Gesetzentwurf gegen Grabsteine aus Kinderarbeit beschlossen

Stuttgart. Grüne und CDU sagen Grabsteinen und Grabeinfassungen aus schlimmsten Formen der Kinderarbeit den Kampf an. Einem Gesetzesentwurf, der auf entsprechend angepasste und rechtssichere Friedhofsordnungen abzielt, stimmte der Ausschuss für Soziales und Integration in seiner Sitzung am Donnerstag, 21. Januar 2021, zu. Ein weiteres Thema neben anderen war die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes in Baden-Württemberg.

Grabsteine und Grabeinfassungen, die unter Einsatz schlimmster Formen der Kinderarbeit produziert werden, bleiben ein Problem auf den Friedhöfen im Land. Eine Änderung des Bestattungsgesetzes 2012 brachte nicht allein nach Auffassung der Fraktionen von Grünen und CDU keine Besserung. Zwar hatte der Landtag seinerzeit eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen, Friedhofssatzungen so anzupassen, dass nur Steine verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und nicht von Kinderhand vorbearbeitet worden sind. Doch diese Regelung wurde zuletzt 2016 vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg kassiert. Das Gericht entschied, dass es keine verlässlichen Nachweismöglichkeiten für solche Steine gibt. Folglich seien Friedhofsatzungen, die entsprechende Nachweise fordern, für Steinmetze unzumutbar.

Der Gesetzentwurf von Grünen und CDU zur Änderung des Bestattungsgesetzes setzt an diesem Punkt an. In der Begründung wird auf das Internetportal „Siegelklarheit.de“ verwiesen, das die Bundesregierung inzwischen mit Hilfe von Spezialisten der Entwicklungshilfe ins Leben gerufen hat. Dort können sich Einkäufer verlässlich über auf dem Markt angebotene Gütesiegel für ganz verschiedene Produktgruppen informieren – Steinmetze beispielsweise über ihr Ausgangsmaterial, das oft aus Ländern des globalen Südens stammt. Der Gesetzentwurf erkennt ausdrücklich die auf dem Portal für authentisch erklärten Zertifikate für Steine an, die entlang der Produktionskette nachweislich ohne Einsatz schlimmster Formen der Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 der Vereinten Nationen hergestellt wurden. Das schafft nach Auffassung der Regierungsfraktionen Rechtssicherheit für Friedhofsträger, die in ihren Satzungen entsprechende Zertifikate vorschreiben, aber auch für Steinmetze, die sich auf die Herkunftsnachweise verlassen können müssen.

Wie der Ausschussvorsitzende Rainer Hinderer (SPD) berichtete, stieß der Gesetzentwurf trotz juristischer Vorbehalte auch auf Seiten der Kommunen auf breite Zustimmung in dem Gremium. Ein Vertreter der Grünen habe die Hoffnung geäußert, durch einen vergleichsweise kleinen Gesetzeseingriff eine große Wirkung im Kampf gegen die Kinderarbeit erzielen zu können. Die SPD-Fraktion habe sich erfreut gezeigt, dass Grüne und CDU nun weiterführten, was die SPD 2012 mit angestoßen habe. Die Vorstellung, dass auf Friedhöfen im Südwesten Verstorbene unter Steinen ruhten, die unter unmenschlichen Bedingungen von Kindern im Grundschulalter in Pakistan behauen wurden, sei schwer erträglich. Der Gesetzentwurf wurde mit großer Mehrheit bei zwei Enthaltungen angenommen. 

Auf Antrag der SPD-Fraktion befasste sich der Ausschuss für Soziales und Integration neben anderen Themen auch mit der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes im Land. Nach Auskunft des Sozialministeriums, das auf einen umfangreichen Fragenkatalog im Einvernehmen mit dem Innenministerium antwortete, gab es seit Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Juli 2017 eine steigende Zahl von Anmeldungen im Sinne des Gesetzes. 2019 seien es 4.972 gewesen, nach 3.658 im Jahr zuvor und 766 im zweiten Halbjahr 2017. Auch die Zahl von Kontrollen durch die Polizei mit und ohne Anlass seien gestiegen. 2019 seien es rund 720 gewesen, im Jahr zuvor rund 600 und 2017 rund 440. Was aus diesen Kontrollen folgte, konnte das Sozialministerium nicht mitteilen. Dazu gebe es keine Statistik.

Nach Angaben des Sozialministeriums wurden in der Folge des neuen Gesetzes in größeren Städten zusätzliche Stellen im Umfang zwischen 0,4 und 3,0 Vollzeitäquivalenten bewilligt, um das Prostitutionsgewerbe stärker zu kontrollieren. Auch diese Zahl habe die SPD-Fraktion angesichts von mindestens 30.000 Sexarbeiterinnen im Südwesten als Beleg dafür herangezogen, dass die konsequente Umsetzung des Prostitutionsschutzgesetzes im Land eher als lästige Pflicht gesehen werde, berichtete der Ausschussvorsitzende Rainer Hinderer. Die Politik zeige kein ernsthaftes Interesse daran, wirksame Schritte gegen Deutschland und Baden-Württemberg als Bordell Europas zu unternehmen, habe es geheißen. Sowohl das Ausgangsgesetz als auch seine Umsetzung durch das Land könnten in dieser Hinsicht nicht überzeugen. 

Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) entgegnete, es sei Fakt, dass Prostitution stattfinde. Es gelte, Frauen zu schützen, die schutzbedürftig seien. Dies leiste die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes auf Landesebene, nicht zuletzt durch vielfältige Hilfs- und Beratungsangebote, die in der Corona-Pandemie noch einmal ausgebaut worden seien. Das Landesgesetz könne aber grundsätzliche Vorgaben des Bundes zum Umgang mit dem Prostitutionsgewerbe nicht korrigieren, so Lucha.

Nach Angaben von Hinderer hieß es seitens der Grünen-Fraktion, das Prostitutionsgewerbe sei differenziert zu betrachten. Es gebe auch Frauen, die dort aus freien Stücken tätig seien. Das habe man zu akzeptieren. Umso mehr müsse man Frauen helfen, die Opfer sexueller Ausbeutung seien. Dem schlossen sich laut dem Ausschussvorsitzenden Vertreter aller Fraktionen an. 

Der Ausschuss für Soziales und Migration tagte am Donnerstag letztmalig regulär in der zu Ende gehenden Wahlperiode. Der Vorsitzende Rainer Hinderer bedankte sich bei den Ausschussmitgliedern für die konstruktive Zusammenarbeit während 45 Sitzungen.