Landtagspräsident Guido Wolf: Die eigene Kultur in das globale Miteinander einbringen

Stuttgart/Reichenau. Im Jahr 2000 ist die Insel Reichenau im Bodensee in das Welterbe der UNESCO aufgenommen worden. Seitdem feiert die Klosterinsel jeweils am 15. August nicht nur ihren Inselfeiertag Mariä Himmelfahrt, sondern auch den Reichenauer Welterbetag. „Baden-Württemberg blickt nicht nur heute stolz auf die Insel Reichenau“, freute sich Landtagspräsident Guido Wolf in seiner Rede beim diesjährigen Festakt. „Hier wird das Weltkulturerbe nicht als Monument, als stillgelegtes Schaustück betrachtet, sondern als ein vitaler, unverwechselbarer Organismus.“ Die Insel Reichenau hat eine einzigartige historische Bedeutung. Sie stellte im Mittelalter ein politisches und kulturelles Zentrum für das gesamte Abendland dar. Geblieben sind die bedeutenden romanischen Kirchen, eine einzigartige Kulturlandschaft und die gelebten Traditionen der Inselbewohner. Heute werde die Insel Reichenau als Kloster-, Gemüse- und Weininsel bezeichnet: „Eine Kulturlandschaft in der vollen Bedeutung des Begriffs“, wie Wolf hervorhob. Kultur sei nämlich weit mehr als Kunst. Kultur meine im Kern die Art wie Menschen lebten, welche Prinzipien sie leiteten und welche Ziele sie verfolgten. „Kultur ist, wofür man sich aus Überzeugung anstrengt“, sagte der Landtagspräsident und drückte den Reichenauerinnen und Reichenauern seine Anerkennung aus: „Wer ein geachteter Teil der Welt sein will, der muss seine eigene Kultur in das globale Miteinander einbringen. Dies gelingt Ihnen sehr beeindruckend.“ Es sei in der heutigen Zeit aber auch unerlässlich, sich auf die Wurzeln des Gemeinwesens zu besinnen, sagte der Landtagspräsident. Die Zertifizierung als UNESCO-Weltkulturerbe eröffne die Chance, das interkulturelle und interreligiöse Verstehen zu fördern. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bildeten auf der Reichenau einen harmonischen Dreiklang. Die Reichenau sei deshalb auch ein geeigneter Ort, um über die veränderte Stellung des christlichen Glaubens im Alltag der Gesellschaft nachzudenken. „Immer mehr Lebensbereiche folgen den rationalen Imperativen der Wirtschaft, den Erfordernissen des rasanten technologischen Fortschritts sowie den dynamischen Zwängen der Globalisierung“, stellte Wolf fest. Zentrale Aspekte der menschlichen Existenz gehorchten jedoch nicht der Logik und den naturwissenschaftlichen Gesetzen. Daher dürften Glauben und Vernunft weder als Gegensätze betrachtet, noch mit fundamentalistischem Eifer zusammengezwungen werden. Die Gewissheiten, die den Glauben bestimmten, würden den Menschen im 21. Jahrhundert zuverlässig beim Ordnen ihrer Existenz und beim Gestalten der Gegenwart und Zukunft helfen. „Die christliche Hoffnung war, ist und bleibt die Kraftquelle weltlicher Vernunft und auch dafür steht die Reichenau als UNESCO-Weltkulturerbe“, so Guido Wolf abschließend.
Am Morgen hatte das Fest der katholischen Inselpfarreien mit einer Parade der historischen Bürgerwehr auf dem Münsterplatz begonnen. Anschließend wurde im Münster ein feierliches Hochamt mit Kräuterweihe zelebriert. Nach dem Festgottesdienst fand eine Prozession über die Insel statt, bei der die Reliquienschreine aus der Münsterschatzkammer mitgetragen wurden.