Landtagspräsident Peter Straub gratuliert seinem Vor-Vorgänger im Amt Erich Schneider zum 70er
Dank für landespolitische Lebensleistung und Vielzahl an Tugenden Stuttgart/Burgstetten. Seinen 70. Geburtstag feiert am heutigen Samstag, 2. August 2003, Landtagspräsident a. D. Erich Schneider. Schneider, zunächst Verwaltungsbeamter und Bürgermeister der früheren Gemeinde Burgstall an der Murr, wurde 1968 erstmals in den Landtag gewählt, dem er bis 1992 angehörte. Während der 8. Legislaturperiode wurde er zum Landtagspräsidenten gewählt und im 9. und 10. Landtag im Amt bestätigt. Seit elf Jahren ist Schneider Vorsitzender der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Landtags und seit zehn Jahren Präsident des Christlichen Jugendorfwerks Deutschlands e.V. Bei einem Geburtstagsempfang in der Gemeindehalle in Burgstetten-Burgstall würdigte Landtagspräsident Peter Straub seinen Vor-Vorgänger für dessen „landespolitische Lebensleistung“ und eine „Vielzahl an Tugenden“. Wörtlich sagte Straub: >>Es freut mich sehr, dass ich dir, lieber Erich Schneider, von dieser Stelle aus die herzlichen Glück- und Segenswünsche des Landtags übermitteln darf. Mögen dir Lebensjahrzehnte beschieden sein, • die frei sind von persönlichen Sorgen, • in denen Mühen des Älterwerdens nicht allzu sehr spürbar werden • und in denen du deshalb noch lange bleiben kannst, was du - neben allem anderen – mit Leib und Seele bist: Vorsitzender der Vereinigung der ehemaligen Landtagsabgeordneten und damit gleichsam die Inkarnation des urdemokratischen Gedankens, dass das Verbindende über dem Trennenden stehen muss. Vom römischen Dichter Ennius stammt das Wort: "Unser Gemeinwesen ruht auf den guten alten Sitten und entsprechenden Männern." Heute würde man diese Feststellung – zu Recht – geschlechtsneutral formulieren. Aber die Kernaussage ist immer noch richtig – was wir in höchst eindrucksvoller Weise an dir sehen können, lieber Erich Schneider. Du hast dich in deinen politischen Ämtern stets engagiert für eine freiheitliche und zugleich von den christlichen Grundwerten geprägte Ordnung des Zusammenlebens. In diesem Sinne dem Ganzen zu dienen, und ich wiederhole das Tätigkeitswort gerne: „zu dienen“ - darin hast du deine Aufgabe gesehen. Und das hat dich unverwechselbar gemacht. Du warst ein Gegenmodell zum Bestreben, sein politisches Glück zu finden, indem man Themen hektisch wechselt und nur die nächste Schlagzeile im Sinn hat. Bildlich gesprochen, war dein Arbeitsgerät nicht die oberflächliche Egge, sondern der schwere Pflug, mit dem du echt „geackert“ und gerade Furchen gezogen hast. Die Regungen des Zeitgeistes konnten dich nicht von der Gewissheit abbringen, dass man Werte leben muss - weil nur gelebte Werte wirklich Bestand haben. Du warst jedoch nie ein sturer Dogmatiker – denn im Grunde deines Herzens bist du immer auch Kommunalpolitiker geblieben. Was das heißt, hat Manfred Rommel auf den Punkt gebracht durch die Feststellung, die kommunale Ebene sei die Ebene, wo das Leben selbst und nicht bloß die Theorie des Lebens besichtigt werden könne. Als gestandener Bürgermeister ist es dir um praktische Lösungen gegangen; und du warst ganz einfach da, wenn dich einzelne Menschen oder Institutionen gebraucht haben. Mit anderen Worten: Überzeugungsfest und pragmatisch - so hast du ausdauernd und hartnäckig im Großen wie im Kleinen den Einfluss eingesetzt, den du dir erarbeitet hattest und den du durch deine persönliche Glaubwürdigkeit ständig zu mehren wusstest. Bernhard Vogel - der frühere Ministerpräsident von Thüringen - meinte einmal: „Politik verdirbt nicht den Charakter, aber sie stellt ihn auf eine besondere Probe.“ Du, lieber Erich Schneider, hast diese Prüfung jederzeit und glänzend bestanden. In vierundzwanzig Jahren als Landtagsabgeordneter hast du exemplarisch vorgelebt: Wir, die gewählten Volksvertreter - wir sind es, die für die Akzeptanz der Institutionen sorgen müssen durch die Abwesenheit von Arroganz, durch uneitles Auftreten, durch Gewissenhaftigkeit und Entschiedenheit, aber ebenso durch die Fähigkeit, im richtigen Augenblick zu vermitteln und etwas Handfestes zustande zu bringen. Diese Tugenden haben dich natürlich besonders ausgezeichnet in den zehn Jahren, in denen du Landtagspräsident gewesen bist. Als Landtagspräsident hast du ein unverwechselbares und authentisches Profil entwickelt; und vor allem konntest du auf spezifische Weise dieses vermeintlich machtlose Amt nachhaltig zu einem Faktor im landespolitischen Geschehen ausbauen. So hast du rasch die wachsende Bedeutung Europas erkannt und durchgesetzt, dass auch der Landtag – und nicht nur die Landesregierung – die Chance hat, die Vorhaben der EU frühzeitig zu diskutieren. Speziell als Vizepräsident der Versammlung der Regionen Europas, aber ebenso an vielen anderen Stellen hast du Pionier- und Grundlagenarbeit für ein föderales Europa geleistet – für ein Europa, das seine Vielfalt als Zukunftskapital wahrnimmt und wertschätzt. Im selben Geiste sind von dir zahlreiche Partnerschaften des Landtags zu anderen Parlamenten begründet und als tragende Pfeiler der – in Anführungszeichen – „Außenpolitik“ Baden-Württembergs etabliert worden. Getreu dem Satz „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ war es dir eine Herzensangelegenheit, die Entwicklungszusammenarbeit mit Burundi zu initiieren – und zwar nicht als „Eintagsfliege“: Sie hat mittlerweile viele politische und personelle Umbrüche überstanden. Nach innen hast du den Landtag ermutigt und befähigt, seine verfassungsmäßige Rolle als „Erste Gewalt“ zu verteidigen und selbstbewusst wahrzunehmen. Bau des Hauses der Abgeordneten, Öffnung des Landtags nach außen, Intensivierung der Parlamentsarbeit, Stärkung der Parlamentsrechte – diese vier Stichworte umschreiben nur höchst unvollständig jene Errungenschaften, die mit deinem Namen verbunden sind. Und das Entscheidende ist: All das kommt noch den heute aktiven Kolleginnen und Kollegen und speziell mir als deinem „Nach-Nachfolger“ sehr unmittelbar zugute. Deshalb möchte ich dir am heutigen Tage gleich doppelt danken: • zum einen - offiziell - für deine landespolitische Lebensleistung, die unbestreitbar zur Geschichte Baden-Württembergs gehört; • und zum anderen - persönlich - für die Plattform, zu der du – ich sage bewusst – „unser Amt“ gemacht hast. Allgemeiner ausgedrückt: Wenn es stimmt, dass unser Leben nur so viel Sinn hat, wie wir ihm geben, dann ist es dir durch deine Beständigkeit gelungen, dein politisches Leben in reichem Maß mit Sinn zu erfüllen. Goethe bemerkte einst: „Der Rückblick auf so mancherlei Situationen, die man durchlebte, die Erinnerung an so viele Stimmungen, in die man sich versetzt fühlte – sie machen uns gleichsam wieder jung“. So betrachtet wird unser Beisammensein heute Vormittag ein sprudelnder Jungbrunnen sein. Daher will ich jetzt nur noch ins Gedächtnis rufen, was oft zitiert wird und was nicht nur eine Legende ist – nämlich, dass Konrad Adenauer, als ihm beim neunzigsten Geburtstag jemand sagte "Ich wünsche Ihnen, dass Sie hundert Jahre alt werden" grimmig geantwortet haben soll: "Warum wollen Sie der Barmherzigkeit Gottes so enge Grenzen setzen?". In diesem Sinne, lieber Erich Schneider: Alles Gute für ein glückliches Dezennium! Und: Der Barmherzigkeit Gottes keine Grenzen!