Landtagspräsident Straub: „Unsere Bilanz ist respektabel“ 14. Legislaturperiode war arbeitsintensiv und ereignisreich
Stuttgart. Als arbeitsintensiv und ereignisreich hat Landtagspräsident Peter Straub (CDU) am Mittwoch, 2. März 2011, in der letzten Plenarsitzung des Parlaments die zu Ende gehende 14. Wahlperiode des Landtags bezeichnet. „Unsere Bilanz ist respektabel“, sagte Straub und nannte als Beispiele die Neuordnung des Abfallrechts, die novellierte Landesbauordnung, das Nichtraucherschutzgesetz, die Werkrealschule, den Verbraucherschutz sowie die Konzeption „Kultur 2020“. Große Bedeutung maß der Landtagspräsident auch den beiden Föderalismusreformen bei, zum einen wegen der gestärkten Länderkompetenzen und zum anderen mit Blick auf die beschlossene Schuldenbremse. Straub, der nach über 26-jähriger Abgeordnetentätigkeit und knapp 15-jähriger Amtszeit als Landtagspräsident selbst aus dem Landtag ausscheiden wird, dankte in seiner Rede besonders jenen 28 Abgeordneten, die ebenfalls ihr Mandat niederlegen werden. Wörtlich führte der Landtagspräsident aus: >>Wir sind am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Und das ist ein geschichtsträchtiger Moment. Denn faktisch ist das Teilzeitparlament jetzt Vergangenheit. Internet-Freunde würden sagen: Mit der neuen Wahlperiode startet der „Landtag 2.0“. Und ich möchte die Professionalisierung unserer Arbeit nicht relativieren. Trotzdem unterstreiche ich gerne: Auch der 14. Landtag von Baden-Württemberg hat in der bisherigen Konstruktion und mit seinem „alten“ Selbstverständnis Beachtliches geleistet. Unsere Sachbilanz ist – erstens – vorzeigbar und – zweitens – das Werk aller vier Fraktionen. Bundestagspräsident Norbert Lammert betonte bei der Konstituierung des Bundestags 2009: „Regiert wird immer und überall… Die Opposition macht den Unterschied.“ Die hinter uns liegende Wahlperiode war arbeitsintensiv und ereignisreich. Die Ihnen vorliegende Abschluss-Statistik spiegelt es wider. Ich erwähne nur die markanteste Kennziffer: über 7.600 Drucksachen! Ein Allzeit-Rekord! 45 Prozent Steigerung gegenüber den fünf Jahren davor! Der Landtag hat genau genommen zwei „Königsrechte“: den Haushalt und die Wahl des Ministerpräsidenten. Von Letzterem mussten wir in dieser Wahlperiode zweimal Gebrauch machen. Denn die wohl größte Überraschung war, dass Ministerpräsident Günther Oettinger als Energiekommissar zur EU nach Brüssel ging, wo er – was nicht überraschte – schnell Renommee gewonnen hat. Zu seinem Nachfolger wählten wir am 10. Februar 2010 unseren Kollegen Stefan Mappus. In einem Abschiedsinterview meinte Günther Oettinger sinngemäß: Profi-Fußballer und Spitzenmanager würden in der veröffentlichten Meinung – je nach Leistung – mal gelobt und mal getadelt. Bei Politikern sei das anders: Kommentierung bedeute automatisch Kritik. Wenn etwas gut laufe, gebe es keine Würdigung. So entstehe ein schiefes Bild. Ich denke: Das stimmt! Platzieren wir deswegen unser Licht weit weg vom berühmten Scheffel: Denn wir haben Gestaltungskraft bewiesen! Und wir stehen besser da als im Juni 2006! Die neue „Regierungsbefragung“ erhöht nicht bloß die Aktualität unserer Plenarsitzungen – sie gibt uns die Chance, früher und gezielter parlamentarischen Druck aufzubauen. Nach 19 Regierungsbefragungen dürfte unzweifelhaft sein: Das Instrument taugt; und es gelingt immer wirksamer, „Pressing“ zu spielen. Ähnlich positiv sind die Erfahrungen mit einer anderen Neuerung: Kurzinterventionen können unsere Debatten befruchten. Es lohnt sich also, dieses rhetorische „Tackling“ noch konsequenter anzuwenden. Einen Nagel mit einer klaren „Botschaft“ haben wir anfangs der Wahlperiode flott geschmiedet und unverzüglich durch eine Verfassungsänderung eingeschlagen: Die Legislaturperiode beginnt künftig einen Monat früher – am 1. Mai. Das optische Niemandsland zwischen dem Arbeitsende eines alten Landtags und der Konstituierung des Nachfolgers ist minimiert. Effizienzdruck und Leistungsverdichtung – der Landtag hat sich diesen allgegenwärtigen Phänomenen sichtbar gestellt. Auch der neue Landtag sollte dafür empfindsam bleiben. Die Wandlung zum Vollzeitparlament mit einer adäquaten Abgeordnetenentschädigung hat fraglos noch nicht den Zenit der öffentlichen Akzeptanz erreicht. Der quantitative Hinweis auf mehr Sitzungstage allein wird nicht genügen, um die Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen. Parlamentarisches „Land“ gewinnen konnten wir dank der „Föderalismusreform I“. Gewichtigster Beleg: das Dienstrechtsreformgesetz, dessen Entwurf rund 1,9 Kilo wog. Noch ermutigender war, dass wir daneben erfolgreich aus eigener Kraft expandiert haben. Unser neu gegründeter Europaausschuss hat seine ursprünglichen Skeptiker widerlegt: Er verliert sich nicht in „Zweiten Lesungen“ parallel zu den Fachausschüssen. Er zeigt vielmehr, wie man sich Einfluss verschafft – nämlich durch eine Offensivstrategie, also dadurch, dass man seine geschriebenen und seine ungeschriebenen Möglichkeiten umfassend nutzt. So waren in 40 Sitzungen 28 namhafte Persönlichkeiten als Experten zu Gast. Optimal „verwertet“ haben wir den „Ball“, der uns durch den „Vertrag von Lissabon“ und das nachfolgende Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei den Mitwirkungsrechten zugespielt worden ist. Die Kernpunkte unserer Verfassungsänderung gelten bundesweit als vorbildlich – sprich: die Bindung der Landesregierung an unsere Stellungnahmen, wenn EU-Vorhaben ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder betreffen, beziehungsweise die Pflicht zur Berücksichtigung unserer Äußerungen, falls Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder wesentlich berührt werden. Dass unsere Landesverfassung mehr sein soll als ein Symbol unserer Eigenstaatlichkeit, verdeutlichten wir durch das Präzisieren des Konnexitätsprinzips. Das Konnexitätsprinzip ist von Beginn an in unserer Verfassung verankert. Es war seinerzeit eine verfassungspolitische Innovation. Wir haben also einen fünfeinhalb Jahrzehnte alten Edelstein unserer Landesverfassung frisch geschliffen. Singulär gefordert waren wir nach dem traurigsten Ereignis der jüngeren Landesgeschichte: dem grauenhaften Amoklauf von Winnenden und Wendlingen am 11. März 2009. Ein 17-jähriger ehemaliger Realschüler erschoss mit einer Waffe seines Vaters zunächst in seiner früheren Schule und dann auf der Flucht 15 Menschen. Gerade weil der Täter so jung war, stellte seine Tat grundsätzliche Fragen. Uns als Parlament oblag, an vorderster Stelle nach Antworten zu suchen. 18 Kolleginnen und Kollegen übernahmen diese komplexe Aufgabe im Sonderausschuss „Konsequenzen aus dem Amoklauf in Winnenden und Wendlingen: Jugendgefährdung und Jugendgewalt“. Und sie sind ihrem Auftrag bestmöglich gerecht geworden. Ihre Empfehlungen bleiben über diese Wahlperiode hinaus von Belang. Enquetekommissionen sind vorzüglich geeignet, den Einfluss der Parlamente substanziell auszuweiten und parlamentarische Kontrolle als politisches Controlling zu praktizieren. Das kostet Aufwand. Der aber lohnt sich. In dieser Wahlperiode haben wir es gesehen an der Enquetekommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“. Der 950-seitige Abschlussbericht ist ein riesiger Fundus an Erkenntnissen. Das Umsetzen hat bereits begonnen. Und der nächste Landtag ist verpflichtet, weiterzumachen. Angenommen, wir hätten vor sechs Monaten – angelehnt an das „Tor des Jahres“ der ARD-Sportschau – das „Thema der Wahlperiode“ gewählt: „Stuttgart 21“ wäre wohl am meisten genannt worden. Wenig hat uns häufiger beschäftigt, nichts war heftiger umstritten. Es kam zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses „Aufarbeitung des Polizeieinsatzes am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten“. Wir erlebten die „Schlichtung“ mit Heiner Geißler. Ein absolutes Novum – das auch den neuen Landtag in die Pflicht nimmt. Er muss erwägen, wie unsere parlamentarische Demokratie durch zusätzliche Schnittstellen hin zu den Bürgerinnen und Bürgern modernisiert werden kann. Demoskopische Erhebungen liefern inzwischen unterschiedliche Resultate bei der Frage nach den wichtigsten Problemen des Landes. Die einen vermelden, „Stuttgart 21“ sei unverändert vorn in der Rangfolge der Top-Themen. Den anderen zufolge haben Bildung, Energie, Umwelt, Wirtschaft mehr Belang für die individuelle Entscheidung am 27. März. Hören wir also genau hin, was die Wählerinnen und Wähler in welchem Ausmaß wirklich interessiert. Ich wiederhole mich gern: Unsere Bilanz ist respektabel. Von der Neuordnung des Abfallrechts über das Novellieren der Landesbauordnung, das Nichtraucherschutzgesetz, die Werkrealschule, den Verbraucherschutz, die Konzeption „Kultur 2020“ bis zum bevorstehenden Start der „Online-Petition“ – wir haben vieles voran und ins Ziel gebracht, das für unsere Bürgerinnen und Bürger und für unser Unternehmen Relevanz besitzt. Buchstäblich „bemerkenswert“ überdies: die Staatsverträge mit den beiden großen christlichen Kirchen sowie den Israelitischen Religionsgemeinschaften. Unsere wohl nachhaltigste Tat ist gewesen, dass wir der „Föderalismusreform II“ entschlossen vorausgegangen sind und unsere Landeshaushaltsordnung um eine „Schuldenbremse“ ergänzt haben. Der Schuldenstand am 31. Dezember 2007 als Obergrenze; neue Kredite nur in Ausnahmesituationen und nur mit einem siebenjährigen Tilgungsplan – unser „Königsrecht“ soll keine Lizenz mehr sein, zusätzliche Verbindlichkeiten aufzuhäufen. Das Krisenjahr 2009 mit dem dramatischsten Konjunktureinbruch offenbarte jedoch brutal, wie sehr wir auf eine florierende Wirtschaft angewiesen sind. Keine zusätzlichen Schulden – das setzt ausreichende Steuereinnahmen und erhebliche Sparanstrengungen voraus. Deshalb sollten wir auch in der nahen Endphase des Wahlkampfes einen Satz Manfred Rommels beherzigen: „Man kann gegen vieles Politik machen, bloß nicht gegen Adam Riese“. Mehr noch: Helmut Markwort, der frühere Chef-Redakteur des „Focus“, hat einmal in einer viel beachteten Rede herausgearbeitet, dass Politikerinnen und Politiker wie keine andere Gruppe sich selbst und ihr Tun ständig abwerten durch gegenseitige Beschimpfungen und das Unterstellen niedriger Motive. Wir schreiben Anfang März 2011. Und Wahlkampf heißt verschärfter Wettbewerb. Durch den Stil unserer Auseinandersetzungen beeinflussen wir die Akzeptanz der Politik insgesamt. Wir dürfen da keinen Raubbau treiben. Lassen Sie uns also jederzeit achtsam umgehen mit dem Grundkapital unserer Abgeordneten- und Regierungstätigkeit: mit unserem Ansehen! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, vor Jahren hieß eine Broschüre des Landtags „Politik von Menschen für Menschen“. Und diese zeitlos gültige Charakterisierung gilt namentlich für jene 29 von uns, die jetzt „mit Ansage“ zu den „Ehemaligen“ übertreten. Sie gilt aber ebenso für die vierzehn Kolleginnen und Kollegen, die im Laufe der vergangenen fünf Jahre ausgeschieden sind. Ich nenne stellvertretend nur unseren Ex-Alterspräsidenten Gustav-Adolf Haas. Und freue mich sehr, dass er von der Zuschauertribüne aus – hoffentlich zufrieden – beobachtet, wie wir die von ihm eröffnete Wahlperiode zu Ende bringen. Herzlich willkommen, lieber Kollege Haas!
Der Personalwechsel ist natürlich ein Jungbrunnen der Demokratie – allerdings mit einer zweiten Seite: Der Vitalisierung voraus geht ein Aderlass an Wissen, Erfahrung und Berechenbarkeit. Was abstrakt klingt, wird „super“ plastisch bei unserem bisherigen „Doyen“: also bei Ihnen, lieber Kollege Fleischer. Ihre 35 Jahre Laufzeit sind neuer Rekord. Ein Jahr mehr als Erwin Teufel und Wolfgang Daffinger. 35 Jahre MdL muten gewaltig an. Und der Schein trügt nicht. Sie, lieber Kollege Fleischer, waren beinahe in jedem politischen Feld zuhause. Und Sie haben immer tief gepflügt, wobei Sie klaren ordnungspolitischen Linien folgten. Als Ausschussvorsitzender und stellvertretender Fraktionsvorsitzender trugen Sie versiert parlamentarische Führungsverantwortung. Fast ein Alleinstellungsmerkmal ist, dass Sie in vier Ministerien als Staatssekretär amtierten. Als südbadischer Sportpräsident hatten Sie eine große gesellschaftliche Kraft im Rücken. Das verlieh Ihnen zusätzlich politische Statur. Es machte Sie – in der Diktion Heiner Geißlers – zu einem "MdL plus". Ihre konsequente Hartnäckigkeit in der Sache verbanden Sie stets mit charmanter, gediegener Höflichkeit im Umgang. Und stets in edlem Tuch gewandet, waren Sie zudem ein augenfällig elegant gekleideter Kollege. Über die Hälfte Ihres bisherigen Lebens gehörten Sie dem Landtag an – schon dieser Umstand sichert Ihnen unsere Hochachtung. Der Abschied aus dem Parlament verbindet. Unterschiede verschwimmen. Gleichwohl existiert eine Abstufung: Wer mehr als 30 Mandatsjahre hinter sich hat, dessen Verdienste um das Land werden von einem kleinen Goldrand geziert.
Idealtypisch zu sehen bei Ihnen, lieber Herr Minister Pfister. 1980 erstmals gewählt, widmeten Sie sich als gelernter Gymnasiallehrer und agiler parlamentarischer „Schaffer“ mit Affinität und Praxiswissen der Schulpolitik. Bald hatten Sie einen exzellenten Ruf. 1996 kürte Ihre Fraktion Sie zum Vorsitzenden. Organisator von Mehrheiten, Chef-Unterhändler bei grundsätzlichen Weichenstellungen im gesamten landespolitischen Spektrum und temperamentvoller Frontmann in den Generaldebatten – Sie bewährten sich rundum. 2004 reüssierten Sie zum Wirtschaftsminister. Mit Ihrer zupackenden, offenen Art kamen Sie nicht nur bei den Mittelständlern bestens an. Der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg hatte in Ihnen einen weltoffenen, gewinnenden und dennoch grundsoliden Repräsentanten. Was für den Kollegen Fleischer der Sport, das ist für Sie ein Musikinstrument: die Harmonika, die Sie virtuos spielen und um die Sie sich als Verbandspräsident kümmerten. Die wohltuenden Effekte des Musizierens auf Geist und Gemüt brachten Sie in der Politik zur Geltung: Sie waren ein außerordentlich sympathischer Kollege, der nicht nur zuvorkommend auftrat, sondern selbst in härtesten Auseinandersetzungen verbindlich blieb. Ihr Name steht bleibend für fundiertes Wirken und aufrichtige Kollegialität!
Als der Kollege Scheuermann 1988 und die Kollegin Vossschulte 1989 ihre Mandate antraten, gab es noch zwei deutsche Staaten, der Begriff „Globalisierung“ zählte tatsächlich noch zu den Fremdworten und das Internet war noch nicht frei zugänglich. Das offenbart, wie viel einschneidenden Entwicklungen sie sich stellen mussten. Sie, lieber Kollege Scheuermann, wurden zur – in jeder Hinsicht – unverwechselbaren Stimme Ihrer Fraktion in der Umwelt- und Verkehrspolitik sowie in der Medienpolitik. Sie etablierten sich als ständiger Impulsgeber des Regierungshandelns und als gestrenger Navigator des politischen Kurses. Für Ihre Überzeugungen stritten Sie konsequent – wohlgemerkt: auch in den eigenen Reihen. Dreimal schulterten Sie die Herkulesaufgabe, einen Untersuchungsausschuss zu leiten. Und Sie führten das „schärfste Schwert“ des Parlaments so gekonnt, dass es Resultate produzierte, ohne zu verschleißen. Da Sie es kurz und knackig mögen – sage ich schlicht: „Hut ab“ vor Ihren Leistungen als MdL! Pädagogin aus Berufung, Erfahrung als Ministerialbeamtin, Sprachklang einer Tagesschau-Sprecherin – schon diese drei Komponenten Ihres persönlichen Rüstzeugs, liebe Kollegin Vossschulte, befähigten Sie, als Nachrückerin rasch Fuß zu fassen. Stets profiliert und detailfest argumentierend, gewannen Sie allseits Akzeptanz. Davon zeugten Ihre Wahl zur stellvertretenden Landtagspräsidentin 2001 und Ihre Wiederwahl 2006. Auch als Vizepräsidentin „powerten“ Sie mit vollem Einsatz in den sachpolitischen „Maschinenräumen“ des Landtags – aktuell im Schulausschuss und jetzt im Europaausschuss. Daneben waren Sie für mich eine perfekte Vertreterin: jederzeit parat und sämtliche Aufgaben souverän bewältigend! Ob beim allgemeinen Präsidieren; ob bei den Routine-Tagesordnungspunkten am Schluss der Plenartage, deren Abspulen Sie sprechtechnisch in ein grandioses Finale verwandelten; ob am Rednerpult; ob als Gastgeberin bei Veranstaltungen – überall bewiesen Sie Stil und Esprit. Sie personifizierten die Würde des Hohen Hauses. Herzlichen Dank – speziell dafür!
In unserem Volkshandbuch symbolisieren Sterne neben unseren Namen, in der wievielten Wahlperiode wir dabei sind. So betrachtet, verabschieden sich nun gleich fünf renommierte „Vier-Sterne-Fachpolitiker“: die Kolleginnen Lazarus und Wonnay, die Kollegen Döpper und Heinz mit je 19 Mandatsjahren sowie der Kollege Behringer mit rund 17 Mandatsjahren. Sie, liebe Kollegin Lazarus, verkörperten eine ausgesprochen wichtige politische Legierung: Sie waren mit demselben Elan Bildungs- und Finanzpolitikerin. Beides schlüssig zu kombinieren, vermochten Sie nicht zuletzt deshalb, weil Ihnen als Studiendirektorin und als einflussreiche Fraktionsvorsitzende im Baden-Badener Gemeinderat niemand ein X für ein U verkaufen konnte. Die Kollegin Wonnay fehlt ja heute. „Hausfrau“ ließ sie unter „Beruf“ ins Landtagshandbuch drucken. Und diese Bezeichnung beinhaltete eine politische Kampfansage gegen hergebrachte Klischees. Vier Wahlperioden lang trat sie im Sozialausschuss für eine moderne Familien- und Frauenpolitik ein. Wenn sie Versäumnisse witterte, wurde sie zur streitbaren Lobbyistin für jene, denen eine Lobby fehlt. Fünf Jahre fungierte sie zusätzlich als stellvertretende Fraktionsvorsitzende.
Krankenkassenbetriebswirt – dieser Beruf prädestinierte Sie, lieber Kollege Döpper, für den Sozialausschuss. Und Sie bestätigten das in drei Wahlperioden. Ihre zweite politische „Mission“ fanden Sie im Petitionsausschuss, dem Sie ebenfalls seit 1992 angehörten und dessen Vorsitz Sie 2001 übernahmen. Sie verinnerlichten die Aufgabe, Treuhänder eines zentralen Grundrechts zu sein. Trotz der riesigen Fallzahlen ermüdeten Sie nicht. Jederzeit brachten Sie zweierlei in praktische Konkordanz: Ihren wohlwollenden Gerechtigkeitssinn und die Entschiedenheit, eine generell für richtig erachtete Linie im Einzelfall durchzuhalten. Besonderer Respekt und ausdrückliche Anerkennung dafür!
Die klassische württembergische Verwaltungsausbildung gilt im Schwäbischen als die einzig wahre Elite-Ausbildung. Aus gutem Grund – wie Sie brillant zeigten, lieber Kollege Heinz. Als 40-Jähriger kamen Sie in den Landtag; und da waren Sie schon über 10 Jahre Bürgermeister. Sie konnten also prompt viel einbringen: Ehrgeizige Sachkunde, abgeklärter Pragmatismus und eine soziale Ader prägten Sie als Innen- und Sozialpolitiker. Schön, dass Sie als DRK-Landesgeschäftsführer Württemberg weiterhin dem Gemeinwohl dienen.
Sie, lieber Kollege Behringer, waren in Ihrem Wahlkreis so präsent und so fest verwurzelt, dass Sie keinen Internet-Auftritt brauchten. Sie nahmen Bürgernähe wörtlich und praktizierten sie traditionell. Sie wollten nie das große Rad drehen – Sie wollten die richtigen Hebel betätigen. Und das ist Ihnen quer durch zahlreiche Ausschüsse gelungen. Sie rackerten pflichtbewusst, ohne um Aufsehen zu buhlen. Exemplarisch dafür: Ihre Bereitschaft zur Kärrnerarbeit im Petitionsausschuss. Acht Kolleginnen und Kollegen verabschieden sich mit Verdiensten aus 15 Jahren Mandatszeit in das „Leben nach dem Landtag“.
Sie, liebe Kollegin Lichy, wurden 1996 als Landtags-Novizin sofort Sozialstaatssekretärin. Diese doppelte Herausforderung meisterten Sie mit allen Qualitäten einer richtigen Unterländerin und erfahrenen Kommunalpolitikerin. Dass der Grad unseres Engagements nicht von „Ämtern und Würden“ abhängig sein darf, demonstrierten Sie in dieser Wahlperiode als Mitglied des Wissenschafts- und des Europaausschusses.
Sie, liebe Kollegin Netzhammer, zählten als führungsstarke Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses und als Mitglied des Finanzausschusses zu den einflussreichsten Akteuren im Parlament. Wirtschaftswissenschaftlerin, Wirtschaftspädagogin, zu Hause ein mittelständisches Familienunternehmen – Ihre sachpolitische Arbeit war authentisch und daher stringent.
Liebe Kollegin Rastätter, hört man Ihren Namen, hat man sofort Ihren jugendlichen Politikstil vor Augen. Frisch, ungeduldig, innovative Konzepte propagierend – so trugen Sie in der Bildungspolitik Substanzielles zu einer anspruchsvollen Parlamentsarbeit bei.
Sie, liebe Kollegin Rudolf, zieht es als studierte Politologin in die Wissenschaft. Sie können aber eineinhalb Jahrzehnte operative Politik mit großer Befriedigung bilanzieren. Ihre Erfahrung als Finanz- und Sportpolitikerin möge für Sie ein gutes Grundkapital sein im neuen Lebensabschnitt.
Sie, lieber Kollege Braun, setzen ebenfalls Ihre Schwerpunkte anders. Der Landtag wird Sie vermissen, weil Sie sich mit Unerschrockenheit und Ausdauer dem Kampf gegen den Extremismus widmeten und plausibel klarlegten, dass die Bildungspolitik dabei mit gefordert ist.
Lieber Kollege Hausmann, auch bei Ihnen: berufliche Neuorientierung statt des MdL-Daseins. Sie zeigten, wie wichtig es ist, dass echte Arbeitnehmervertreter im Landtag sind. Der sogenannte „Stallgeruch“ verleiht Sozial- und Arbeitsmarktpolitikern Autorität – und die hatten Sie.
Lieber Kollege Dr. Noll, Sie starteten 1996 als couragierter Sozialpolitiker, Sie waren von 2004 bis 2009 zusätzlich ein gekonnt agierender Fraktionsvorsitzender und jetzt verabschieden Sie sich im ursprünglichen Gewand als unverändert motivierter Sozialpolitiker. Deshalb gebührt Ihnen Hochachtung. „Chapeau“ vor Ihrem freisinnigen Gedankenreichtum, Ihrer reformbereiten Fachkompetenz und Ihrer menschlichen Größe selbst im Moment tiefer politischer Enttäuschung.
Lieber Kollege Oelmayer, wer Sie menschlich nicht mag und fachlich – jenseits aller Meinungsunterschiede – nicht schätzt, dem fehlt auch sonst Wesentliches im Leben. Mit dem herben Charme eines waschechten Ulmers, mit der positiv-trotzigen Sperrigkeit eines bekennenden Schwaben und mit einer Prise Freude am Unkonventionellen manifestierten Sie, dass gerade die Rechtspolitik einen intensiven Diskurs braucht – nicht zuletzt weil unsere Freiheitsrechte und Verfassungsnormen einst hart erkämpft werden mussten. Unsere schnelllebige Zeit lässt zehn Jahre im Nu verfliegen. Das mindert aber nicht den Respekt vor denen, die ihre Zeit, Kraft und Fähigkeiten zwei Wahlperioden in ein Landtagsmandat investiert haben.
Ich spreche von Ihnen, liebe Kollegin Queitsch: Auch Ihnen gelang der Spagat, Finanz- und Bildungspolitikerin zu sein. Und ich spreche
• von Ihnen, lieber Kollege Kaufmann, dem Experten für berufliche Bildung;
• von Ihnen, lieber Kollege Kübler, dem dynamischen, blitzgescheiten Vertreter der „Boom-Region“ Hohenlohe;
• vom Kollegen Reichardt, dem Beleg, dass ein passionierter Sohn Mannheims in Hockenheim geboren sein kann.
Bei den Kolleginnen Bormann, Neuenhaus und Dr. Unold sowie bei den Kollegen Bachmann, Ehret, Fischer und Palm steht künftig in ihren Lebensläufen, dass sie dem 14. Landtag von Baden-Württemberg angehört haben. Und alle sieben können gleichermaßen stolz sein auf diese Facette ihrer Vita angesichts ihrer ambitionierten Arbeit und ihres tadellosen Selbstverständnisses.
Gestatten Sie, dass ich einen heraushebe – nämlich Sie, lieber Kollege Palm. Ich möchte Ihnen noch einmal Hochachtung bekunden für die – fachlich und menschlich – beeindruckende Manier, mit der Sie den Sonderausschuss nach dem Amoklauf in Winnenden und Wendlingen leiteten. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich hätte über jede und jeden von Ihnen noch viel mehr Gutes sagen können. Doch selbst die ausführlichste Würdigung kann ein einfaches Wort nicht ersetzen: das Wort „Danke“. Ich sage Danke für Ihre Arbeit und für die unserem Land damit geleisteten Dienste. Ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, und Ihr zeitaufwendiges Engagement waren nicht selbstverständlich – und dürfen nicht als selbstverständlich betrachtet werden.
Von Goethe stammt der Satz: „Leider lässt sich eine wahrhafte Dankbarkeit mit Worten nicht ausdrücken.“ Auf diesen Befund unseres Dichterfürsten muss ich zurückgreifen, damit ich wenigstens in etwa beschreiben kann, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung und der Fraktionsstäbe Tag für Tag geleistet haben. 139 Abgeordnete sind allein noch kein funktionstüchtiges Parlament. Nichts ginge ohne unsere Belegschaft mit Herrn Landtagsdirektor Lochmann an der Spitze. Wir sollten den Menschen hinter den Kulissen des Landtags durch einen lebhaften Applaus dezidiert danken!
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Hinweis: Ein 13-seitiges PDF-Dokument mit statistischen Angaben über die Arbeit des 14. Landtags (Stand: 01.03.2011) kann in der Landtagspressestelle angefordert werden. E-Mail: franziska.weikert@landtag-bw.de
Anlage: Kurzbiographie Landtagspräsident Peter Straub