Im Rahmen des 45. Schülerwettbewerbs:

Ausstellung im Landtag mit Schülerplakaten zum Thema „Menschen mit Behinderungen“ (Es gilt das gesprochene Wort!) Stuttgart. „Behindert - na und“ lautet der Titel einer Ausstellung, die am 10. April 2003 in der Lobby des Landtags von Landtagsvizepräsident Frieder Birzele eröffnet wurde. Anlässlich des „Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen“ hatte der 45. Schülerwettbewerb des Landtags zur Förderung der politischen Bildung Schülerinnen und Schüler aller Schularten aufgerufen, sich mit dem Thema Behinderungen auseinanderzusetzen. Die im Rahmen dieses Wettbewerbs entstandenen, von Jugendlichen gestalteten Plakate werden nun im Landtag präsentiert. Bei der Vernissage, die mit Darbietungen der Rollstuhlabteilung des Tanzclubs Ludwigsburg endete, sagte Landtagsvizepräsident Birzele wörtlich: >> Sehr verehrte Damen und Herren, geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler, „Ja, ich bin behindert - na und“. So lautet die selbstbewusste Aussage von Stefan Grundmann, Schüler einer Sonderschule für Geistigbehinderte. Er hat sein Plakat zum 45. Schülerwettbewerb des Landtags von Baden-Württemberg zur Förderung der politischen Bildung eingesandt und erhielt dafür einen ersten Preis. Die fröhliche Farbigkeit und die Ausdrucksstärke, die nicht nur in seiner Arbeit zu sehen sind, sprechen an. Die Leichtigkeit und Unbekümmertheit im Umgang mit Farbe und Form und die harte und direkte Ernsthaftigkeit der Aussage der Sonderschülerinnen und Sonderschüler schaffen Offenheit für das Thema. Meine Damen und Herren, anlässlich des „Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen“ hat der 45. Schülerwettbewerb alle Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg ab der 9. Klasse aufgefordert, ein Plakat zu gestalten, das sich für Behinderte einsetzt oder die Benachteiligung Behinderter anprangert. Fast 1200 Plakate wurden eingereicht, darunter 140 Arbeiten aus Sonderschulen. Diese Zahlen für sich genommen zeigen, meine Damen und Herren, dass die Belange behinderter Menschen in allen Schularten Beachtung finden, ein ermutigendes Zeichen, wie ich finde. In dieser Wanderausstellung werden 33 preisgekrönte Arbeiten aus verschiedenen Preiskategorien präsentiert. 16 Plakate stammen von behinderten und 17 von nicht behinderten Schülern. Ich bin beeindruckt, auf welch vielseitige Weise das Thema bearbeitet wurde. Nicht nur was die Form der Gestaltung angeht, sondern auch wie das Thema Behinderung in seiner Vielschichtigkeit erkannt und behandelt wurde. Unterschiedliche Formen der Behinderung wurden angesprochen und ihre Problematik für den Betreffenden aufgezeigt. Das zeigt, dass nicht lediglich ein gestelltes Thema abgehandelt wurde, sondern dass sich die Schülerinnen und Schüler auch sehr genau damit auseinander gesetzt haben. Lassen Sie mich zwei Beispiele herausgreifen: Ayse Ermagan zeigt eine Rollstuhlfahrerin mit der Aufforderung „Tanz mit mir“. Diese Aufforderung kann man auf zweierlei Art verstehen: einerseits sinnbildlich als Impuls, sich auch unmöglich Erscheinendem zu öffnen. Andererseits aber auch sehr konkret - denn es gibt die Möglichkeit, mit dem Rollstuhl, aber auch mit Rollstuhlfahrerinnen zu tanzen. Das fordert Mut auf beiden Seiten. So ist es auch beim Plakat von Sandra Merath und Anja Mayer. Eine Mischung aus Selbstbewusstsein, Lebensfreude und Durchsetzungskraft springt uns aus dem beeindruckenden Plakat entgegen. Eine junge attraktive Frau präsentiert sich in ihrer Wohnung. Erst auf den zweiten Blick offenbart sich, was an diesem Teenager anders sein soll: Die Arme sind missgebildet - und dies mindert ihre Schönheit überhaupt nicht, denn sie ist – mit den Worten ihres Plakates - „anders ganz schön“. Meine Damen und Herren, der Schülerwettbewerb des Landtags ist ein Wettbewerb für Behinderte und mit Behinderten. Bereits Ende der siebziger Jahre beschloss der Beirat, das Lenkungsgremium des Wettbewerbs, dass der Landtag seinen alljährlichen Wettbewerb zur Förderung der politischen Bildung für alle Schülerinnen und Schüler ausschreiben solle. Dabei verfolgten wir grundsätzlich die Idee, dass die Schülerinnen und Schüler aus den Sonderschulen in den Schülerwettbewerb nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen einbezogen werden. Es wurde von allen Seiten immer Wert darauf gelegt, dass der Wettbewerb keine Ausnahmen formuliert, sondern dass ein gleichberechtigter Umgang gepflegt werden soll. Mehr als 2000 geistig behinderte Schülerinnen und Schüler reichten seitdem Arbeiten ein, welche die Plakat-Jury, deren Mitglieder heute ebenfalls hier anwesend sind, jedes Jahr aufs Neue begeistern und vor die schwere Aufgabe der gerechten Auswahl stellen. Als Belohnung gewinnen alle Preisträgerinnen und Preisträger des ersten Preises eine mehrtägige Reise in eine attraktive Großstadt. Die Siegerinnen und Sieger der Preiskategorie zwei und drei erhalten einen Geldpreis. Und damit geht´s dann zum Einkaufen. Mit Geld planen, das Angebot sichten, Preise vergleichen und selbst bezahlen sind Lerninhalte der Sonderschulen. Ziel ist eine möglichst weitreichende Autonomie des Einzelnen. Zurück vom Shopping werden die Geschenke dann festlich verpackt und in einer eigenen Schulfeier überreicht. Jedes Jahr begleiten Schülerinnen und Schüler aus anderen Schulen die Siegerinnen und Sieger bei ihrer viertägigen Reise. Das Erlebnis steht im Mittelpunkt: Ruhe und Geduld ist gefordert. Sich auf direkte und herzliche Offenheit und Neugierde einlassen ist ebenso wichtig. Für Frau Cornelia Reutter, eine Begleitschülerin und mehrfache Gewinnerin erster Preise, war es eine prägende Erfahrung: „Nach der Reise“, so sagte sie, „war meine Entscheidung getroffen, wie ich mich beruflich orientieren möchte: Ich will Lehrerin an einer Sonderschule für Geistigbehinderte werden“. Einige Jahre später hat sie selbst mit ihren Schülerinnen und Schülern beim Wettbewerb mitgemacht. In den Seminaren des Schülerwettbewerbs haben Projekte mit Geistigbehinderten einen festen Platz. Mit Theater-, Musik- und Zirkuspädagogen werden Aufführungen erarbeitet. Schülerinnen und Schüler aus anderen Schulen nehmen ebenfalls daran teil. Brücken werden nicht nur ideell gebaut, sondern unter Anleitung eines erfahrenen Zirkuspädagogen auch in die Tat umgesetzt. Das Gleichgewicht halten und sich auf den anderen verlassen können, ist die Devise. Behinderte einbeziehen, dies war und ist der richtige Weg des Schülerwettbewerbs. Die Ausstellung vermittelt einen Ausschnitt aus dieser wertvollen Arbeit.<< Die Ausstellung im Landtag kann noch bis 11. Mai 2003 besichtigt werden, und zwar montags – freitags jeweils von 9:00 – 17:00 Uhr (außer am 7. und 8. Mai 2003). Anschließend wird die Wanderausstellung an verschiedenen Orten in Baden-Württemberg gezeigt. Einige Ausstellungstermine sind noch frei und können gebucht werden. Interessenten können sich an das Referat Schülerwettbewerb bei der Landeszentrale für politische Bildung wenden, Telefon 0711 164099-26, E-Mail: monika.greiner@lpb.bwl.de.