Sozialausschuss befasst sich mit Corona-Ausbrüchen in Seniorenheimen

Stuttgart. Der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Migration hat in einer öffentlichen Sondersitzung am Montag, 17. Januar 2022, über die Todesfälle im Zusammenhang mit Corona in zwei Seniorenheimen im Landkreis Rastatt beraten. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) wurde zum aktuellen Stand der Impfkampagne insbesondere in Pflegeeinrichtungen befragt. Ausschussvorsitzender Florian Wahl (SPD) sprach angesichts der vergleichsweise niedrigen Quote bei Pflegeheimbewohnern mit Auffrischungsimpfung von besorgniserregenden Zahlen.

Die öffentliche Sondersitzung des Sozialausschusses wurde von den Fraktionen der Grünen, CDU, SPD und FDP/DVP beantragt, nachdem sich Sozialminister Lucha in der vergangenen Woche an den Ausschuss gewandt hatte, um über die gegenwärtige Lage in Rastatt und weiteren Pflegeeinrichtungen zu berichten. „Diesen proaktiven Informationsansatz begrüßen wir“, betonte der Ausschussvorsitzende Florian Wahl. Zu Beginn der Sondersitzung rief Wahl die teils in Präsenz anwesenden, teils digital zugeschalteten Ausschussmitglieder zu einer Schweigeminute im Gedenken an die Verstorbenen auf.

Bei einem Corona-Ausbruch im Rastatter Pflegeheim Haus Paulus hatten sich nach Angaben des Landratsamts Rastatt über 50 der 85 Bewohner und mehrere Mitarbeiter mit dem Coronavirus angesteckt, berichtete der Ausschussvorsitzende. 13 Senioren seien im Zusammenhang damit gestorben, der Ausbruch sei aber noch nicht vorüber. Keiner der Verstorbenen hätte eine Auffrischungsimpfung erhalten. „Die Bewohner von Pflegeheimen sind ganz oben auf der Liste der besonders zu schützenden Gruppen, daher können die von der Presse veröffentlichten Zahlen sehr beunruhigen“, so Wahl. Bisher seien etwa zwei Drittel der Pflegeheimbewohner in Baden-Württemberg zum dritten Mal geimpft, das entspräche ungefähr den Impfquoten der über Sechzigjährigen in der Gesamtbevölkerung.

Sozialminister Lucha schilderte in der Sitzung zunächst die Chronologie der Ereignisse in dem Rastatter Pflegeheim sowie zudem die Lage mit Blick auf einen weiteren Corona-Ausbruch in einer Pflegeeinrichtung in Gaggenau, ebenfalls im Landkreis Rastatt, mit insgesamt sieben infizierten Bewohnern und einem Todesfall. Während im Haus Paulus nur 55 Prozent der Bewohner und 25 Prozent der Beschäftigten die Boosterimpfung erhalten hätten, seien in Gaggenau 76 Prozent der Bewohner und 61 Prozent der Beschäftigten zum dritten Mal geimpft gewesen. „Diese Zahlen stehen leider exemplarisch für die Heterogenität der Pflegeeinrichtungen bei der Impfquote“, so der Minister. 

Solange es keine allgemeine Impfpflicht gebe, liege die Entscheidung, das Impfangebot wahrzunehmen, bei den Betroffenen oder deren rechtlichen Vertretern, betonte Lucha. Die Pflegeeinrichtungen im Land seien seit September 2021 bereits mehrfach über die Möglichkeit der Inanspruchnahme mobiler Impfteams sowie über weitere Impfangebote informiert worden, etwa 85 Prozent der Einrichtungen hätten auf Nachfrage der Heimaufsicht keine Schwierigkeiten bei der Organisation von Impfterminen für die Bewohner gemeldet.

Die SPD kritisierte nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Wahl die deutlich niedrigere Quote an Auffrischungsimpfungen in baden-württembergischen Pflegeeinrichtungen im Vergleich zu anderen Bundesländern. Diese könne nicht nur mit der Verweigerung der Impfung durch einzelne Bewohner oder Angehörige begründet werden, sondern ließe auch auf Fälle von fehlenden Impfangeboten schließen. Es dürfe nicht bei reinen Appellen bleiben, die Verantwortung des Sozialministeriums bei der Verbesserung der Impfquote in Pflegeeinrichtungen sei weitreichender.

Die FDP/DVP sprach die Notwendigkeit einer verbesserten Datengrundlage bei der Erfassung von Impfquoten bei Bewohnern wie Beschäftigten von Pflegeeinrichtungen an. Der Rastatter Fall zeige auf, dass die Impfquote in Pflegeheimen allgemein zurückhänge. Zudem müsse erörtert werden, inwiefern eine einrichtungsbezogene Impfpflicht zu Engpässen im Personalplan führen könne. Hier bestehe die Gefahr der Schließung einzelner Pflegeeinrichtungen, um die Betreuung in anderen weiter gewährleisten zu können.

Die AfD betonte, dass bei der Corona-Impfung nach wie vor auf freiwillige Angebote gesetzt werden solle, auch im Pflegebereich und bei vulnerablen Gruppen. Sie warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft, wenn die Bedenken von Menschen, die einer Impfung skeptisch gegenüberstehen, nicht ernstgenommen würden.

Sozialminister Manfred Lucha hob in der Diskussion das große Engagement der örtlichen Behörden hervor, sprach aber auch von Binnendynamiken in einigen Pflegeeinrichtungen, die die Impfbereitschaft senken könne: Ein digital zugeschalteter Vertreter des Landratsamts Rastatt deutete diesbezüglich Probleme insbesondere bei zwei Wohnbereichen der betroffenen Einrichtung in Rastatt an.