Schulausschuss befasst sich mit Gutachten zur Lage und Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit
Stuttgart. Wie sich die Kinder- und Jugendarbeit zum Ausbau ganztägiger Bildungsangebote verhält und ob sie insbesondere im ländlichen Raum zum Entstehen lokaler und regionaler Bildungslandschaften beitragen kann ist eine Schlüsselfrage der Zukunft. Diese Ansicht vertritt Prof. Dr. Thomas Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut München in seinem Gutachten „Lage und Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit in Baden-Württemberg“, das er am Mittwoch, 19. Januar 2011, im Schulausschuss des Landtags vorgestellt hat. Schwerpunkte seines Vortrags aber auch der sich anschließenden Diskussion waren nach Angaben des Ausschussvorsitzenden, des SPD-Abgeordneten Norbert Zeller, Fragen zur Verdichtung der Jugendphase, zur bildungs- und sozialpolitischen Indienstnahme, zur finanziellen Ausstattung sowie zum Verhältnis professioneller und ehrenamtlicher Kinder- und Jugendarbeit. „Die Perspektiven der Kinder- und Jugendarbeit hängen nicht nur von Faktoren wie etwa der demografischen Entwicklung im nächsten Jahrzehnt ab, sondern zugleich von einer Reihe von Entscheidungen und Entwicklungen, die durch Politik, Forschung und Wissenschaft sowie die Kinder- und Jugendarbeit selbst gezielt beeinflusst werden können“, führte Rauschenbach aus. Vor dem Hintergrund der in dem Gutachten für Baden-Württemberg vorgenommenen einschlägigen Analysen, Bilanzierungen und Prognosen formulierte er verschiedene Empfehlungen. So muss seiner Auffassung nach die zukünftige Rolle der Kinder- und Jugendarbeit in Baden-Württemberg fachlich wie politisch geklärt werden. Dabei müsse sich entscheiden, ob sie künftig stärker als allgemeine Gestaltungsaufgabe des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen in öffentlicher Verantwortung verstanden werde oder ob sie weiterhin ein familien- und schulergänzendes, unverbundenes Angebot für eine ausgewählte Zielgruppe junger Menschen bleibe. Wolle die Kinder- und Jugendarbeit zu einem verlässlichen und selbstverständlichen Akteur im Prozess des Aufwachsens aller Kinder und Jugendlichen werden, wie dies für die Kindertageseinrichtung, die Schule oder die berufliche Ausbildung seit langem der Fall sei, dann müsse sie sich dazu neu positionieren. Sofern sie ihr Selbstverständnis auch künftig lediglich auf die Unterstützung jener jungen Menschen ausrichte, die von sich aus den Weg in die verbandliche und offene Jugendarbeit fänden, müsse sie damit rechnen, dass von Heranwachsenden, aber auch von der Politik andere Antworten auf die Herausforderungen der Neugestaltung des Aufwachsens im 21. Jahrhundert gefunden werden. Nach den Worten Rauschenbachs muss die Kinder- und Jugendarbeit in Zukunft stärker in die Mitverantwortung und Mitgestaltung der ganztägigen Angebote im Rahmen der Ganztagesschulen eingebunden werden. Dazu müsse sie allerdings auch organisatorisch und personell in die Lage versetzt werden. In den ländlichen Regionen solle die Kinder- und Jugendarbeit aufgrund der demografischen Entwicklung, der veränderten Lebensbedingungen und der Erfordernisse regionaler und lokaler Bildungslandschaften ihre Beteiligung an den Bedingungen des Aufwachsens verstärken, im Sinne einer lebenswerten und attraktiven Zukunft. Formen der Ehrenamtlichkeit und Prinzipien der Selbstorganisation und Partizipation müssen Rauschenbach zufolge erhalten werden. Eine stabilere berufliche Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements vor Ort sei wünschenswert. Auch auf die Zunahme unterschiedlicher soziokultureller und religiöser Milieus wies der Wissenschaftler hin. Ziel müsse es sein, Angebotsformen und Strategien zu entwickeln, die es ermöglichten, auch jene Kinder und Jugendlichen anzusprechen und zu integrieren, die nicht von vorneherein einen Zugang zu den vorhandenen Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit hätten. Dabei könne auch die Nutzung neuer Medien durch die Kinder- und Jugendarbeit in wachsendem Maße eine Rolle spielen.
Die politische Akzeptanz der Kinder- und Jugendarbeit sollte laut Rauschenbach erhöht werden, zum Beispiel durch einen landesweiten Kinder- und Jugendarbeitsatlas, durch eine kontinuierliche Berichterstattung über die Kinder- und Jugendarbeit in Baden-Württemberg sowie durch eine nachhaltige Verbesserung der Datenlage in diesem Bereich. Hinsichtlich der finanziellen Unterstützung der Kinder- und Jugendarbeit solle eine transparente und leistungsgerechte, landesbezogene Förderung über den Landesjugendplan angestrebt werden. In diesem Zusammenhang schlug Rauschenbach vor, die unterschiedlichen Fördertöpfe auf Landesebene zusammenzuführen sowie zusätzliche Förderprogramme für die Kinder- und Jugendarbeit als Partner lokaler und regionaler Bildungslandschaften im ländlichen Raum zu schaffen.