Mittelstandsförderung der Landesregierung im Fokus
Stuttgart. Der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch, 16. März 2022, mit dem Mittelstandsbericht 2021 der Landesregierung befasst. Weitere Themen waren Struktur und Zielgenauigkeit von Förderprogrammen des Landes für Unternehmen und die Novelle der sogenannten Beratungsrichtlinie, die am 1. Januar in Kraft getreten ist und laut Berichten aus der Wirtschaft zu mehr Bürokratie in Betrieben führt. Zum Mittelstand zählen laut dem Bericht, der auf rund 250 Seiten Zahlen und Fakten für die Jahre 2015 bis 2020 zusammenfasst, Betriebe mit weniger als 250 Beschäftigten. Sie stehen für 99 Prozent der insgesamt knapp 500.000 Unternehmen im Land und erwirtschafteten im Jahr 2019 mit 459 Milliarden Euro fast 40 Prozent aller hiesigen Unternehmensumsätze. Jeder zweite Baden-Württemberger ist bei einem mittelständischen Unternehmen angestellt – das sind 2,3 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.
„Der Mittelstand hat als Wirtschaftsmotor und Garant für Beschäftigung und Wachstum auch in den vergangenen Jahren einen entscheidenden Beitrag zum Wohlstand unseres Landes geleistet“, sagte Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut vor dem Ausschuss. Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Dr. Erik Schweickert (FDP/DVP) erklärte die Ministerin weiter, dass die Digitalisierung, die Transformation zu einer klimafreundlichen Wirtschaft sowie die Fachkräftesicherung zentrale Herausforderungen der kleinen und mittleren Unternehmen blieben. Dabei habe die Landesregierung die Betriebe im Zeitraum von 2015 bis 2020 mit insgesamt über einer Milliarde Euro unterstützt.
Das für den Mittelstand gravierendste Ereignis sei in den vergangenen Jahren die Corona-Pandemie gewesen, habe die Ministerin erklärt. „In einer gemeinsamen Kraftanstrengung“ sei es gelungen, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzumildern. Von März 2020 bis Ende Mai 2021 seien insgesamt 5,8 Milliarden Euro alleine in die Zuschussprogramme für Unternehmen und Selbstständige in Baden-Württemberg geflossen, davon mehr als 600 Millionen Euro aus Landesmitteln.
Grüne und CDU lobten den Mittelstandsbericht nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Dr. Schweickert. Die Regierungsfraktionen hätten zugesagt, kleine und mittlere Unternehmen weiter zu unterstützen. Die Grünen kündigten demnach an, sich für eine Nachschärfung der Förderprogramme in Richtung Ökologie einzusetzen. Die CDU sprach sich laut Dr. Schweickert dafür aus, angesichts der explodierenden Energiepreise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Betriebe schnell zu entlasten. Der Mittelstand kämpfe ums Überleben, habe die CDU gewarnt.
Vertreter von SPD und FDP/DVP kritisierten laut Dr. Schweickert, der Mittelstandsbericht sei über weite Strecken ein bloßer Tätigkeitsbericht des Wirtschaftsministeriums. Das reiche nicht. Die SPD bemängelte demnach, der Bericht zeige nicht auf, wie die zahlreichen Instrumente der Mittelstandsförderung weiterentwickelt werden können, beispielsweise auch mit Blick auf eine zu verbessernde Cybersicherheit. Genau dies sei aber der gesetzliche Auftrag, dem der Mittelstandsbericht genügen müsse. Die AfD habe sich dem angeschlossen, so der Ausschussvorsitzende Dr. Schweickert.
Auf Antrag der FDP/DVP diskutierte der Wirtschaftsausschuss zudem die Novelle der sogenannten Beratungsrichtlinie. Die Richtlinie regelt die Landesbezuschussung von Beratungsleistungen, die Kammern und Verbände insbesondere für Handwerksbetriebe und Freiberufler erbringen. Nach der neuen Fassung, die am 1. Januar 2022 in Kraft getreten ist, erhöhe sich der bürokratische Aufwand für die Nachfrager von Kleinstberatungen unverhältnismäßig, da eine Bagatellgrenze für Nachweispflichten nicht mehr vorgesehen sei, kritisierte die FDP/DVP unter Berufung auf Rückmeldungen aus der Wirtschaft nach Angaben von Dr. Schweickert.
Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut erklärte dazu nach Angaben des Ausschussvorsitzenden, ihr Haus habe sich gezwungen gesehen, eine entsprechende EU-Richtlinie umzusetzen. Sie sei selbst unzufrieden über die dadurch entstehende zusätzliche Bürokratie für die Unternehmen und wolle deshalb dafür werben, eine Bagatellgrenze einzuführen. Es werde aber wohl keine schnelle Lösung im Sinne der Betroffenen geben.
Ebenfalls auf Antrag der FDP/DVP befasste sich der Ausschuss mit Struktur und Zielgenauigkeit von Förderprogrammen für kleinere und mittlere Betriebe. Die Liberalen hatten dazu einen umfangreichen Fragenkatalog an das Ministerium gerichtet. Für die ausführlichen Antworten und die Auflistung von 73 Einzelprogrammen wurde Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut laut Dr. Schweickert von allen Fraktionen gelobt. Die Ministerin erklärte, dass die Programme ständig angepasst würden. Dabei orientiere man sich an den Bedürfnissen der Betriebe. Auf Nachfrage der SPD habe die Ministerin erklärt, dass die Programme ab 2023 auch durch externe Dienstleister evaluiert werden sollen.
Der Ausschussvorsitzende wies zum Abschluss der Sitzung darauf hin, dass die Mitglieder auf seinen Antrag nach §36 der Geschäftsordnung des Landtags hin seit dem 15. März das sogenannte Expo-Gutachten einsehen können. Auf dessen Grundlage hatte die Landesregierung Ende Januar in einem vertraulichen Bericht darüber informiert, ob das Land wegen seiner ungewollten Beteiligung an der Weltausstellung 2020 in Dubai Ansprüche gegenüber Dritten geltend machen könne.