Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler: Auseinandersetzung mit der Vergangenheit als Kompass für das Handeln im Hier und Jetzt

Stuttgart/Karlsruhe. Auf Initiative der Sektion Nordbaden des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ und der Stadt Karlsruhe hat der Künstler Gunter Demnig am Sonntagvormittag, 10. November 2013, vor dem Neuen Ständehaus in Karlsruhe zum Gedenken an elf badische Landtagsabgeordnete, die Opfer der NS-Diktatur wurden, eine Stolperschwelle verlegt. „Die Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit ist unumgänglich. Wir brauchen sie als moralischen Kompass für unser Handeln im Hier und Jetzt“, betonte Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler (SPD), Schirmherr der Gedenkveranstaltung.

Die rund 2.000 Mitglieder des überparteilichen Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ setzten sich bundesweit für Geschichtsbewusstsein, Demokratie und Zivilcourage ein, hob Drexler hervor. Mit seinem Stolpersteinprojekt und den zwischenzeitlich über 40.000 verlegten Stolpersteinen habe Gunter Demnig ein unvergleichliches Lebenswerk geschaffen. Damit erinnere er einerseits an die Gräuel der Nazi-Tyrannei, andererseits trage er das Gedenken in den öffentlichen Raum. „Gedenken wird erst dann zur Gedenkkultur, wenn es unseren Alltag durchdingt“, so der Landtagsvizepräsident.

An elf mutige, aufrechte Abgeordnete des badischen Landtags solle mit der Stolperschwelle vor dem Neuen Ständehaus Karlsruhe erinnert werden. Hermann Böning, Karl Grosshans, Josef Heid, Julius Helmstädter, Dr. Leopold Kullmann, Georg Lechleiter, Dr. Guido Leser, Dr. Ludwig Marum, Christian Daniel Nussbaum, Leopold Rückert und Georg Reinbold hätten sich nicht gleichschalten lassen. „Sie haben ihren Widerstand gegen die NS-Terrorherrschaft mit ihrem Leben bezahlt. Ihre Schicksale mahnen uns, dass Freiheit und Demokratie nicht auf Dauer garantiert sind. Wir müssen ihren Bedrohungen permanent und entschlossen begegnen“, so Drexlers Forderung.

Gesellschaft und Politik in Baden seien demokratiegeneigt gewesen, führte der Landtagsvizepräsident aus. „Die badische Verfassung von 1818 war seinerzeit eine Innovation. Sie enthielt einen beachtlichen Katalog bürgerlicher Rechte und hatte mit der zweiten Kammer den Prototyp unserer repräsentativen Demokratie geschaffen“, so Drexler. Deshalb hätten badische Landtagsabgeordnete 1919 schon an eine mehr als 100-jährige parlamentarische Tradition und an reichhaltige politische Erfahrungen anknüpfen können. Nach der Novemberrevolution 1918 sei der Übergang von der monarchischen zur republikanischen Staatsform in Baden schnell, reibungslos und unblutig verlaufen.

Im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung habe die badische Verfassung auf ein direkt vom Volk gewähltes und mit weitreichenden Befugnissen ausgestattetes Staatsoberhaupt verzichtet. Der badische Staatspräsident habe der Regierung angehört. Die Regierungen in Baden seien immer von breiten parlamentarischen Mehrheiten getragen worden, erläuterte Wolfgang Drexler. „Ein zentraler Erklärungsfaktor für die politische Stabilität in Baden war das Verhältnis der Parteien zueinander. Sozialdemokraten und liberale Parteien haben im badischen Großblock zusammengearbeitet.“ Letztlich sei die NSDAP auch im politisch stabilen Baden zur stärksten politischen Kraft aufgestiegen. Im Gegensatz zur Reichsebene habe die damalige Regierung in Baden, an vorderster Stelle die Minister Remmele, Wittemann und Maier sowie Staatspräsident Schmitt, versucht, mit aller Entschiedenheit den demokratischen Rechtsstaat zu verteidigen. „Das Ende der parlamentarischen Demokratie konnten sie indes nicht verhindern“, so Drexler.