Landwirtschaftsausschuss berät über Bedrohung durch die Schilf-Glasflügelzikade
Der Ausschuss für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch, 19. März 2025, unter dem Vorsitz von Martin Hahn (Grüne) auf Antrag der FDP/DVP mit der zunehmenden Ausbreitung der Schilf-Glasflügelzikade befasst. Im Mittelpunkt der Beratungen standen die Folgen für die Landwirtschaft sowie für die nachgelagerten Branchen in Baden-Württemberg.
Durch den Klimawandel werde die Vermehrung von Insekten wie der Schilf-Glasflügelzikade begünstigt. Laut dem Landwirtschaftsministerium stelle dieser Schädling eine erhebliche Gefahr für die Landwirtschaft dar, da er zwei Bakterienarten übertrage, die vor allem Zuckerrüben und Kartoffeln massiv schädigten. Die Folgen reichten von welkenden Blättern bis hin zum kompletten Absterben der Pflanzen, was zu erheblichen Ertragsausfällen führe. Beim Zuckerrübenanbau sei ein Rückgang des bereinigten Zuckerertrags pro Hektar um bis zu 50 Prozent festgestellt worden. Bei Konsumkartoffeln seien Ernteverluste von 30 bis 70 Prozent möglich. Zudem verschlechterten sich Lagerfähigkeit und Qualität der Kartoffeln, was im schlimmsten Fall zu einem vollständigen Ernteausfall führe, erklärte der Ausschussvorsitzende Hahn. Die finanziellen Folgen für Landwirte seien laut FDP/DVP dramatisch.
Ein Monitoring des Landwirtschaftlichen Technologiezentrums (LTZ) habe ergeben, dass alle relevanten Zuckerrübenanbaugebiete Baden-Württembergs betroffen seien – darunter 85 Prozent der 16.200 Hektar großen Anbaufläche im Einzugsgebiet der Südzucker-Fabrik in Offenau. Der Schädling sei zudem bei Rote Bete, Möhren, Rhabarber, Paprika, Rotkohl, Weißkohl und Chinakohl nachgewiesen worden. Beim Frischgemüse führe ein Befall häufig zu einem Totalausfall, während in der industriellen Verarbeitung erhebliche Ertragseinbußen auftreten würden. Qualität, Verarbeitbarkeit und Lagerfähigkeit der Produkte verschlechterten sich ebenfalls.
Der Ausschuss sei sich einig gewesen, dass gezielte Maßnahmen zur Eindämmung der Schilf-Glasflügelzikade notwendig seien. Dabei sei unter anderem der Einsatz von Insektiziden diskutiert worden, wie ihn verschiedene Agrarverbände forderten. Derzeit seien jedoch keine wirksamen Pflanzenschutzmittel gegen die Schilf-Glasflügelzikade in Deutschland zugelassen – unter anderem aufgrund der Vorgaben des Biodiversitätsstärkungsgesetzes, das eine Reduktion chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel vorsehe. Eine Entscheidung über eine mögliche Notfallzulassung werde laut Ministerium Anfang April erwartet.
Die FDP/DVP habe mehr Flexibilität im Biodiversitätsstärkungsgesetz gefordert und setze sich für eine schnelle Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ein. Die AfD habe betont, dass das Problem ohne eine solche Zulassung nicht gelöst werden könne. Die SPD habe erklärt, dass die Entwicklungen genau beobachtet und eine Entscheidung über eine Notfallzulassung entsprechend abgewogen werden müsse. Gleichzeitig dürfe die Strategie zur Reduktion von Pestiziden nicht grundsätzlich infrage gestellt werden.
Neben chemischen Pflanzenschutzmitteln seien weitere Bekämpfungsstrategien diskutiert worden. Forschungsergebnisse aus Bayern würden darauf hindeuten, dass eine Anpassung der Fruchtfolgen die Zikadenpopulation verringern könnte. Während die Grünen erklärt hätten, dass es im Zuckerrübenanbau oft keine Fruchtfolge gäbe, hätten Vertreter anderer Fraktionen dieser Aussage widersprochen.
Die FDP/DVP habe die Notwendigkeit intensiver Forschung zur Entwicklung effektiver Gegenmaßnahmen betont. Auch die CDU habe sich für verstärkte Forschung ausgesprochen, jedoch darauf hingewiesen, dass rasche Lösungen erforderlich seien. Die Grünen hätten auf vom Landwirtschaftsministerium geförderte Untersuchungen zur Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade ohne Pestizideinsatz verwiesen. Das Projekt „Vektoren im Ackerbau“ teste derzeit biologische Präparate und untersuche die Wirtseignung verschiedener Kulturen. Zudem laufe das Forschungsprojekt „Untersuchungen zu SBR und Stolbur mit Fokus auf die Vektoren in Baden-Württemberg“, das weitere potenzielle Überträger des Erregers identifizieren solle.
Als weitere Maßnahmen seien der Einsatz von Kulturschutznetzen, Biostimulanzien und Blattdüngern genannt worden. Mittelfristig könne auch die Züchtung resistenter Sorten eine wirksame Lösung sein, allerdings gebe es derzeit noch keine entsprechenden Varianten. Das Landwirtschaftsministerium habe abschließend betont, dass der Klimawandel eine kontinuierliche Anpassung der Pflanzenschutzstrategien erfordere und innovative Ansätze entwickelt werden müssten, um die Landwirtschaft nachhaltig zu schützen.