Landtagspräsidentin Aras: Wir müssen Europa gegen die Feinde der Demokratie verteidigen

Kehl/Stuttgart. Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) hat junge Europäerinnen und Europäer dazu aufgerufen, sich angesichts des Erstarkens demokratiefeindlicher und europaskeptischer Kräfte nicht entmutigen zu lassen. „Das gute Zusammenleben in Europa ist die Grundlage für unseren Wohlstand und dafür, dass wir in Frieden und Freiheit leben können. Wir dürfen nicht zulassen, dass Nationalismus und Populismus unser gemeinsames demokratisches Projekt Europa zerstören“, sagte Aras am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung der Landtagsreihe „Wertsachen – was uns zusammenhält“ in der Stadthalle Kehl. 

Unter dem Motto „Demokratie in Europa – von der Vision zum gelebten Miteinander“ waren Bürgerinnen und Bürger zu Podiumsdiskussion und Austausch nach Kehl eingeladen. Ein besonderer Fokus des Abends lag auf den Erwartungen und Wünschen von jungen Menschen in Europa. Im Rahmen der „Wertsachen“-Veranstaltung hatte Impulssprecher und Podiumsteilnehmer Martin Speer dazu am Donnerstagmittag Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse des Sozial- und Gesundheitswissenschaftlichen Gymnasiums Kehl zu einem Workshop begrüßt. 

Schülerin Julia Göbel fasste die Ergebnisse des Workshops auf dem Podium so zusammen: „Wir wollen als junge Europäerinnen und Europäer einbezogen werden und mehr mitbestimmen können, schließlich geht es um unsere Zukunft.“ Themen wie Frieden, Zusammenhalt, Geschlechtergerechtigkeit und Kampf gegen Fake News in sozialen Medien seien für junge Menschen besonders wichtig. Sie und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler erwarteten, dass die Politik den Forderungen mehr Gehör schenke.

Die rund 200 Gäste in der Stadthalle Kehl, darunter viele Schülerinnen und Schüler, erwartete ein vielfältiges Programm rund um europapolitische Fragen. Die Landtagspräsidentin eröffnete den Abend. Nach einem Grußwort von Wolfram Britz, Oberbürgermeister der Stadt Kehl, steuerte der Autor, Aktivist und Berater Martin Speer einen Impulsvortrag bei. Der Titel: „Eine Reise durch Europas Zukunft“. Speer wurde 2015 gemeinsam mit Vincent-Immanuel Herr durch seine Kampagne „FreeInterrail“ bekannt. Danach sollten alle EU-Bürgerinnen und Bürger zum 18. Geburtstag ein 30-Tage-Interrailticket geschenkt bekommen. 

„Die EU ist mehr als ihre Verträge und mehr als ein Wirtschaftsblock. Die EU ist – vor allem zwischen der Region Grand Est und Baden-Württemberg – längst gelebter Alltag. Zum Beispiel für 23.000 Menschen, die in Kehl täglich in beiden Richtungen über die Grenze pendeln“, so Aras in ihrer Begrüßung. An die Adresse junger Europäerinnen und Europäer sagte sie: „Wenn eure Generation jetzt sagt, dass ihr mehr Gehör verdient und einen festen Platz in der Diskussion, dann habt ihr Recht.“ Als Politikerin nehme sie sehr wohl wahr, dass junge Menschen heute viel politischer seien und sich mehr engagierten als noch vor wenigen Jahrzehnten. „Deshalb mein Appell: Bewahrt euch den Grundoptimismus, das Engagement und das Grundvertrauen in die Demokratie und Europa!“

Bei der Podiumsdiskussion tauschten sich Martin Speer und Julia Göbel mit Stephan Preiß, Kreisvorsitzender der Jungen Europäischen Föderalisten Kehl, und Jeanne Barseghian, Bürgermeisterin der Stadt Straßburg und Präsidentin des Eurodistrikts Strasbourg-Ortenau, über aktuelle europäische Herausforderungen und den Zustand der Demokratie in Europa aus. Barseghian äußerte sich kritisch darüber, dass aktuell acht Mitglieder des Schengenraums wieder Grenzkontrollen durchführen, darunter seit Mitte September Deutschland und ab 1. November auch Frankreich. Die Menschen beiderseits des Rheins spürten, dass dies für die EU „nicht die richtige Richtung“ sei. Mit Blick auf die erstarkenden euroskeptischen Kräfte sagte Barseghian, jene Kräfte, die Europa stärken wollen, müssten nun Koalitionen bilden.  

Moderiert wurde die Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung von der TV-Journalistin und langjährigen Auslandskorrespondentin Ute Brucker. Für den musikalischen Rahmen mit Rap-, Electro- und Dancehall-Klängen sorgte die deutsch-französische Band Zweierpasch. Im Anschluss an die Veranstaltung lud die Landtagspräsidentin zu einem Stehempfang.