Württemberger wissen es deshalb sehr zu schätzen, dass der Kanton Schaffhausen die Nachbarschaft mit uns an seinem Kantonstag auf der Expo.02– versinnbildlicht durch einen Brückenschlag - präsentiert. Das ist ein höchst bemerkenswertes Signal, da die Schweiz die Expo.02 nicht bloß als Event oder Spektakel betrachtet, sondern als Quelle der Selbstvergewisserung und als Teil der notwendigen Neujustierung der eigenen Identität in einer Welt, die sich in den zurückliegenden zwanzig Jahren tief greifend verändert hat. Ich denke, man kann der Schweiz schon heute dazu gratulieren, dass die Expo.02 zu einer bedeutsamen Etappe des epochalen Bemühens geworden ist, im globalen Wandel die Balance zwischen Bewahren und Verändern zu halten. Und ich hoffe, dass die Impulse, die von Expo.02 ausgehen, in der Schweiz noch lange nachwirken werden. Denn die Schweiz war und ist etwas Besonderes - und das möge so bleiben! Von einem Deutschen formuliert, mag dieser Wunsch ein bisschen seltsam klingen, da wir Deutschen ja zu Protagonisten eines vereinten Europas gehören und daher um den EU-Beitritt der Schweiz werben. Einen Widerspruch gibt es freilich nicht. Die Schweiz soll auf ihre eigene Art den Weg ins politische Europa finden. Und sie soll ihre Qualitäten mitbringen. Zum einen also jene Tugenden, die unter dem Markenzeichen "Swiss made" ein Symbol für die ökonomische und technologische Potenz der Schweiz geworden sind: Präzision, Pünktlichkeit, Gediegenheit. Und zum anderen ihre einzigartige Mischung aus Toleranz, föderalem Denken, bürgerschaftlicher Vitalität - sprich jenen Geist, den die Eidgenossenschaft als Antwort auf ihre kulturelle und sprachliche Vielfalt herausgebildet hat. Die Expo.02 zeigt, wie sich die Schweiz auf die neuen Notwendigkeiten der mobilen, vernetzten, flexiblen Welt einzustellen sucht, wie sie dabei aus ihrem Nationalbewusstsein und ihrer heterogenen Substanz schöpft, wie sie aber auch mit sich ringen muss. Anders ausgedrückt: Humaner Zukunftswillen und kulturelle Gestaltungskraft können "bei der Arbeit" betrachtet werden. Die Expo.02 garantiert damit auch Nicht-Schweizern großen geistigen Mehrwert. Man reibt sich an den vier Standorten der Expo.02 wirklich die Augen: Eine künstliche Wolke - ein Roboter, der nagelneue Geldscheine schreddert - Wilhelm Tell im Kühlhaus! Expo.02 bietet spektakuläre Architektur, verblüffende Installationen, inszenierte Träume, feinen Humor und viele Überraschungen: Expo.02 bietet aber auch anspruchsvolle, übergreifende Themen wie „Augenblick und Ewigkeit“, „Macht und Freiheit“, „Natur und Künstlichkeit“ oder „Sinn und Bewegung“. Ich empfinde es deshalb schlichtweg als faszinierend, dass sich der Brückenschlag zwischen Schaffhausen und Baden-Württemberg in diesem Angebot niederschlagen kann. Die Philosophie der Schweizer Landesausstellungen ist, dass jede Generation die Chance erhalten soll, ihr Lebensgefühl darzulegen, Probleme der Vergangenheit und der Zukunft aufzuzeigen und Visionen und Lösungen zu skizzieren. Indem der Kanton Schaffhausen seinen Kantonaltag gemeinsam mit Baden-Württemberg begeht, bekennt er sich dazu, dass selbst ein gewachsenes, kompaktes und bestens funktionierendes Gemeinwesen im 21. Jahrhundert kein Ort mehr ist, in dem man sich auf irgendeiner Weise abschotten oder gar verstecken kann. Der tschechische Präsident Vaclav Havel hat diesen Gedanken in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag einmal so formuliert: "Wir dürfen Heimat nicht als abgeschlossene Struktur begreifen, sondern als unseren Teil der Welt im Ganzen als etwas, das uns einen Platz in der Welt schafft, statt uns von der Welt zu trennen." Das ist dem Kanton Schaffhausen bewusst - und das ist Baden-Württemberg und speziell den Landkreisen am Hochrhein und im Südschwarzwald bewusst. Unsere gemeinsame Aufgabe als Nachbarn lautet: sich zur Heimat zu bekennen, aber keine Kirchturm Politik zu betreiben. Politische Grenzen markieren Verantwortungsbereiche und geben so Orientierung aber sie lösen immer weniger praktische Probleme. Deshalb kommt es darauf an, Raumschaften grenzüberschreitend so zu verzahnen, dass sie miteinander Ziele festlegen und verwirklichen. Wer jene Probleme anpackt, die sich nicht um Grenzen scheren und die daher die Bürger auf beiden Seiten drücken, der hat eine Chance, die Bürger für ein Miteinander auch in größerem Maßstab zu gewinnen. Denn wie kann man die allfällige Frage "Was habe ich davon?" besser beantworten als durch Taten. Mit anderen Worten: In Zukunft wird es immer wichtiger werden, Offenheit und lokale Orientierung richtig auszutarieren. Schaffhausen und Baden-Württemberg dürfen für sich in Anspruch nehmen, dass sie diese Herausforderung früh erkannt und erfolgreich angepackt haben. "Die Menschen bauen zu viele Mauern, doch zu wenig Brücken“ - dieses Wort von Isaac Newton trifft auf uns nicht zu. Wir dürfen stolz darauf sein, dass wir ganz selbstverständlich praktizieren, was der 1752 in Schaffhausen geborene Historiker Johannes von Müller einst als Geheimnis eines gedeihlichen Miteinanders zwischen unterschiedlich großen Partnern mit den Worten beschrieben hat: "Überhaupt ist nicht groß oder klein, was auf der Landkarte so scheint: Es kommt auf den Geist an. "Die Expo.02 verleiht unserem freundschaftlichen und zugleich partnerschaftlich-pragmatischen Geist einen einzigartigen Resonanzboden – so dass mir nur zu sagen bleibt: Möge das Jointventure, das wir morgen realisieren, unserer Zusammenarbeit im Alltag weiteren Schub geben!