Europaausschuss informiert sich über die Prioritäten der polnischen EU-Ratspräsidentschaft

Stuttgart. Der Geschäftsträger a. i. der Republik Polen, Jan Tombiński, ist am Mittwoch, 22. Januar 2025, zu Gast im Ausschuss für Europa und Internationales gewesen und hat dort die Schwerpunkte der polnischen EU-Ratspräsidentschaft vorgestellt. Überdies hat sich der Europaausschuss mit dem Präsidenten der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, Dr. Wolfgang Kreißig, ausgetauscht. Das hat der Vorsitzende Willi Stächele (CDU) mitgeteilt.

Zu Beginn der Sitzung wählte der Europaausschuss Catherine Kern (Grüne) zur neuen stellvertretenden Vorsitzenden. Die Neuwahl war notwendig geworden, da die bisherige Stellvertreterin, Andrea Bogner-Unden, ihr Mandat gesundheitsbedingt zum Jahresende 2024 niedergelegt hatte.

Am 1. Januar 2025 hat Polen zum zweiten Mal den halbjährlichen Vorsitz im Rat der Europäischen Union (EU) von Ungarn übernommen. Das polnische Präsidentschaftsprogramm steht unter dem Motto „Security, Europe!“ und hat folgende Schwerpunkte: Verteidigung und Sicherheit, Schutz von Menschen und Grenzen, Widerstand gegen Einflussnahme aus dem Ausland und Desinformation, Gewährleistung der Sicherheit und Freiheit von Unternehmen, Energiewende, wettbewerbsfähige und widerstandsfähige Landwirtschaft sowie Gesundheitssicherheit. Wie Jan Tombiński darlegte, sehe Polen in Russlands Vorgehen eine existenzielle Bedrohung für die europäische Sicherheitsarchitektur. Deshalb fordere die polnische Ratspräsidentschaft gemeinsames und ehrgeiziges Handeln in der europäischen Verteidigungspolitik. Es bedürfe einer Verbesserung der Verteidigungsbereitschaft durch gesteigerte Militärausgaben, eine stärkere Rüstungsindustrie und die Schließung von Verteidigungslücken. Der Schutz von Menschen und Grenzen solle mit der Stärkung des EU-Katastrophenschutzverfahrens und der Ziele der EU für die Katastrophenresilienz erreicht werden, so Tombiński. Die EU müsse sich proaktiv auf mögliche Krisen vorbereiten, um ihre Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Unter anderem mit der Förderung interner Reformen der EU möchte sich Polen dafür einsetzen, dass die EU die Resilienz ihrer Demokratien stärkt und Polarisierung und Spaltung verhindert. Überdies verfolge die polnische Ratspräsidentschaft das Ziel, den gemeinsamen Binnenmarkt auszubauen und Bürokratie abzubauen. Auch die zuverlässige Energieversorgung steht auf der polnischen Agenda. Die Position der europäischen Landwirte in Lieferketten soll gestärkt werden und EU-Standards in den Bereichen Lebensmittelqualität, Sicherheit und Nachhaltigkeit geschützt werden.

„Polen hat sich ein sehr ehrgeiziges Programm für sechs Monate Präsidentschaft aufgestellt“, bemerkte Vorsitzender Stächele. Doch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und dem Machtwechsel in den USA sei es besonders wichtig, Europa schmackhaft zu machen. „Wir müssen die Menschen mitnehmen, da sie den Weg mit gehen müssen, Europa stärker zu machen.“ Die von der polnischen Ratspräsidentschaft gewählten Schwerpunkte unter dem Motto „Security, Europe“ seien im Ausschuss begrüßt worden, so Willi Stächele. „Für uns in Baden-Württemberg ist es auch wichtig, dass die polnische Präsidentschaft weiter an den EU-Schweiz-Beziehungen arbeiten möchte“, bekräftigte er.

Die „Europäische Medienentwicklung“ war Thema im Austausch mit dem Präsidenten der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK), Dr. Wolfgang Kreißig. „Die europäische Medienpolitik hat eine enorme Bedeutung bekommen und sieht spannenden Zeiten entgegen“, so Vorsitzender Willi Stächele. Dr. Kreißig bestätigte, dass sie „im Feuer“ stünde. Bislang hätten sich die Europäischen Verträge auf dem Grundsatz „Einheit in Vielfalt“ berufen, es gelte der Grundsatz der Subsidiarität, ein kompetenzbezogener Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie Kompetenzzuweisungen (Kulturklausel, Binnenmarktklausel). Innerhalb kürzester Zeit habe ein Paradigmenwechsel stattgefunden hin zu Verordnungen, die den einzelnen Mitgliedsstaaten Spielräume wegnehmen würden. Eine europäische Regulierung erfolge seit Ende 2022 über das Digital Services Act (DAS). Es regle u. a. den Umgang mit rechtswidrigen Inhalten, beinhalte Transparenzpflichten, Beschwerdemanagement sowie Jugendmedienschutz und gelte horizontal für sämtliche Internet-Dienstleistungen. Flankiert werde es seit Frühjahr 2024 durch das European Media Freedom Act (EMFA), das alle in der Öffentlichkeit tätigen Medien erfasse. Bislang habe EMFA jedoch kaum Auswirkungen auf Deutschland, so Dr. Kreißig. Sein vorläufiges Fazit: die Staatsferne der Medienaufsicht sei abgeschwächt worden. Es gebe eine mangelnde Rechtsklarheit zwischen nationalem und europäischem und innerhalb des europäischen Rechts. Zuständigkeiten und Grundsätze würden ausgehöhlt. Dennoch schaffe Europäisches Recht mehr Handlungsoptionen. Die Umsetzung der Maßnahmen erfordere aber nach wie vor nationale Regulierungsbehörden.

Im Ausschuss sei erörtert worden, dass man sich hier in einem Spannungsfeld bewege zwischen nicht zu wenig und nicht zu viel Regularien, berichtete Willi Stächele. Der Begriff der Medienfreiheit werde in der EU bislang unterschiedlich ausgelegt. „Medien machen nicht Halt vor Grenzen, deshalb muss in diesem Bereich gearbeitet werden. Es besteht der Wunsch nach Schutz, aber ohne die Medienvielfalt kaputt zu machen und neue Bürokratie aufzubauen.“ Das Thema werde den Europaausschuss künftig noch weiter beschäftigen, war sich Willi Stächele sicher.