Hebammenversorgung im Fokus
Stuttgart. Der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Integration hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch, 1. Juni 2022, mit der Situation der Hebammenversorgung in Baden-Württemberg befasst. Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Florian Wahl (SPD) lobten Vertreter von Grünen und CDU die Anstrengungen des Sozialministeriums, regionalen Versorgungsengpässen entgegenzuwirken. Dagegen hätten sich Vertreter der Opposition skeptisch gezeigt und größere Anstrengungen vom Ministerium gefordert.
Die Versorgung von jungen Familien vor-, während und nach der Geburt thematisierte der Ausschuss auf Antrag der CDU-Fraktion. Sie hatte dazu einen umfangreichen Fragenkatalog an das Sozialministerium gerichtet. Unter anderem hatten die Christdemokraten wissen wollen, inwieweit Ergebnisse des Runden Tisches Geburtshilfe (2017 bis 2020) unter Leitung der damaligen Staatssekretärin Bärbl Mielich (Grüne) bereits umgesetzt wurden und welche Schritte folgen werden.
Aus der Antwort des Ministeriums geht hervor, dass die Landesregierung bei der Bekämpfung regionaler Versorgungsengpässe seit Herbst 2019 insbesondere auf lokale Gesundheitszentren mit Schwerpunkt auf geburtshilflicher Versorgung (LGZ) setzt. Landesweit neun solcher Zentren, in denen Fachkräfte aus unterschiedlichen Professionen und Fachgebieten eng zusammenarbeiten, würden inzwischen modellhaft erprobt und vom Land gefördert. Seit April 2022 laufe eine wissenschaftliche Bewertung der Arbeit der LGZ. Im April 2023 sollen die Ergebnisse vorliegen. Zudem werde vom Ministerium aktuell eine Erprobung und Förderung sogenannter Hebammenkreißsäle, in denen gesunde Frauen Kinder ohne ärztliche Hilfe zur Welt bringen können, vorbereitet. Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Florian Wahl (SPD) lobten CDU und Grüne den LGZ-Ansatz als vielversprechend. Wenn die Evaluierung den Erfolg bestätige, könne es solche Zentren bald landesweit geben.
Das Ministerium verweist zudem auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die in der Folge des Runden Tisches ergriffen worden seien, um die Hebammenversorgung zu verbessern und zukunftsfest zu machen. Dazu zählen Angebote der Fort- und Weiterbildung sowie zum Wiedereinstieg von Hebammen. In diesem Zusammenhang beabsichtige die Landesregierung, Angebote zur akademischen Nachqualifizierung von ausgebildeten Hebammen auszubauen.
Im Zuge der vom Bundesgesetzgeber eingeleiteten Akademisierung des Hebammenberufs läuft die schulische Hebammenausbildung mit dem Jahr 2027 aus. Laut Ministerium gibt es derzeit landesweit noch 423 Ausbildungsplätze. Diese würden sukzessive abgebaut. Demgegenüber gebe es aktuell 320 Studienanfängerplätze, davon 290 mit Bachelor- und 30 mit Masterabschluss. Die eingeleitete Akademisierung habe das Interesse an der Berufswahl Hebamme nicht verringert. Die bewerbungszahlen lägen weiterhin erheblich über den Ausbildungskapazitäten. So seien zum Wintersemester 2021/22 in Tübingen auf 60 BA-Plätze rund 500 Bewerberinnen gekommen.
Nach den Worten des Ausschussvorsitzenden Wahl kritisierte die SPD, die Angaben des Ministeriums könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Landesregierung mit Blick auf die Versorgung von werdenden Müttern und Wöchnerinnen lediglich den Mangel verwalte. Landesweit komme es immer wieder zu Engpässen in der Betreuung. Frauen müssten teils lange nach einer Hebamme suchen. Mit Blick auf die Akademisierung des Hebammenberufs habe die SPD gefordert, die Zahl der Studienplätze zu erhöhen, so der Ausschussvorsitzende. Auch die FDP/DVP habe sich angesichts von 30 Master-Studienplätzen skeptisch gezeigt, ob dies ausreiche.
Nach Angaben des Ministeriums gab es im Jahr 2019 und 2020 acht von Hebammen geführte Geburtshäuser im Land, zwei weitere befänden sich im Aufbau. Dem stünden 76 Geburtsstationen an Krankenhäusern gegenüber. Die AfD äußerte nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Wahl die Vermutung, das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Geburtshäusern und Geburtsstationen spreche dafür, dass hohe Haftpflichtprämien weiterhin problematisch seien für freiberuflich tätige Hebammen.
Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) verneinte dies nach Angaben von Wahl. Seit die gesetzlichen Krankenkassen einen Sicherstellungszuschlag zahlten, stelle die Haftpflichtversicherung für Hebammen kein Problem mehr dar. Lucha habe zudem erklärt, der Hebammenberuf habe nichts an Attraktivität verloren. Dafür spreche auch die Tatsache, dass die Zahl der freiberuflich tätigen Hebammen im Land 2021 bei 1700 gelegen habe. 2016 seien es noch 300 gewesen. Die Akademisierung werde dazu beitragen, das Berufsbild weiter zu stärken. Baden-Württemberg habe dessen akademische Fundierung so weit vorangetrieben wie kein anderes Bundesland. Das gelte auch für Zahl der Studienplätze. Sein Dank gelte insofern auch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und dem Wissenschaftsausschuss.