Guido Wolf: Beschäftigung mit der Vergangenheit schärft Blick für aktuelle Entwicklungen

„Die Beschäftigung mit der Vergangenheit trägt immer auch dazu bei, den Blick für die aktuellen Entwicklungen zu schärfen.“ Davon zeigte sich Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) in seiner Begrüßungsrede beim Podiumsgespräch „Vom Bauernaufstand zum Bürgerprotest – Beteiligungsformen früher und heute“ im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart am Mittwochabend, 4. Juni 2014, überzeugt. „Genau das wollen wir heute tun: Einen Bogen spannen vom Bauernaufstand ‚Armer Konrad‘ hin zu den Bürgerprotesten der Gegenwart“, erläuterte Wolf. 

In beiden Fällen sei es um Beteiligungsforderungen der Bevölkerung gegangen. Allerdings hätten die Menschen anno 1514 in einer Ständegesellschaft gelebt. Ansehen und Lebensweg einer Person seien durch die soziale Herkunft weitgehend vorherbestimmt gewesen. „Nicht alle Individuen hatten die gleichen Rechte, weite Teile der Bevölkerung waren von der politischen Mitwirkung nahezu ausgeschlossen. In dieser Situation ging es den Aufständischen um eine stärkere Mitbestimmung für die Menschen“, führte der Landtagspräsident aus.

Heute sei die Lage eine andere: „Wir leben seit 65 Jahren in einer funktionierenden Demokratie, in der sich das Volk durch gewählte Repräsentanten selbst regiert. Alle Bürgerinnen und Bürger haben die gleichen Rechte“, hob Wolf hervor. In den letzten Jahren und Jahrzehnten sei indes bei vielen Menschen der Wunsch größer geworden, an politischen Entscheidungen auch direkt beteiligt zu werden. Sie setzten sich deshalb für eine stärkere direkte Mitbestimmung ein. Obwohl in der Gegenwart gleiche Beteiligungsrechte für alle Bürger gelten würden, spiele die soziale Herkunft immer noch eine Rolle. Zahlreiche empirische Studien belegten, dass die Angehörigen der oberen Bildungs- und Einkommensschichten besonders politisch aktiv seien. „Es ist in einer Demokratie nicht unproblematisch, wenn sich die aktiven Bürger systematisch von den inaktiven unterscheiden. Es muss uns gelingen, die politikfernen Bürger zu mobilisieren“, meinte Guido Wolf abschließend.

Die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, betonte in ihrem Grußwort: „Der Aufstand des ‚Armen Konrad‘ vor 500 Jahren war ein frühes Zeichen dafür, dass Beteiligung und Mitwirkung von Bürgerinnen und Bürgern an Angelegenheiten des Staates eine befriedende Wirkung haben. Denn nur durch gegenseitiges Zuhören und durch Offenheit auf allen Seiten kann Vertrauen zwischen der Politik und den Bürgerinnen und Bürgern entstehen.“

Im Anschluss an die Grußworte spannten auf dem Podium Dr. Serge Embacher (Politikwissenschaftler), Staatsrätin Gisela Erler, Prof. Dr. Robert Kretzschmar (Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg), Christoph Palm (Oberbürgermeister Stadt Fellbach), Dr. Andreas Schmauder (Leiter des Stadtarchivs Ravensburg) sowie Eberhard Stilz (Präsident des Staatsgerichtshofs für das Land Baden-Württemberg) den Bogen zwischen den Forderungen des „Armen Konrad“ nach mehr Beteiligung und den hochaktuellen Ideen einer stärkeren direkten Partizipation an der politischen Willensbildung. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Silke Arning (SWR).