Präsidium regelt Rededauer für Plenarsitzungen

Besonders wichtige Debatten künftig ohne Zeitlimit Grundlage: Erfahrungen aus insgesamt vier Versuchsreihen Stuttgart. Auf seiner Sitzung am Dienstagabend, 18. März 2003, hat das Präsidium des Landtags von Baden-Württemberg einvernehmlich beschlossen, dass künftig für Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung die Redezeiten im Plenum frei gegeben werden. Für die übrigen Debatten werden Zeitvorgaben im bisherigen Umfang festgelegt. Grundlage für diese Entscheidung waren Erfahrungen, die der Landtag in insgesamt vier entsprechenden Versuchsreihen sammelte. Die Neuregelung – sie geht auf einen Vorschlag von Landtagspräsident Peter Straub zurück - wird bereits ab der nächsten Plenarsitzung am 26. März 2003 umgesetzt. Wie der Landtagspräsident am Mittwoch, 19. März 2003, in Stuttgart erläuterte, hat das Parlament seit April 2002 vier verschiedene Redezeitmodelle getestet. „Gemäß einem Beschluss des Präsidiums wollten wir erproben, ob und wie eine zu starre und unflexible Debattenkultur vermieden werden kann“, so Straub. Zunächst habe es acht Plenarsitzungen ohne jegliche Redezeitbegrenzung gegeben. Gegenüber dem bislang üblichen Zeitkontingent habe die Freigabe der Redezeit die Sitzungen im Durchschnitt um lediglich 45 Minuten verlängert. „Von einer Ausuferung der Debattierfreude kann also nicht die Rede sein“, sagte Straub. „Die Gefahr, dass Themen wiederholt werden oder ein Sachverhalt diskutiert wird, bei dem es gar nicht oder nur am Rande um Landespolitik geht, ist bei völlig freier Redezeit jedoch vorhanden“. Gleiches gelte für das vierfach erprobte Modell mit ganztägigen Fraktionskontingenten. Feste Redezeiten zu jedem Punkt und zusätzliche, gestaffelte Fraktionskontingente von je 15 bis 20 Minuten pro Tag sind an zwei Versuchstagen im Dezember 2002 eingeräumt worden. Für die Übernahme dieses Modells als Dauerlösung hatte sich die SPD in der Präsidiumssitzung am 18. März 2003 stark gemacht, aber keine Mehrheit gefunden. Nach Ansicht Straubs ergab dieser Versuch in der praktischen Auswirkung keine Vorteile gegenüber ganztägigen Fraktionskontingenten. „Vielmehr gestaltete sich die Abwicklung für Präsident und Verwaltung sogar sehr aufwendig“, meinte der Präsident. In den letzten vier Plenarsitzungen sei ein weiteres Experiment erfolgt: das Präsidium habe für die einzelnen Tagesordnungspunkte in der Regel Redezeiten festlegt, die Zahl der Redner aber nicht beschränkt; bei Tagesordnungspunkten von besonderer Bedeutung sei auf eine Redezeitbegrenzung und eine fixe Zahl der Redner verzichtet worden. „Eine Auswertung der gesamten Testphase zeigt, dass sich der letzte Versuch besonders bewährt hat“, resümierte der Landtagspräsident. Die neue Regelung zeichne sich durch eine einfache, praktische Handhabung aus. Gleichzeitig gewinne der Landtag bei der Gestaltung der Debatten mehr Flexibilität. Das Parlament könne gezielt Schwerpunkte setzen. Einzelne Themen könnten so umfassender und verständlicher dargestellt und lebendiger debattiert werden. Ohne Zeitdruck könnten die Parlamentarier ihre Argumente und Thesen ausführlicher vortragen und spontaner auf die Äußerungen ihrer Vorredner eingehen. „Im Übrigen“, betonte Straub, “bleiben bei dem jetzt beschlossenen Modell Ablauf und Dauer einer Plenarsitzung einigermaßen berechenbar.“ Für welche Tagesordnungspunkte freie Redezeit gilt, bestimmt jeweils das Präsidium. Die Grundredezeit bei sonstigen Tagesordnungspunkten ist in der Regel auf fünf Minuten je Fraktion bemessen, kann allerdings vom Präsidium im Einzelfall je nach Aktualität und Bedeutung einer Debatte erweitert bzw. gestaffelt werden. Regierungsvertretern gesteht die Landesverfassung zu, zu allen Punkten ohne Redezeitbeschränkung zu sprechen.