Rückmeldeverfahren und Stichtagsregelung kritisch auf dem Prüfstand
Stuttgart. Über das sogenannte Rückmeldeverfahren für Corona-Soforthilfen hat der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus in seiner Sitzung am Mittwoch, 19. Januar, diskutiert. 245.000 Unternehmen hatten im Frühjahr 2020 Soforthilfen beantragt. Das Land hatte die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel nach dessen Vorgaben ausgezahlt. Die L-Bank muss nun prüfen, ob Rückzahlungen erforderlich sind, weil Unternehmen womöglich besser als ursprünglich von ihnen selbst erwartet durch die Frühphase der Pandemie gekommen sind. Der Ausschuss diskutierte ausführlich die Ausgestaltung und Notwendigkeit des Rückmeldeverfahrens. Im Mittelpunkt stand die Kritik von Wirtschaftsvertretern und der Opposition, dass das Rückmeldeverfahren eine fragwürdige Stichtagsregelung für die Unternehmen in Baden-Württemberg vornehme würde, während andere Bundesländer hier den Unternehmen deutlich mehr entgegenkommen würden. Somit würde der baden-württembergische Weg die Verwerfungen auf Grund des Lockdowns 2020 in den Unternehmen vor Ort nicht adäquat abbilden. Darüber hinaus würden die Unternehmen nun unnötig unter Druck gesetzt werden, obwohl die Pandemie weiter andauere.
Auf Antrag von SPD und FDP/DVP thematisierte der Wirtschaftsausschuss das Rückmeldeverfahren. Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) nannte in der Sitzung nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Dr. Erik Schweickert (FDP/DVP) aktuelle Zahlen zum Stand des Verfahrens. Bis zum 16. Januar – an diesem Tag endete die Rückmeldefrist – hätten sich demnach rund 177.000 Unternehmen im Land bei der L-Bank rückgemeldet, rund 88.000 von ihnen hätten einen Rückzahlungsbedarf angegeben. Rund 80.000 Unternehmen hätten sich dagegen bislang noch nicht gemeldet.
Die Ministerin habe betont, dass es zwei verschiedene Verfahren und damit zwei verschieden Rückmeldefristen gäbe, die voneinander zu unterscheiden seien.
Bei der ersten Frist handelt es sich um den Zeitpunkt, bis wann die Unternehmen ihre aktuellen Stammdaten melden mussten. Ursprüngliches Fristende sei hier der 19.12.2021 gewesen. Nach großer Kritik aus der Wirtschaft wurde diese Frist dann von der Wirtschaftsministerin auf den 16.01.2022 verschoben. Dr. Hoffmeister-Kraut habe erklärt, sie habe sich noch im alten Jahr bei der neuen Bundesregierung für eine weitere Fristverlängerung eingesetzt. Darauf habe sie aber bisher keine Antwort erhalten.
Bei der zweiten Frist, bis zu der die Landesregierung einen Bericht vorlegen und etwaige Rückforderungen an die Unternehmen stellen muss, habe Dr. Hoffmeister-Kraut gegenüber der Bundesregierung erfolgreich eine Verlängerung erreicht. Der Abschluss des Gesamtverfahrens sei nun erst zum 31.12.2022 vorgesehen. Die Ministerin habe in diesem Zusammenhang dem Ausschussvorsitzenden versichert, dass etwaige Bescheide in Baden-Württemberg so spät wie möglich versendet werden.
SPD und FDP/DVP zeigten sich nach Angaben des Ausschussvorsitzenden nicht überzeugt von den Ausführungen der Ministerin. Zwar sei es zu begrüßen, dass die Frist bezüglich der Versendung der Rückzahlungsbescheide nun verlängert werden konnte, hätten beide Fraktionen erklärt. Das eigentliche Problem seien jedoch die für die Unternehmen ungünstigen Vorgaben in Baden-Württemberg, wie ein etwaiger Rückzahlungsbedarf zu berechnen sei.
Laut Dr. Schweickert kritisierten beide Fraktionen, dass Baden-Württemberg hier anders vorgehe als andere Bundesländer. Es gehe zu Lasten der Unternehmen, wenn der Liquiditätsengpass – wie in Baden-Württemberg vorgesehen – erst für die drei Monate nach dem Zeitpunkt der Antragsstellung berechnet werde. Es habe Antragsteller gegeben, die ihre Notlage zunächst aus eigener Kraft meistern wollten und die die Soforthilfe entsprechend erst später beantragten. Damit wurden die frühen Umsatzausfälle nicht berücksichtigt, schilderten SPD und FDP/DVP nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Dr. Schweickert das Problem eindringlich. Andere Bundesländer würden hier eine andere Auslegung der Stichtagsregelung vornehmen und somit den Unternehmen deutlich entgegenkommen. In diesen Bundesländern können die Unternehmen teilweise einen großen Zeitraum des Lockdowns auch vor dem Datum der Antragsstellung in die Berechnung mit einfließen lassen.
Die AfD-Fraktion schloss sich der Kritik weitgehend an, wie der Ausschussvorsitzende berichtete.
Die Wirtschaftsministerin zeigte sich laut Dr. Schweickert von der Kritik der Opposition unbeeindruckt. Die gesetzlichen Vorgaben seien nach ihrer Interpretation unmissverständlich, habe sie vor dem Ausschuss erklärt. Es gebe für sie keine anderen Auslegungsmöglichkeiten.
Die Fraktionen der Grünen und der CDU unterstützten Dr. Hoffmeister-Kraut nach Angaben des Vorsitzenden. Die Ministerin habe alle sich bietenden Chancen genutzt, um den Unternehmen entgegenzukommen. Die Handhabung der Stichtagsregelung in anderen Bundesländern können sie nicht bewerten.
Weitere Themen in der Sitzung waren – unter anderen – die Vermarktung heimischer Produkte im Baden-Württemberg-Haus auf der Expo 2020 in Dubai, die Zukunft von Einzelhandel und Innenstädten angesichts der Digitalisierung sowie die Finanzierung von StartUp-Unternehmen.