Präsidentin Aras: „Beeindruckendes ehrenamtliches Engagement ist Einsatz für unsere Demokratie“

Stuttgart. „Ich bin schwer beeindruckt vom ehrenamtlichen Engagement vieler Menschen, die sich in bemerkenswerter Weise für unsere Demokratie, für unsere Gesellschaft einsetzen. Die Gedenkstättenarbeit ist enorm wichtig, denn Verdrängen ist keine Lösung. Nur wenn wir alle genau hinsehen, wenn wir verstehen, was damals geschah, wie und warum es geschah, nur dann können wir uns wehren gegen Rassismus, gegen Rechtsextremismus und gegen Antisemitismus.“ So lautet das Fazit von Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) nach Abschluss ihrer Gedenkstättenreise 2020. Ihre Tour durch Nordwürttemberg führte sie zum Auftakt am Montag, 27. Juli, in die Zentrale Stelle in Ludwigsburg und in die ehemalige Synagoge in Affaltrach und am 28. Juli 2020 in die KZ-Gedenkstätte Hessental sowie in das Rabbinatsmuseum Braunsbach.

Aras freut sich, dass im Landtag große Einigkeit darüber besteht, wie wichtig Gedenkstättenarbeit ist. Dieser Dank drücke sich nicht nur in Würdigung der Arbeit aus, sondern auch in monetärer Wertschätzung. „Der Landtag hat die Mittel für die Arbeit der rund 70 Gedenkstätten im Land von 220.000 Euro im Jahr 2011 auf 2,2 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2021 erhöht“, so die Präsidentin. Gedenkstätten sind Aras zufolge heute wichtiger denn je. „Wer unsere Demokratie, unser Grundgesetz, unsere politische Kultur verstehen will, der muss sich mit der Ideologie des Nationalsozialismus und seinen Folgen beschäftigen. Die Grundwerte unserer Verfassung sind eine Reaktion auf unermessliches Leid, menschenverachtende Gewalt, Unterdrückung und Vertreibung. Eine Reaktion des ‚Nie wieder‘. Daran müssen wir festhalten und dazu brauchen wir Gedenkstätten.“

Ihre Gedenkstättenreise habe ihr wieder einmal vergegenwärtigt, dass die Gedenkstätten oftmals zunächst gegen den Widerstand der Menschen vor Ort zu kämpfen hatten, so etwa in Affaltrach. Auf Initiative von Bürgerinnen und Bürgern, mit Heinz Deininger an der Spitze, ist heute mit dem Museum in der ehemaligen Synagoge ein Ort des Erinnerns, der Begegnung und des Austauschs geschaffen worden. „Mit Konzerten, Filmen und Kinderprogrammen wird ein Stück jüdische Kultur wieder sichtbar gemacht und bereichert so unsere Gesellschaft“, betont Aras.

Folker Förtsch und weitere Mitglieder der Initiative KZ-Gedenkstätte Hessental e.V. begrüßen die Delegation der Landtagspräsidentin in Schwäbisch Hall-Hessental. Regelmäßig werden dort öffentliche Führungen und Informationsveranstaltungen angeboten. Um diese durchzuführen, müssen die Ehrenamtlichen meist Urlaub nehmen. „Das beschäftigt mich schon, dass Engagierte ihren Urlaub einbringen, um Gedenkstättenarbeit zu leisten“, so Landtagspräsidentin Muhterem Aras. „Es ist eine Sache, über das nationalsozialistische Prinzip der Vernichtung durch Arbeit zu lesen. Es ist aber etwas ganz Anderes, an dem Ort zu stehen, an dem das Prinzip verwirklicht wurde, auf den Fotos in die Gesichter zu blicken und die Namen der Opfer zu lesen“, betont sie. Die Arbeit der Engagierten könne nicht hoch genug geschätzt werden. „Sie zeigen, was war, damit es nie wieder geschieht. Sie zeigen Schatten, damit wir das Licht verstehen, das Licht wertschätzen.“

„Die heute noch sichtbaren, zahlreichen Verflechtungen von jüdischer und christlicher Kultur sind ein Symbol für friedliches Zusammenleben, Toleranz und gegenseitige Achtung bevor Rassendenken der NS-Ideologie das Zusammenleben vergiftete“, sagt Landtagspräsidentin Muhterem Aras im Rabbinatsmuseum Braunsbach. Dort stehen Elisabeth M. Quirbach (Erste Vorsitzende von Kultur im Rabbinat Förderverein e.V.), Hans K. Schulz (Schriftführer) sowie Hans Hennerich für anregende Gespräche zur Verfügung und geben Einblicke in ihre ehrenamtliche Tätigkeit. Sie nehmen die Delegation mit auf einen kurzen Spaziergang auf dem Jüdischen Kulturweg Hohenlohe-Tauber. Eine breit verankerte, in die Zukunft weisende Erinnerungskultur ist für die Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg mitentscheidend bei der Gestaltung unserer Gesellschaft. „In Gedenkkultur steckt immer die Herleitung unserer Werte“, zeigt sich Aras überzeugt.

Zum Auftakt ihrer Reise stattete Aras der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg einen Besuch ab. „Der Umgang mit Tätern und deren Verfolgung ist ein wesentlicher Teil der Aufarbeitung und Konfrontation mit unserer Geschichte“, sagt Muhterem Aras. Sie berühre vor allem die Frage: „Wie gehen wir mit unserer Geschichte in Zukunft um, wenn nicht nur Zeitzeugen, sondern auch Täter verstorben sind?“ Thomas Will (erster Staatsanwalt) berichtet, dass die Zentrale Stelle zunächst gar nicht gern in Ludwigsburg gesehen wurde, gar als Schandfleck bezeichnet wurde. Die Zentrale Stelle hat die Erinnerungskultur entscheidend geprägt. Sie ist auch ein Beleg für den Reifeprozess unserer Demokratie. Dieses Wissen braucht auch in Zukunft einen Ort, an dem heutige und künftige Generationen sich mit der deutschen Geschichte und ihren Lehren auseinandersetzen können. Davon ist auch Landtagspräsidentin Aras überzeugt.