Grußwort beim Festakt zum 25-jährigen Bestehen des Europazentrums
Landtagspräsident Peter Straub: Europazentrum leistet vorbildliche Bildungs- und Forschungsarbeit Stuttgart. Mit einem Festakt im Landtag hat das Europazentrum Baden-Württemberg am Donnerstag-abend, 22. November 2001, sein 25-jähriges Bestehen gefeiert. In einem Grußwort würdigte Landtags-präsident Peter Straub (CDU) die Bildungs- und Forschungsarbeit des Europazentrums als vorbildlich. Wörtlich sagte der Präsident: I. >>...Im Namen des Landtags von Baden-Württemberg heiße ich Sie zum Festakt aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des Europazentrums Baden-Württemberg herzlich willkommen. Ich freue mich besonders, dass es dem Europazentrum gelungen ist, als Festredner einen Freund und Nach-barn unseres Landes zu gewinnen, der sich auf Seiten der Region Elsass mit Herzblut für die grenzüber-schreitende Zusammenarbeit am Oberrhein einsetzt. Herzlich willkommen, lieber Herr Präsident Zeller. Links und rechts des Rheins weiß man, bei aller Bedeutung von europäischen Gipfeln und Regierungskonfe-renzen: Nur wenn Europa im Kleinen, gerade an den Grenzen, vorankommt, kann es auch im Großen wachsen. Der heutige Festakt aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des Europazentrums Baden-Württemberg ist An-lass, vor allem Dank zu sagen. Dank zu sagen für die vorbildliche europäische Bildungs- und Forschungsarbeit, die das Europazentrum, getragen von seinem Vorstand und Beirat, seit seiner Gründung in unserem Land ge-leistet hat. In der Erkenntnis, dass Europa, um zu bestehen, durch die Bürger legitimiert sein muss, haben Sie in ihren Seminaren, Diskussionsveranstaltungen und Vorträgen, wesentlich dazu beigetragen, Europa landesweit bei den Bürgern ins Gespräch zu bringen. Sie waren und sind mit ihren Veranstaltungen immer am Puls des europapolitischen Geschehens. Ein Blick in ihr aktuelles Programm belegt dies: Mit den Themen ”Vermittlung der Osterweiterung an den Schulen”, ”Einführung des Eurobargelds” wie auch der Diskussion einer europäischen Verfassung sind die anstehenden europäischen Großprojekte benannt, über die die Öffentlichkeit informiert und aufgeklärt werden muss. Dies ist keine leichte Aufgabe, weil die Bevölkerung europäischen Fragen oftmals skeptisch gegenübersteht. II. Der heutige Festakt gibt gerade auch vor diesem Hintergrund Anlass darüber nachzudenken, wie das europäi-sche Einigungswerk gestaltet werden muss, damit es die Bürger verstehen und mittragen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Integrationsprozess enorm beschleunigt. War Europa vor 20 Jahren eher eine Sache von Europaspezialisten, ist der Bürger heute mehr und mehr in seinem persönlichen Lebensumfeld von Entscheidungen der Union betroffen. Währungsunion und Binnenmarkt sind nur zwei Stich-worte. Oder um es mit den Worten des Bundestagsabgeordneten Altmaier zu sagen: “Vor 20 Jahren war der Bestand der europäischen Rechtsakte ein mageres Süppchen, heute ist er ein opulentes Büffet.” Und ich füge hinzu: Das Büffet ist derart reichhaltig, dass es den Ländern und ihren Parlamenten gelegentlich schwer im Magen liegt. Dieser Befund hat seinen Grund: Anstatt sich auf die existenziellen europäischen Kernaufgaben zu konzentrie-ren, verzettelt sich die Union in Fragen, die viel besser und bürgernäher von den Ländern und der kommunalen Ebene geregelt werden können. Die Festlegung von Kriterien für FFH-Schutzgebiete von Konstanz bis Tauberbischofsheim, Eingriffe in die Strukturen der kleinsten Sparkassen oder auch Vorgaben zur Ausgestaltung des öffentlichen Personennahver-kehrs sind nur einige abschreckende Beispiele für eine allzu extensive Auslegung europäischer Kompetenzen. Entstanden ist inzwischen ein Kompetenzgewirr und eine Vermengung der Zuständigkeiten, mit der Folge, dass der Bürger überhaupt nicht mehr durchschaut, wer eigentlich in Europa für welche Entscheidung die Ver-antwortung trägt. Man braucht sich deshalb nicht zu wundern, wenn das Unbehagen der Bürger an der Union wächst. Was wir brauchen ist eine klare Kompetenzabgrenzung mit klaren Verantwortlichkeiten, ohne die die Demokra-tie in Europa Schaden nehmen muss. III. Aus Sicht der Landtage ist es deshalb zu begrüßen, dass der Europäische Rat in Nizza mit der Debatte über die Zukunft der Europäischen Union das Tor für eine breite Diskussion über die künftige Gestaltung der Euro-päischen Union aufgestoßen hat. Zu begrüßen ist insbesondere, dass die nächste Regierungskonferenz im Jahr 2004 den Auftrag erhalten hat, auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips eine präzisere Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten vorzunehmen. Dabei müssen die Aufgaben der Union mit Blick auf die Osterweiterung auf den Prüfstand. Denn klar ist: Eine Union mit 27 Mitgliedstaaten kann nicht die gleichen Aufgaben wahrnehmen wie eine Gemeinschaft aus 15 Mitgliedern. Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass die Union in jenen Bereichen mit neuen Zuständigkeiten aus-gestattet werden muss, wo sich Probleme allein auf der nationalen Ebene nicht lösen lassen. Dies gilt insbe-sondere für den Bereich der Justiz und der Sicherheit, was uns die Anschläge des 11. September in drastischer Weise vor Augen geführt haben. Meine Damen und Herren, die Erfahrungen mit der Regierungskonferenz von Nizza haben die Einsicht wachsen lassen, dass die nächste Vertragsreform im Interesse einer breiten demokratischen Legitimation unter Einbeziehung der Parlamente vorbereitet werden muss. Dazu gehören aufgrund unserer föderalen Ordnung auch die Landesparlamente, die von der Debatte um die Zukunft der Union insbesondere im Hinblick auf die Kompetenzordnung unmittelbar betroffen sind. Sie dürfen deshalb bei der Gestaltung der Zukunft der Union nicht übergangen werden. Es ist deshalb aus meiner Sicht zwingend, zur Vorbereitung der Regierungskonferenz die Landtage an der Arbeit des Konvents zu beteiligen. Dieser Konvent soll, wie Sie wissen, am 14./15. Dezember vom Europäi-schen Rat in Laeken eingesetzt werden. Es ist gut zu wissen, dass der Landtag in Ihnen, Herr Minister Dr. Palmer, einen Verbündeten in dieser Frage hat. So wichtig der Konvent ist: Erfolg kann die Debatte um die Zukunft der Union nur haben, wenn die Bürgerinnen und Bürger die Frage, wie Europa künftig gestaltet werden soll, zu ihrer eigenen Sache machen. Sorgen wir also gemeinsam dafür, dass in unserem Land eine breite öffentliche Diskussion über die Zukunft Europas geführt wird. Ich bin sicher, dass das Europazentrum Baden-Württemberg einen wesentlichen Beitrag dazu leisten wird. Ich danke Ihnen.