Landtagspräsident Wolf: Sophie Scholls politischen Mut und Schicksal vergegenwärtigen

Stuttgart. „Der Landtag steht heute im Zeichen des Weltfrauentags. Er beginnt ein Defizit zu beseitigen, dass nämlich die Sitzungssäle außerhalb des Bereichs der Fraktionen bislang nur nach männlichen Persönlichkeiten benannt sind“, erklärte Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) am Mittwochmittag, 19. März 2014, bei der feierlichen Umbenennung des Rittersaales im Stuttgarter Königin-Olga-Bau in Sophie-Scholl-Saal. „In diesem Raum sollen Sophie Scholl und das Vermächtnis ihres politischen Muts nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart sein“, so Wolf.

Sophie Scholl gehöre nach einer Allensbach-Umfrage zu den zehn wichtigsten Vorbildern der Deutschen. Unter ihnen gebe es nur eine weitere Frau, Mutter Theresa. Sophie Scholl sei vor elf Jahren mit besonderem Recht in die Walhalla der Deutschen aufgenommen worden. „Im Gedenken an alle, die gegen Unrecht, Gewalt und Terror des Dritten Reichs mutig Widerstand leisteten“, zitierte der Landtagspräsident den Text der Gedenktafel. „Sophie Scholl sollte gerade in der Gedenkkultur Baden-Württembergs den Platz einnehmen, der ihr gebührt. Denn ihr von geistiger Unabhängigkeit geprägtes Aufbegehren gegen Hitler, seine Verbrechen und seinen Krieg, ist und bleibt wegweisend“, betonte Guido Wolf.

Das Landtagspräsidium habe in seiner Sitzung am 18. Februar 2014 beschlossen, die Umbenennung des Rittersaales vorzunehmen. Nachdem der Königin-Olga-Bau an zwei Straßen angrenze, die mit Eugen Bolz und Claus Schenk Graf von Stauffenberg die Namen zweier Widerstandskämpfer gegen die Nazidiktatur tragen, sei das Präsidium übereingekommen, diesen Saal nach einem weiblichen Mitglied des Widerstands gegen die nationalsozialistische Zwangsherrschaft umzubenennen.

Wolfs besonderer Dank richtete sich an das Ulmer Museum, das extra für die Feierstunde das Original der Sophie-Scholl-Büste von Otl Aicher als Leihgabe zur Verfügung gestellt habe. „Ein Zweitguss ist in Auftrag gegeben. Florian Aicher, der Sohn des Künstlers und Rechteinhaber hat ohne zu zögern seine Genehmigung erteilt“, freute sich der Landtagspräsident darüber, dass diese neue Büste künftig den Sophie-Scholl-Saal schmücken wird.

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Hintergrund:

Sophie Scholl

*9.5.1921 Forchtenberg b. Öhringen, †(hingerichtet) 22.2.1943 München-Stadelheim,

Angehörige des deutschen Widerstandes (Weiße Rose)

Nach anfänglichem, jugendlich-begeistertem Engagement von Sophie und ihrem Bruder Hans in der „Hitlerjugend“ (gegen den Willen der Eltern) führte die Erfahrung mit der menschenverachtenden Ideologie und der Repression des Nationalsozialismus zur zunehmenden Distanz gegenüber dem Regime. Als Studenten in München schlossen sich die Geschwister mit Gleichgesinnten zum Widerstand gegen das NS-Regime zusammen. Ihr Widerstand manifestierte sich in insgesamt sechs „Flugblättern der Weißen Rose“. Am 22.2.1943 wurden Sophie und Hans sowie Christoph Probst vom Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler zum Tode verurteilt und am selben Tag hingerichtet.

(Quelle: Michael Kißener: Sophie Scholl, in: Neue Deutsche Biographie. Bd. 23, 2007, S. 445-446)

Büste von Sophie Scholl, gestaltet von Otl Aicher

Designer und Graphiker

*13.5.1922 in Ulm, †1.9.1991 in Günzburg

Otto (Otl) Aicher gehörte zum Freundeskreis der Familie Scholl. Er verweigerte den Beitritt zur Hitlerjugend und wurde nach Verhaftung der Geschwister Scholl von der Gestapo verhört.

1952 Heirat mit Inge Scholl, der Schwester von Sophie Scholl. Inge Aicher-Scholl und Otl Aicher gründeten u.a. mit Hans Werner Richter und Max Bill 1953 die renommierte Ulmer „Hochschule für Gestaltung“. Weltweiten Ruhm erntete Aicher als Gestaltungsbeauftragter der Olympischen Spiele 1972 in München. Seine dafür entworfenen Piktogramme sind inzwischen Allgemeingut geworden.

(Quelle: Munzinger Archiv; Deutsche Biografische Enzyklopädie, 2., überarb.u.erw.Ausg., Bd 1, 2005)