Landtagspräsidentin Aras: „Die EU muss Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip wirksam ahnden“
Stuttgart. Mit der Konferenz zur Zukunft Europas sollen die Weichen für die Zukunft der Europäischen Union gestellt werden. „Dazu gehört auch ein besserer Schutz vor Verstößen von Mitgliedstaaten gegen das Rechtsstaatsprinzip und die europäischen Werte“, betonte Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne). „Im EU-Vertrag sollte klargestellt werden, dass bei Vertragsverletzungsverfahren eine Vollstreckung von Zwangsgeldern auch gegen Mitgliedstaaten möglich ist, damit Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip wirksam geahndet werden können“, so Aras. Nach derzeitiger Vertragslage ist umstritten, ob eine solche Vollstreckung möglich ist. Daher habe ich die Vizepräsidentin der EU-Kommission Věra Jourová als Vorsitzende der Arbeitsgruppe ‚Werte und Rechte, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit‘ der Konferenz, gebeten, meinen Vorschlag nach Aufnahme in den EU-Vertrag aufzugreifen“, informierte Aras.
Anlass für die Initiative der Landtagspräsidentin, die Mitglied der Konferenz zur Zukunft Europas ist, ist die Weigerung der Regierung in Polen, vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens verhängte Zwangsgelder in Höhe von täglich einer Million Euro zu bezahlen. Diese Weigerung, die auch ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen betrifft, ist ein bislang einmaliger Fall. Die Zwangsgelder hat der EuGH im Oktober 2021 verhängt, nachdem es die Regierung in Polen abgelehnt hat, einer Anordnung des Gerichtshofs Folge zu leisten, die Disziplinarkammer beim polnischen Obersten Gerichtshof aufzulösen. Diese Kammer, die Richterinnen und Richter entlassen kann, verstößt, so der EuGH, gegen EU-Recht, da ihre Tätigkeit nicht mit der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar sei.
„Wenn eine Durchsetzung der Zahlungen nicht gelingen sollte, wäre dies ein einmaliger Vorgang, der nicht nur das Vertragsverletzungsverfahren leerlaufen ließe, sondern auch den Schutz der europäischen Werte“, legte Aras dar. Die Europäische Kommission will die Zwangsgelder mit Fördermitteln verrechnen, die für Polen vorgesehen sind. Rechtlich umstritten ist, ob eine solche Verrechnung zulässig oder als Zwangsvollstreckung einzuordnen ist. Eine Zwangsvollstreckung gegen Mitgliedstaaten sieht der EU-Vertrag nicht ausdrücklich vor. „Im Interesse eines wirksamen Schutzes des EU-Vertrages und der europäischen Werte spreche ich mich dafür aus, im EU-Vertrag ausdrücklich die Möglichkeit einer Zwangsvollstreckung gegen Mitgliedstaaten vorzusehen“, so Aras.
„Betonen möchte ich, dass ich die immense Leistung Polens bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine mit Hochachtung anerkenne“, sagte Aras. Der Schutz der Werte der Europäischen Union, die von allen Mitgliedstaaten beim Beitritt anerkannt wurde, bilde aber die Grundlage der Europäischen Union, die bewahrt werden müsse. „Wenn wir unsere gemeinsamen Werte nicht selbst vorleben und vor Verletzungen wirksam schützen, werden wir unglaubwürdig“, bemerkte Aras abschließend.