Präsident Straub: Landtag von Baden-Württemberg hält seine badischen Gene stolz in Ehren
Es gilt das gesprochene Wort!
Stuttgart. Zwei neue historische Handbücher, nämlich „Badischer Parlamentarismus 1819 bis 1870“ von Hans-Peter Becht und „Der Badische Landtag 1918-1933“ von Michael Braun, sind am Dienstagabend, 8. Juni 2010, im Stuttgarter Landtag vorgestellt worden. „Der Landtag von Baden-Württemberg hält seine badischen Gene stolz in Ehren“, betonte Landtagspräsident Peter Straub (CDU) bei der Präsentation der beiden im Auftrag der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien herausgegebenen Bände. Im Einzelnen führte Straub aus: >>Zunächst hoffe ich, Herr Professor Ritter, dass Sie als Ur-Berliner mein rhetorischer Auftakt nicht stört – Kurt Tucholskys Feststellung: „Der richtige Berliner stammt entweder aus Posen oder aus Breslau.“ Denn bei uns im deutschen Südwesten gilt Ähnliches: Die einstigen Vorderösterreicher sind besonders eingefleischte Badener. Das sehen Sie an mir: Als alteingesessener Waldshuter rufe ich gerne in Erinnerung: „Musterländle“ – der Begriff ist keine schwäbische Schöpfung. Weder sprachlich noch inhaltlich. Die Badener bezeichneten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts so. Und das mit Fug und Recht. Baden war auch politisch das „Musterländle“: Der moderne Verfassungsstaat und die parlamentarische Demokratie entwickelten sich hier vorbildlich. Ebenso: der bürgerlich-sperrige Freisinn und der Selbstbehauptungswille eines föderalen Gliedstaates. 58 Jahre nach der Gründung Baden-Württembergs stellen sich selbst waschechte Schwaben freudig in diese Tradition. Wir sind eine staatspolitische Erbengemeinschaft! Und die badische Geschichte im 19. Jahrhundert und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ist keine Erblast. Sie ist – buchstäblich – ein Erbgut. Anders formuliert: Der Landtag von Baden-Württemberg hält seine badischen Gene stolz in Ehren. Nicht nur an Jubiläen lassen wir uns beseelt leiten von Goethes bekanntem Satz: „Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt.“ Auch heute Abend schwelgen wir in diesem Glück. Zumal es uns ungewöhnlich stark durchströmt. Denn wir können gleich zwei frisch erschienene Monografien würdigen.
Zwei Meisterstücke, die das Gütesiegel der „Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien“ tragen. Zwei wissenschaftliche Bravourleistungen,
- die den Erkenntnisstand nicht bloß abrunden,
- die vielmehr Lücken schließen, weil sie durch Forschen, Zusammenfügen und Verdichten wesentlichen Zugewinn erzeugt haben.
Ich freue mich deshalb sehr, dass die Einladung zu dieser Doppel-Buchvorstellung eine Gemeinde von wahren Kennern zusammengeführt hat. Und ich begrüße Sie alle, meine Damen und Herren, auf das Herzlichste zu einem Abend, dessen Rang dadurch ersichtlich wird, dass ihn die „Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien“ mit veranstaltet. Die „Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien“ ist gleichsam das Nobelpreis-Komitee für politisch-zeitgeschichtliche Veröffentlichungen. Angebotene Schriften müssen eine durchdringende fachliche Begutachtung bestehen. Nur nach einem vorbehaltlos positiven Votum werden sie mit dem Ehrentitel „Handbuch der Geschichte des deutschen Parlamentarismus“ geadelt und als akademische Crème de la Crème publiziert.
Die „Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien“ festigt und befruchtet die geistige Kultur Deutschlands auf singuläre Weise. Sie leistet unersetzliche Beiträge zur gemeinsamen Aufgabe aller Demokraten, dem gefährlichen Mangel an Wissen über das Werden und Wachsen unserer Demokratie Substanzielles entgegenzusetzen. Die „Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien“ existiert seit fast sechs Jahrzehnten. Gedrucktes, das ihr Signet trägt,
- stiftet Identifikation,
- relativiert tagespolitische Verwirrungen
- und sichert so die Wertschätzung der Demokratie und ihrer Institutionen.
Kurzum: Dieser Abend wird einerseits den geistigen Appetit anregen und andererseits bereits für sich genommen sehr nahrhaft sein.
Die „Stars“ sind fraglos die Bücher, die auf ihre Präsentation warten. Aber neben ihnen stehen ihre „Väter“:
- Herzlich willkommen, Herr Privatdozent Dr. Becht! Ihnen verdanken wir die Darstellung „Badischer Parlamentarismus 1819 bis 1870 – Ein deutsches Parlament zwischen Reform und Revolution“.
- Und: Herzlich willkommen, Herr Dr. Braun! Ihr jüngstes „Kind“ heißt: „Der Badische Landtag 1918 bis 1933“.
Natürlich möchte ich der offiziellen Laudatio nicht vorgreifen. Mir ist es aber ein Anliegen, Ihnen beiden schon vorab Respekt und Anerkennung zu bekunden für Ihre Werke und für die Leidenschaft, die Sie in das jeweilige Thema investiert haben.
- Sie, Herr Dr. Becht, als renommierter Stadtarchivar der leider oft unterschätzten Stadt Pforzheim
- und Sie, Herr Dr. Braun, als Mitarbeiter der „Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte“
beweisen wieder eindrucksvoll Ihren wissenschaftlichen Impetus und Ihre elanvolle Bereitschaft, sich neuen Herausforderungen zu stellen – mit Passion und zugleich mit wägender Distanz.
In Ihren Büchern berichten Sie exakt und doch so, dass wir Heutigen uns beim Lesen einleben, ja einfühlen und automatisch Bezüge zum Jetzt herstellen. Das Interesse wächst unwillkürlich mit jeder Seite. Etwas Besseres kann man als Laie über Sachbücher kaum sagen. Wohlgemerkt: als Laie! Fach-Kapazitäten, die zudem Virtuosen des unterhaltsam-geistreichen Vortrags sind, vermögen selbstverständlich ein viel helleres Licht auf das gelungene Schaffen zu werfen und die Details punktgenau auszuleuchten. Schon aus diesem Grund heiße ich
- Sie, Herr Professor Ritter,
- und Sie, Herr Professor Langewiesche,
mit Hochachtung willkommen. Sie, Herr Professor Ritter, sind einer der angesehensten Geschichtswissenschaftler Deutschlands. Eine Autorität. Nestor der deutschen Sozialgeschichtsforschung. Sie lehrten hauptsächlich in Berlin, Münster und München. 2007 wurden Sie für Ihr breites Arbeitsspektrum und für Ihre imponierende Publikationsliste mit dem „Deutschen Historikerpreis“ ausgezeichnet. Sie vertreten heute Abend die „Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien“. Das ist für uns eine Ehre. Und ein Genuss angesichts Ihrer Eloquenz eines bekennenden Berliners. Weshalb ein Diskurs von Ihnen über Kurt Tucholsky und dessen Meinung zum „richtigen Berliner“ ebenfalls ein intellektueller Leckerbissen wäre.
Apropos: Intellektueller Leckerbissen. Den angekündigten nahrhaften Hauptgang darreichen werden Sie, Herr Professor Langewiesche, als Laudator. Sie sind gewissermaßen der Günther Jauch unter den Top-Historikern:
- unübertroffen im eigenen Metier;
- ein Perpetuum mobile, das sich nicht abnutzt;
- ein scharfsinnig-humorvoller Sympathieträger;
- Experte für die Geschichte des Nationalismus und des Liberalismus;
- Träger – unter anderem – des Leibniz-Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft;
- fast ein Vierteljahrhundert lang einer der profiliertesten Lehrstuhlinhaber an der Universität Tübingen.
Herzlichen Dank Herr Professor Langewiesche, dass Sie vom geografischen Mittelpunkt Baden-Württembergs in dessen politischen Mittelpunkt herübergekommen sind. Wie gesagt: Die „Stars“ sind die Bücher. Ihre Bücher, Herr Dr. Becht und Herr Dr. Braun. Und für diese „Stars“ den „roten Teppich“ verbal auszurollen, ist mir ein Vergnügen gewesen.<<