Grußwort von Landtagsvizepräsident Frieder Birzele zum 50-jährigen
Jubiläum des GdP-Landesbezirks Baden-Württemberg Stuttgart. Bei der Festveranstaltung "50 Jahre Gewerkschaft der Polizei, Landesbezirk Baden-Württemberg e.V.", hat Landtagsvizepräsident Frieder Birzele (SPD) am Freitag, 25. Januar 2002, im Stuttgarter Neuen Schloss folgendes Grußwort gesprochen: >>Viele haben der GdP Baden-Württemberg vieles zu danken. Die beträchtliche Strecke von sechs Grußworten vor der eigentlichen Festrede spiegelt das eindrucksvoll wider. Und ich freue mich sehr, dass ich den Reigen der offiziellen Jubiläumsgratulanten eröffnen und der GdP Baden-Württemberg namens des Landtags - sozusagen unter Jahrgangskameraden - die Reverenz erweisen darf. Mich bewegen dabei mindestens drei durchaus unterschiedliche Gefühle: Ich empfinde Hochachtung. Ich muss ein bisschen schmunzeln. Und ich verspüre andererseits einen besonderen Ernst. Meine Hochachtung gilt dem Wirken der GdP Baden-Württemberg in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten. Die Polizei gehört zu jenen Bereichen, in denen gewerkschaftliche Arbeit am sichtbarsten dem Allgemeinwohl dient. Egal, ob es um die Bezahlung geht oder um fehlendes Personal, belastende Arbeitsbedingungen, eine veraltete Ausrüstung oder um unzureichende Gesetze - wenn die Polizei Grund zum Klagen sieht, dann horchen die Bürgerinnen und Bürger auf, denn sie spüren, dass es um ihre Sicherheit geht. Das macht die Gewerkschaftsarbeit freilich nur auf den ersten Blick leichter. Denn in der Praxis ist eine spezifische Mischung aus Streitbarkeit und Bedachtsamsein gefordert - sprich: Prägnanz beim Formulieren und Vertreten der Forderungen ja - aber Illoyalität und billige Panikmache nein. Denn Angst, Verunsicherung sind in der Bevölkerung leicht zu erregen, aber nur außerordentlich schwer und mühsam wieder zu beseitigen. Anders ausgedrückt: Die sozialen und beruflichen Interessen der Polizeiangehörigen müssen in Kongruenz gebracht werden mit dem Ziel, die innere Sicherheit dauerhaft zu stärken. Und diese Fähigkeit ist eines der Markenzeichen der GdP Baden-Württemberg. Darauf beruhen ihr Ansehen und ihr Einfluss - auch im Landtag von Baden-Württemberg. Die GdP wird geschätzt, weil sie im Sinne der Allgemeinheit positiv unbequem ist, wenn sie im Sinne ihrer Mitglieder Druck macht. Wir im Landtag wissen in allen Fraktionen, wie bedenklich es wäre, wenn gerade die Polizeiangehörigen mit dumpfer Ergebenheit alle Entwicklungen über sich ergehen ließen. Dabei ist die GdP in fünf Jahrzehnten jedoch nie ein einseitiger Verbündeter einer Fraktion, der jeweiligen Opposition oder der Regierung gewesen. Sie hat sich stets an der Sache orientiert; und sie hat sich stets als Einheitsgewerkschaft präsentiert, insbesondere durch parteipolitisch unabhängige, aber gewiss nicht wertneutrale Stellungnahmen zu rechtspolitischen, gesellschaftlichen und berufspolitischen Fragen. Sie hat damit der Inneren Sicherheit nachhaltig gedient. Das Schmunzeln, von dem ich eingangs gesprochen habe, rührt her vom historischen Schmankerl, das sichtbar wird, wenn man den Geburtstag der GdP Baden-Württemberg und den Geburtstag des Landes sowie die Vorgeschichten miteinander betrachtet: Südbaden war unter der Regierung des Staatspräsidenten Wohleb der entschiedenste Gegner des neuen Südweststaates Baden-Württemberg. Der GdP Landesverband ist jedoch entstanden, weil sich die südbadische GdP unter Führung von Friedrich Zipfel kurzer Hand zum GdP Landesbezirk Baden-Württemberg erklärte - und die südbadische GdP hat ihre Wurzeln in Freiburg, also in dem Teil des Landes, der sich am schwersten damit tat, zum Südweststaat zu fusionieren. Man kann also sagen: Ein Archetypus baden-württembergischer Institutionen - nämlich der GdP Landesverband - ist gebürtiger Südbadner. Oder noch mehr zugespitzt: Die Polizisten Leo Wohlebs waren mit die ersten praktizierenden Baden-Württemberger. Aber Spaß beiseite: Das frühe Ausrufen der GdP Baden-Württemberg hat deutlich gemacht, dass die Schaffung einer funktionierenden Polizei zu den politisch und praktisch vordringlichen Aufgaben des künftigen Bundeslandes zählen musste, und dass dabei der Polizeibeamte und dessen soziale und berufliche Absicherung im Mittelpunkt zu stehen hatte - denn eine damals sehr präsente Lehre der Geschichte lautete: Ein von wirtschaftlicher Not bedrängter Polizist würde sich nur schwer mit dem neuen Staatswesen und mit seiner Rolle darin identifizieren können. - Lesen Sie dazu die außerordentlich interessanten Darlegungen über die Entstehung des GdP Landesbezirkes in der ausgelegten Festschrift. Und damit bin ich beim dritten Gefühl, das mich bewegt: dem besonderen Ernst! Denn wenn wir auf den 1. Januar 1952 als den Geburtstag der GdP Baden-Württemberg blicken, dürfen wir den Januar 1933 nicht vergessen: Der Naziterror bemächtigte sich Deutschlands. Auch die demokratischen Gewerkschaften und Verbänden fielen ihm schnell zum Opfer: Das Vermögen der Reichsgewerkschaft Deutscher Polizeibeamter wurde beschlagnahmt. Die demokratische Strukturen innerhalb der Polizei wurden aufgelöst. Was folgte ist bekannt. Erst 1946 stellte die Kontrollratsdirektive Nr. 31 die Koalitionsfreiheit in allen vier Besatzungszonen grundsätzlich wieder her. In der britischen und französischen Besatzungszone galt jedoch bis 1948 ein totales Koalitionsverbot für Polizeibeamte. Und auch nachdem die Polizeibeamten wieder politisch tätig sein und wieder eigene Verbände begründen durften, beäugten es viele misstrauisch, dass sich Polizeibeamte gewerkschaftlich organisierten. Umso mehr sollte man heute hervorheben: Es ist nicht zuletzt ein Verdienst der Gewerkschaftsarbeit in der Polizei, dass nach dem Zweiten Weltkrieg zügig eine professionelle Polizei geschaffen werden konnte, die von Beginn an den Anforderungen und dem Selbstverständnis unseres demokratischen Rechtsstaats entsprach. Gerade die GdP darf stolz sein auf ihre Pioniere - ich erwähne stellvertretend für alle die Vorsitzenden Friedrich Zipfel und Jan Dietrich Siemann -, die mutig die demokratischen Rechte wahrgenommen und innerhalb des Staatsapparats Demokratie verwirklicht haben. Und die Pioniere der GdP wären heute sicher ihrerseits stolz auf ihre Nachfolger – ich erwähne die weiteren Vorsitzenden Heinrich Meyer, Rüdiger May und den jetzigen Vorsitzenden Josef Schneider - , denn die Polizei hat sich in den letzten Jahren - auch und gerade dank der gewerkschaftlichen Arbeit nach innen wie nach außen - noch weiter zum geschätzten Partner der Bürgerinnen und Bürger entwickelt. Was die Zukunft bringt, wissen wir alle nicht genau. Eines ist freilich unzweifelhaft: Der Polizeidienst wird auch im 21. Jahrhundert kein x-beliebiger Service in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft sein - er wird vielmehr bleiben, was er ist: eine höchst verantwortungsvolle menschliche Leistung, die sich selbst mit ausgefeilten Controlling-Methoden nicht vollständig erfassen lässt. Schwere Verkehrsunfälle, Nachbarschaftsstreit, gewalttätige Auseinandersetzungen, Suche nach vermissten Kindern, Diebstähle, Mord, Raubüberfälle, alle Formen der organisierten Kriminalität - das beherrscht den Berufsalltag der Polizisten. Einen Berufsalltag im Dienst von uns allen, der immer vielfältiger und immer schwieriger wird, der deshalb auch eine immer bessere und intensivere Ausbildung erfordert und damit übrigens auch laufbahnmäßig höher bewertet werden muss. Einen Berufsalltag, der nur bewältigt werden kann mit Motivation, mit körperlicher und psychischer Stabilität, mit moderner Ausrüstung, mit qualifizierter Weiterbildung und einem festen Rückhalt durch die Politik.
Und das bedeutend schlicht und ergreifend: Der Landtag von Baden-Württemberg wird künftig mehr denn je auf den Rat und - es sei betont - auf die Kritik seiner "Jahrgangskameradin", der GdP Baden-Württemberg, angewiesen sein!