Landtag setzt Urteil des BVG zur Neuordnung der Funktionszulagen um
Ziele: sichere Rechtsgrundlage, Transparenz und Kostenneutralität Stuttgart. Landtagspräsident Peter Straub hat am Donnerstag (7. März 2002) in Stuttgart gegenüber der Landespresse das Konzept zur Neuordnung der Funktionszulagen im Landtag von Baden-Württemberg vorgestellt. Es werden damit die Konsequenzen aus dem zweiten Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2000 gezogen. Die Neuordnung dient, wie Präsident Straub ausführte, vor allem drei Zielen: Sie stellt die Gewährung von Funktionszulagen auf eine sichere Rechtsgrundlage, sie bringt für die Öffentlichkeit und die Bürgerinnen und Bürger Transparenz und sie wird schließlich weitgehend kostenneutral umgesetzt. Wie Präsident Straub erläuterte, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 21. Juli 2000 die Gewährung von zusätzlichen Entschädigungen an parlamentarische Geschäftsführer der Fraktionen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Ausschussvorsitzende nach der damaligen Fassung des Thüringer Abgeordnetengesetzes für verfassungswidrig erklärt. Hingegen hat das Bundesverfassungsgericht in Abweichung von seinem ersten Diätenurteil vom November 1975 die Gewährung einer Funktionszulage an Fraktionsvorsitzende zugelassen. Schon bisher war es zulässig, als Ausnahme vom formalisierten Gleichheitssatz und dem daraus abgeleiteten Gebot der gleich hoch bemessenen Entschädigung für alle Abgeordnete den Parlamentspräsidenten und dessen Stellvertreter herauszuheben. Auf Grund dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Neuordnung der Funktionszulagen im Landtag von Baden-Württemberg unumgänglich. Bisher sind im Abgeordnetengesetz nur Zusatzentschädigungen für den Landtagspräsidenten und dessen Stellvertreter und Stellvertreterinnen geregelt. Ohne gesetzliche Regelung erhalten aus der Fraktionskasse Inhaber von Fraktions-ämtern zusätzliche Zahlungen. Dazu gehören insbesondere die Fraktionsvorsitzenden, die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, parlamentarische Geschäftsführer und die Arbeitskreisvorsitzenden. Um diesen gesetzlich nicht geregelten und dem Blick der Öffentlichkeit entzogenen Zustand zu beseitigen, haben der Landtagspräsident und die vier Fraktionsvorsitzenden ein Konzept erarbeitet, das künftig die Gewährung der Funktionszulagen auf eine gesicherte Rechtsgrundlage stellen soll. Das Konzept basiert auf einem Rechtsgutachten des früheren Bundesverfassungsrichters Professor Dr. Paul Kirchhof. Dieser hat auch bei der Ausarbeitung des Konzeptes seinen juristischen Rat gegeben. Laut Präsident Straub unterscheidet sich der Landtag von Baden-Württemberg von den anderen Landesparlamenten ganz wesentlich darin, dass er sich als Teilzeitparlament versteht. Dieses Verständnis eröffnet dem Landtag gegenüber den Vollzeitparlamenten einen besonderen, sehr viel größeren Spielraum bei der Regelung von Funktionszulagen. Prämisse ist freilich, dass der Landtag von Baden-Württemberg nach seinen Aufgaben, seinen Verfahrensabläufen sowie der tatsächlichen Beanspruchung der Abgeordneten und ihrer Entschädigung ein Teilzeitparlament ist. Darauf beruht, so hob Präsident Straub nachdrücklich hervor, das mit allen Fraktionsvorsitzenden abgestimmte, im Folgenden skizzierte Konzept. Dieses sieht vor: 1. Fraktionsvorsitzende Die Fraktionsvorsitzenden und der Präsident sollen eine Funktionszulage erhalten, die sie in der Höhe im Ergebnis einem Minister, der gleichzeitig Landtagsabgeordneter ist, gleichstellt (Prinzip der „gleichen Augenhöhe“). Mit diesem Vorschlag wird die Konsequenz aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gezogen, das die Gewährung von Funktionszulagen an Fraktionsvorsitzende ausdrücklich zugelassen hat. Die Höhe begründet sich daraus, dass ein Fraktionsvorsitzender im Landtag zeitlich und arbeitsmäßig genauso stark in Anspruch genommen ist wie ein Minister in der Landesregierung. Dabei ist selbstverständlich davon auszugehen, dass ein Fraktionsvorsitzender – dies hat auch der Gutachter Professor Dr. Kirchhof anerkannt – im Hinblick auf seine Belastung kein Teilzeitparlamentarier ist. Wie die Zusatzentschädigungen für den Präsidenten und dessen Stellvertreter soll auch die Funktionszulage für die Fraktionsvorsitzenden bei der Altersentschädigung berücksichtigt werden. 2. Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden sollen künftig eine Funktionszulage in Höhe von 40 v. H. der steuerpflichtigen Abgeordnetenentschädigung erhalten. Dies entspricht einem Betrag in Höhe von 1773 €€Euro (Grundentschädigung: 4433 € Euro). Zugleich wird im Gesetz vorgesehen, dass die Möglichkeit der Fraktionen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende zu bestellen, begrenzt wird. Zu diesem Zweck wird eine Staffelung nach der Zahl der Fraktionsmitglieder eingeführt. Danach kann eine Fraktion bis zu 20 Mitgliedern einen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, bis zu 40 Mitgliedern zwei, bis zu 60 Mitgliedern drei und bei über 60 Mitgliedern vier stellvertretende Fraktionsvorsitzende bestellen. Die Funktionszulage für die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden wird nicht „pensionswirksam“ gestaltet. Stellvertretende Fraktionsvorsitzende sind nämlich, anders als die Fraktionsvorsitzenden, in der Regel keine Vollzeitparlamentarier. 3. Arbeitskreisvorsitzende der Fraktionen Die Arbeitskreisvorsitzenden sollen eine Aufwandsentschädigung erhalten, die der Abgeltung des zur Wahrnehmung ihrer Funktion entstehenden zusätzlichen Zeitaufwandes und ihrer tatsächlichen Auslagen dient. Diese Entschädigung wird steuerpflichtig sein. Sie soll in der Höhe einen Betrag zwischen 10 und 20 v. H. der Grundentschädigung entsprechen (also zwischen 443 €Euro und 886 €Euro liegen). 4. Parlamentarische Geschäftsführer Parlamentarische Geschäftsführer können als Entgelt für die Wahrnehmung dieses Fraktionsamtes bis zu 40 v. H. der Grundentschädigung erhalten. Die Höchstgrenze liegt also bei 1773 €Euro. 5. Obergrenze Die Fraktionsvorsitzenden sind sich mit dem Rechtsgutachter einig, dass höchstens 30 v. H. der Mitglieder einer Fraktion mit bezahlten Sonderfunktionen betraut werden können. Eine Fraktion mit zehn Mitgliedern kann deshalb z. B. Zusatzzahlungen an höchstens drei Funktionsträger leisten. 6. Ausgleich Der Landtagspräsident und die Fraktionsvorsitzenden stimmen in der Absicht überein, die Neuordnung der Funktionszulagen kostenneutral zu gestalten. Als Ausgleich für künftig im Abgeordnetengesetz zu regelnde und aus dem Abgeordnetentitel zu zahlende Funktionszulagen sollen entsprechend die staatlichen Fraktionszuschüsse gekürzt werden. Die Höhe der Ausgleichsleistungen wird vereinbart, sobald die gesetzliche Umsetzung des Konzepts in Angriff genommen wird. 7. Weiteres Vorgehen Es ist vorgesehen, das vorstehende Konzept in den Bericht über die Angemessenheit der Abgeordnetenentschädigung aufzunehmen, den der Landtagspräsident zum 1. Mai dieses Jahres vorzulegen hat. Sodann ist die Umsetzung in einem interfraktionellen Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Fraktionsgesetzes vorgesehen.