Gemeinsamer Antrag in der Plenarsitzung am Mittwoch, 19. Februar 2003

Landtagsfraktionen fordern Föderalismusreform: Mehr Kompetenzen und Steuerautonomie für Länder Stuttgart. Für eine Neuorientierung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern sprechen sich die Fraktionen des Landtags von Baden-Württemberg in einem gemeinsamen Antrag aus, der in der Plenarsitzung am kommenden Mittwoch, 19. Februar 2003, verabschiedet werden soll. Ziel der darin geforderten Föderalismusreform ist es, dezentrale Strukturen wieder stärker zu betonen und damit den regionalen Stärken der Länder mehr Geltung zu verschaffen. Vorangetrieben werden soll die Reform von einem eigens einberufenen Konvent. „Nur durch eine konsequente Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips kann dem deutschen Föderalismus wieder zu Gestaltungskraft und Erneuerungsfähigkeit verholfen werden: durch Dezentralisierung und Transparenz politischer Verantwortung, durch Vorrang der Eigenverantwortung und strenge Beweislast-Regeln für jede Kompetenzübertragung von unten nach oben“, heißt es in dem Antrag. Nach über 50 Jahren hätten sich die anfangs klaren Konturen des Föderalismus in Deutschland zunehmend verwischt. Das ursprünglich ausgewogene Verhältnis zwischen Bund und Ländern habe sich immer stärker zu Gunsten des Bundes verschoben. Der Föderalismus in Deutschland müsse deshalb auf seine Grundgedanken der weitestgehenden Selbständigkeit der einzelnen Bundesstaaten zurückgeführt werden. Der Staatsaufbau müsse sich wieder mehr an der Wirklichkeit der Lebensverhältnisse und dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach einer ortsnahen Aufgabenerfüllung ausrichten. „Ein lebendiger Föderalismus muss es den Ländern ermöglichen, ihre Gesetzgebungskompetenz zu stärken und eigene Wege der Aufgabenerfüllung zu entwickeln. Deshalb gilt es, den Bundesländern in weiterem Umfang als bisher originäre Regelungs- und Handlungsbefugnisse und eigene Finanz- und Einnahmeautonomie einzuräumen“, so die Antragsteller. Für eine Neuorientierung des Föderalismus sind nach Meinung der Fraktionen im Einzelnen erforderlich: • eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern sowie eine Überprüfung der Zustimmungsvorbehalte des Bundesrates, • die Stärkung und Rückholung der Gesetzgebungskompetenzen der Länder, • der Abbau der so genannten Mischfinanzierungen und die Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben bei gleichzeitiger Übertragung der Mittel auf die Länder, • die umfangreiche Gesetzesfolgenabschätzung und Regelung der Kostenfolgen, wenn Länder und Kommunen durch Bundesrecht zur Erfüllung von (bundes)staatlichen Aufgaben verpflichtet werden, • die Überprüfung der Finanzhilfen des Artikel 104 a Grundgesetz, • die Stärkung der Steuerautonomie, • die Ausweitung der Kompetenzen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, • die Stärkung der Beteiligungsrechte der Länder und Parlamente in EU-Angelegenheiten. Eine Weiterentwicklung des Föderalismus in Deutschland ist aus Sicht der Antragsteller auch mit Blick auf den fortschreitenden Prozess der Integration Europas nötig. Die vom EU-Konvent für eine künftige Europäische Verfassung beabsichtigte Kompetenzneuordnung habe Rückwirkungen auf die innerstaatliche Verteilung von Zuständigkeiten und die Balance der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Die Stellung der Regionen und Gebietskörperschaften im Verhältnis zur Europäischen Union und zum Bund müsse hervorgehoben, ihre Mitwirkung in Angelegenheiten der EU müsse auf innerstaatlicher Ebene weiterentwickelt werden. Vorschläge für eine Reform des bundesdeutschen Föderalismus soll bis Ende 2003 eine Verhandlungskommission vorlegen, die von der Bundesregierung und den Landesregierungen eingesetzt wurde. Da die Länderparlamente in dieser Kommission nicht vertreten sind, unterstützt der Landtag die Initiative der Landtagspräsidenten und der Fraktionsvorsitzenden der Länderparlamente, am 31. März 2003 in Lübeck einen Föderalismuskonvent mit Vertretern der Landtage einzuberufen. Die Anregung von Landtagspräsident Peter Straub, einen solchen Konvent um Vertreter der Bundesregierung, des Bundesrats und des Bundestags zu erweitern und fortzusetzen, greifen die Fraktionen in ihrem Antrag auf. Danach sollen von Mai 2003 bis Sommer 2004 Vorschläge für die Neuregelung von Gesetzgebungskompetenzen, Gesetzgebungsverfahren und eine nachhaltige Finanzstruktur erarbeitet und abgestimmt werden. Entschieden wird über den interfraktionellen Antrag am kommenden Mittwoch in der Plenarsitzung des Landtags unter Tagesordnungspunkt 1 im Zusammenhang mit der Beratung einer Großen Anfrage der CDU-Fraktion „Föderalismusreform - Partnerschaft in Vielfalt“.