Festakt 50 Jahre Finanzkontrolle in Baden-Württemberg
Landtagspräsident Straub würdigt Rechnungshof als finanzielles Gewissen des Landes und als Wegbereiter für einen modernen Staatsapparat Karlsruhe. Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat in den vergangenen fünf Jahrzehnten eine kompetente und engagierte Arbeit geleistet. Darauf hat Landtagspräsident Peter Straub am Donnerstag, 6. Juni 2002, in Karlsruhe beim Festakt zum 50jährigen Bestehen dieser Kontrollbehörde hingewiesen. Straub würdigte den Rechnungshof als finanzielles Gewissen des Landes und als Wegbereiter für einen modernen Staatsapparat. Im Einzelnen führte der Landtagspräsident aus: >>Vor drei Wochen hat der Landtag von Baden-Württemberg hier in Karlsruhe - und damit zum ersten Mal außerhalb von Stuttgart - zwei Plenarsitzungen abgehalten. Ich habe dabei gewürdigt, dass in Karlsruhe 1819 die Wiege der parlamentarischen Demokratie stand, dass von der Zweiten Kammer der Badischen Landstände im 19. Jahrhundert wichtige und vor allem nachhaltig wirkende Impulse für die Entwicklung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Parlamentarismus in Deutschland ausgegangen sind und dass die freiheitlich-demokratische Tradition Badens eines der Kernelemente ist, aus denen sich das Selbstverständnis Baden-Württembergs zusammensetzt. Heute kann ich - und das freut mich sehr - diese Reminiszenzen um zwei spezifische, aber wirklich wesentliche Aspekte ergänzen: Nämlich erstens: Die Rechnungsprüfungsbehörde in Karlsruhe besteht ebenfalls schon seit 1819, also seit Beginn der konstitutionellen Epoche. Sie wurde genau vier Tage nach der Konstituierung der Badischen Landstände gegründet. Und sie war schon im 19. Jahrhundert mit Unabhängigkeit ausgestattet. Zweitens: Der Badische Landtag schätzte nicht nur die - wie es damals hieß - "kalkulatorische Prüfung der Rechnungen" durch die Oberrechnungskammer als Basis einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle; der Badische Landtag war auch ein Protagonist einer modernen Rechnungsprüfung, die materielle Abweichungen von gesetzlichen Bestimmungen und sonstigen Landtagsbeschlüssen erfassen sollte. Mit anderen Worten: Gerade der Rechnungshof Baden-Württemberg mit Sitz in Karlsruhe stellte und stellt ein Stück jener politischen Mustergültigkeit Badens dar, die einen Grundpfeiler unseres Bundeslandes Baden-Württemberg bildet. Mit dieser Feststellung möchte ich auch die Hochachtung des Landtags zum Ausdruck bringen für die kompetente und engagierte Arbeit, die in den letzten fünf Jahrzehnten vom Rechnungshof Baden-Württemberg geleistet worden ist. Ich denke dabei zunächst an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eher im Verborgenen wirken und nicht so im Rampenlicht stehen wie der Präsident, auf deren Geschick und Wissen es jedoch ganz wesentlich ankommt, damit schlüssige und substanzielle Ergebnisse präsentiert werden können. Das Wortspiel von der Rechenkunst des Rechnungshofs, die bei Prüfungen auf die Verrechnungskunst der Verwaltung trifft, verniedlicht meines Erachtens zu sehr, was es - fachlich wie menschlich - heißt, mit messerscharfem Blick, aber ohne Arroganz einen nicht unter Laborbedingungen stattfindenden Behördenalltag am perfekten Soll zu messen. Der Dank und der Respekt des Landtags gelten aber genauso den Präsidenten, Vizepräsidenten und Senatsmitgliedern, unter denen der Rechnungshof Baden-Württemberg stets eine Institution gewesen ist, die ihre konzeptionelle Weiterentwicklung aus sich selbst heraus vorangetrieben hat. Der Rechnungshof Baden-Württemberg konnte sich in fünfzig Jahren ein sehr hohes Ansehen erwerben, das natürlich wie vieles auf unserer Welt eine zweite Seite hat - und das ist der entsprechend hohe Maßstab, dem die Repräsentanten des Rechnungshofs beim Handeln in eigener Sache genügen müssen. Man sagt: Jubiläen seien das Echo der Zeit. Und in der Tat: An Jubiläen nimmt man besonders deutlich wahr, was sich geändert hat - aber auch, was sich nicht verändert hat. Zu den Konstanten beim Rechnungshof Baden-Württemberg gehört die klassische Prüftätigkeit. Sie war, ist und bleibt gerade in den Augen der Bürgerinnen und Bürger sehr wichtig und findet stets aufs Neue viel Resonanz in den Medien. Und selbstredend hat neben dem Landtag auch die Öffentlichkeit das Recht zu erfahren, ob die Exekutive mit den bewilligten Mitteln ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst umgeht. Worauf es bei der Finanzkontrolle ankommt ist, die Finger in Wunden zu legen, ohne die Staatsverdrossenheit und die gängigen Vorurteile zu fördern. Das ist dem Rechnungshof Baden-Württemberg durchgängig gelungen - und dafür möchte ich ihm besondere Anerkennung aussprechen. Vor allem: Die Kritik des Rechnungshofs wirkt - und deshalb ist es sicher im Sinn von uns allen, wenn ich an die Medien appelliere, die Beanstandungen des Rechnungshofs noch bewusster als Beginn eines Prozesses zu betrachten und zu gegebener Zeit mit dem gleichen journalistischen Impetus darzustellen, was er positiv bewegt hat. Zu den Grundsätzen, die heute wie vor 50 Jahren gelten, gehört, was Cicero einst kurz und bündig so ausgedrückt hat: "Sparsamkeit ist gute Einnahme!" Und das betrifft besonders die Bundesländer: Denn anders als unser Bundesparlament können die Landtage nur in beschränktem Umfang die Gestaltung der Einnahmen beeinflussen - was ich als bekennender Anhänger des Wettbewerbsföderalismus sehr bedauere. Umso mehr ist die Tätigkeit der Landesrechnungshöfe für die Landtage als wertvolle Unterstützung bei der Gestaltung der Länderhaushalte wichtig. Und damit bin ich bei dem, was in den letzten Jahrzehnten dazu gekommen ist und was mindestens ebenso viel Bedeutung hat wie die Ex-post-Prüfungen: die nach vorne gerichtete konzeptionelle Arbeit des Rechnungshofs Baden-Württemberg! Der Kontrolleur hat sich zur Denkfabrik für praktische Problemstellungen und zu einem Politikberater gewandelt, der sich auf die Fahne geschrieben hat, woran Henry Ford einst erfolgreich glaubte und was er so formulierte: "Alles lässt sich besser machen, als es bisher gemacht wurde." Über vierzig "Beratende Äußerungen" und "Mitteilungen", in denen zum Teil ganze Verwaltungsbereiche durchleuchtet worden sind, bezeugen das eindrucksvoll. Als Spezialist für Effizienz und Transparenz muss der Rechnungshof unbequem sein; er muss provozieren; er muss auch politisch intensiv gehegte Bereiche unter seine Lupe nehmen. Und das heißt: Natürlich darf der Rechnungshof nicht Tages- oder Parteipolitik machen; aber er kann politische Effekte nicht ausschließen. Der Rechnungshof sollte allerdings stets anerkennen, dass bei Strukturveränderungen im Sinne von mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität staatlicher Leistungen der sprichwörtliche Teufel im Detail liegt und dass er dort - also in den oft sperrigen Einzelheiten - niedergerungen werden muss. Der Rechnungshof Baden-Württemberg ist heute beides: das finanzielle Gewissen unseres Landes und ein Wegbereiter für einen modernen Staatsapparat. Und in einem modernen Staatsapparat wird das, was bei Cicero "Sparsamkeit" hieß, als Controlling, als Budgetierung oder als "Neue Steuerungsinstrumente" buchstabiert. Trotzdem darf man gerade am Jubiläum des Rechnungshofs auch drei Aspekte ansprechen, die mancher vielleicht als Wasser im Wein der Reform empfinden wird. Erster Aspekt: Staat und Wirtschaft sind und bleiben zwei Paar Stiefel. Der Staat agiert in Kernbereichen nicht am Markt. Sozialstaatsprinzip und Gleichheitsgrundsatz schließen ein Handeln allein nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen aus. Für Schulen, Kinderbetreuung, Polizei, aber zum Beispiel auch für die Freiwilligen Feuerwehren gelten andere Maßstäbe. Es kommt also darauf an, bewährte betriebswirtschaftliche Instrumente und Methoden zu übernehmen, ohne den gemeinwohlorientierten Auftrag des Staats zu gefährden. Zweiter Aspekt: Die Parlamente müssen ihr Etatrecht wahren. Budgetierung und Globalhaushalte dürfen nicht kontrollfreie Grauzonen entstehen lassen. Unverändert gilt die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Haushalt ein "zeitlich begrenztes Regierungsprogramm in Gesetzesform" ist, durch das vom Parlament die pekuniären "Grundsatzentscheidungen für zentrale Bereiche der Politik" getroffen werden. Die Verwaltung kann also mehr Freiheit beim Haushaltsvollzug nur unter der Bedingung erhalten, dass die Parlamente auf andere Weise steuern und kontrollieren können, wie und wofür die aufgenommenen Kredite und die Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger ausgegeben werden. Dritter Aspekt: Die "Neuen Steuerungsinstrumente" können die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte nicht ersetzen. Winston Churchill hat zwar empfohlen: "Immer vom Sparen reden, aber nie sagen, wo!" Aber dieser Rat war - was heute manche vergessen - ironisch gemeint. Rechnungen müssen auch in der Politik zu Ende geführt werden - selbst wenn sich in der Mediendemokratie immer wieder erweist: Etatisten werden gebraucht, aber nicht gewählt. Der Rechnungshof Baden-Württemberg ist seit fünfzig Jahren ein Verbündeter der Etatisten im Landtag von Baden-Württemberg. Seine Arbeit gilt dem Ziel, den bestmöglichen Umgang mit öffentlichen Geldern und ein effektives, rechtsstaatliches, bürgerfreundliches Verwaltungshandeln zu gewährleisten. Und ihm wird die Arbeit nicht ausgehen. Denn wie hat ein Schwabe, den man auch in Karlsruhe zitieren darf, Manfred Rommel nämlich, so richtig gesagt: "Dass das Geld nicht reicht, gehört zu seinem Wesen ebenso wie die Unzulänglichkeit zum Wesen des Menschen gehört."