Polizei prüft israelkritische Parolen bei Protesten im Südwesten auf strafrechtliche Relevanz

Stuttgart. Mehr als 65 Versammlungen und Veranstaltungen, die den Nahostkonflikt thematisierten und mehrheitlich pro-palästinensisch waren, hat es im Zeitraum zwischen 10. Juli 2014 und Mitte August in Baden-Württemberg gegeben. Hervorzuheben sind vor allem sechs Versammlungen in Stuttgart, zwei in Buchen, zwei in Freiburg und je eine in Heilbronn, Waldshut und Eppingen, bei denen israelkritische Parolen gerufen und Plakate mit entsprechenden Botschaften und bildhaften Darstellungen gezeigt wurden. Dies wurde bei der Beratung eines entsprechenden Antrags der SPD-Fraktion am Mittwoch, 24. September 2014, im Innenausschuss deutlich, wie der Vorsitzende des Gremiums, der SPD-Abgeordnete Walter Heiler, mitteilte. 

Nach Angaben Heilers sind die israelkritischen Äußerungen und Handlungen insbesondere innerhalb des Spannungsfeldes der freien politischen Meinungsäußerung und einer möglichen strafrechtlichen Relevanz in jedem Einzelfall zu prüfen und zu bewerten. Die Veranstaltungen im Südwesten seien überwiegend friedlich verlaufen. Jedoch habe es oft eine hohe Emotionalisierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegeben. In wenigen Ausnahmefällen hätten die verschiedenen Lager durch eine „Polizeikette“ getrennt werden müssen, um eine Eskalation zu verhindern, sagte der Ausschussvorsitzende. Neben versammlungstypischen Aktionen wie etwa verbalen Provokationen und Störversuchen mit Trillerpfeifen sei ein Vorfall in Stuttgart erwähnenswert: Hier seien von linksextremistischen Jugendlichen drei bis vier Plastikflaschen sowie mehrere Feuerzeuge in eine pro-palästinensische Demonstration geworfen worden. Als Reaktion darauf sei eine halbvolle PET-Flasche von den Demonstranten nach außen geschleudert worden.

Die Initiatoren und Teilnehmer der polizeilich bekannten Versammlungen und Veranstaltungen zum Nahostkonflikt können laut Heiler unterschiedlichen politischen Lagern und Volksgruppen zugeordnet werden. Teilweise sei es zu einem Zusammenschluss von Privatpersonen und Organisationen gekommen. Eine zweifelsfreie organisatorische Zuordnung von Äußerungen und Handlungen sei nicht immer möglich, aber unter Berücksichtigung der Gesamtumstände könnten die israelkritischen Parolen überwiegend Personen arabischer, insbesondere palästinensischer, sowie türkischer Herkunft zugeschrieben werden.

Wie der Ausschussvorsitzende ausführte, stand eine Vielzahl israelischer bzw. jüdischer Einrichtungen bereits vor dem Ausbruch des aktuellen Nahostkonflikts im Fokus polizeilicher Sicherheitsarbeit. Die Schutzmaßnahmen erfolgten seit Jahren auf einem hohen Niveau. Angesichts der Eskalation im Nahostkonflikt und der damit verbundenen gestiegenen Anzahl von Versammlungen im Südwesten sei lageorientiert die Anzahl der für den Objektschutz eingesetzten Kräfte erhöht bzw. die Überwachungsfrequenz an entsprechenden Einrichtungen intensiviert worden. 

Heiler zufolge lassen die derzeitigen Erkenntnisse keine sicheren Rückschlüsse auf mögliche Koalitionen der verschiedenen extremistischen Gruppierungen zu. Vereinzelt seien pro-palästinensische, aber auch pro-israelische Versammlungen von Linksextremisten besucht worden. In Mannheim hätten sich an einer von mehreren muslimischen Gemeinden durchgeführten Versammlung wenige Einzelpersonen beteiligt, die dem äußeren Anschein nach der rechten Szene zugeordnet werden könnten. Die Partei „Die Rechte“ habe auf ihrer Facebookseite einen Flyer veröffentlicht, in dem zur Teilnahme an dieser Demonstration aufgerufen worden sei. Einer von Rechtsextremen in Eppingen organisierten Versammlung hätten sich 20 türkische Jugendliche angeschlossen und teilweise in die skandierten Rufe mit eingestimmt. Eine Zusammenarbeit oder längerfristige Annäherung zwischen islamistischen und rechtsextremistischen bzw. islamistischen und linksextremistischen Gruppen, die im Antisemitismus einen gemeinsamen Kristallisationspunkt sehen, sei derzeit nicht erkennbar, betonte Heiler.