Im Europaausschuss: Austausch zu EU-Kohäsionspolitik und Steinbeis-Europa-Zentrum
Stuttgart. Der Ausschuss für Europa und Internationales hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch, 12. Juni 2024, mit Karl-Heinz Lambertz, ehemaliger Ministerpräsident und Parlamentspräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und Mitglied der Hochrangigen Expertengruppe zur Zukunft der Kohäsionspolitik, zum Thema „Zukunft der EU-Kohäsionspolitik nach 2027 – aktuelle Entwicklungen“ ausgetauscht. Das hat die stellvertretende Vorsitzende Andrea Bogner-Unden (Grüne) mitgeteilt. Außerdem war Dr. Petra Püchner, Europabeauftragte der Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus und Leiterin des Steinbeis-Europa-Zentrums, zu Gast zu einem Gespräch über ihre Tätigkeit.
Er wolle Appetit machen auf das, was im 80-seitigen „Expertenbericht zur Kohäsionspolitik nach 2027“ stünde, kündigte Karl-Heinz Lambertz zu Beginn seiner Ausführungen im Europaausschuss an. Und er hatte nicht zu viel versprochen. „Es ist Ihnen gelungen, dieses wichtige und ernste Thema einfach und anschaulich zu erklären“, lobte Bogner-Unden. Eingerichtet wurde die Expertengruppe von der EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen, Elisa Ferreira. Der Bericht ist das Ergebnis der intensiven Arbeit der Gruppe und beantwortet drei Schlüsselfragen zur Reflexion über die Zukunft der Kohäsionspolitik nach 2027: 1. Warum ist die Kohäsionspolitik für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung? 2. Was macht die Kohäsionspolitik und was sollte sie machen? 3. Wie kann die Kohäsionspolitik ihre Aufgabe des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts vor dem Hintergrund des grünen, des digitalen und des demografischen Wandels besser erfüllen?
Lambertz machte deutlich, dass es nicht nur Freunde der Kohäsionspolitik gebe. Wenn man Befürworter einer stärkeren Integration sei, sei die Kohäsionspolitik jedoch ein unerlässlicher Bestandteil der Europapolitik, gehöre zur DNA der EU und sie müsse deshalb auch zukunftstüchtig bleiben bzw. gemacht werden. Sie müsse sich weiterentwickeln, denn sie habe auch Schwachpunkte. Ihr Alleinstellungsmerkmal sei eine Politik, die den Blick auf die Situation vor Ort lenke, bei der Regionen, Staaten und die EU auf Augenhöhe zusammenarbeiteten, sowohl bei der Definition der politischen Inhalte als auch bei der Umsetzung. Sie sei eine langfristig gedachte Politik. Auf Deutsch bedeute der Begriff Kohäsion Zusammenhalt. Die Expertengruppe habe sich mit der Frage beschäftigt, wie es mit der Kohäsionspolitik nach der EU-Erweiterung weitergehe. Sie müsse auf jeden Fall in allen Mitgliedstaaten (nicht nur in den neuen) stattfinden. Kohäsionspolitik müsse perfekt koordiniert sein, sie bringe Europa langfristig weiter und versehe alle Regionen Europas mit neuen Perspektiven. Es gehe vor allen Dingen darum, neue Potenziale zu entwickeln und sie in Interaktion zu bringen. Eine große Herausforderung sei die Entbürokratisierung. „Es ist wichtig, dass wir mit der Kohäsionspolitik vorankommen“, so Andrea Bogner-Unden am Ende von Lambertz Ausführungen.
Anschließend habe Dr. Petra Püchner ihr Tätigkeitsfeld vorgestellt. Ihre Hauptaufgabe sei Andrea Bogner-Unden zufolge das Werben für EU-Projektfinanzierungen für Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Industrie sowie Start-Ups. Dr. Püchner ist seit Januar 2018 Europabeauftragte der Wirtschaftsministerin und Leiterin des Steinbeis-Europa-Zentrums. Die EU stelle andere Mittel zur Verfügung als die, die in Deutschland zur Verfügung gestellt würden. Dr. Püchner habe ausgeführt, dass etwa beim Programm Horizont 2020 im Förderzeitraum 2014 bis 2020 von insgesamt 1,62 Milliarden Euro 500,9 Millionen an baden-württembergische Unternehmen rückgeflossen seien, davon 233,5 Millionen Euro an KMU. Beim Programm Horizont Europa (2021 – 2027) seien bislang 223,8 Millionen Euro an BW-Unternehmen geflossen, von insgesamt 773,3 Millionen Euro. 130,2 Millionen Euro an KMU. Obwohl Baden-Württemberg hier auf einem guten Weg sei könnten die Zahlen noch besser sein, so Dr. Püchner. So sei es ihr ein großes Anliegen, noch mehr für diese Möglichkeiten der Förderung durch die EU bei baden-württembergischen Unternehmen zu werben. Wichtig sei auch eine breitere Vernetzung der Innovationsregionen in Europa, um gemeinsam mehr Strahlkraft und Einfluss etwa auf europäische Regularien zu nehmen, fasste die stellvertretende Vorsitzende Bogner-Unden Dr. Püchners Ausführungen zusammen.
Außerdem hat die Europabeauftragte die Internetplattform https://have-your-say.ec.europa.eu (Sagen Sie Ihre Meinung zu Europa und seiner Politik) vorgestellt. Auf der deutschsprachigen Web-Seite könne jeder Einfluss auf die EU-Politik nehmen, indem er seine Ansichten, etwa zu künftigen politischen Maßnahmen der EU, mitteile. Dr. Püchner warb dafür, möglichst frühzeitig mitzuarbeiten. Die stellvertretende Ausschussvorsitzende Bogner-Unden dankte der Europabeauftragten für ihre theoretischen und praktischen Einblicke in ihre Arbeit.