Sozialausschuss diskutiert neue Wege der ärztlichen Versorgung in der Fläche
Stuttgart. Der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Integration hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch, 16. Juli 2025, mit der Sicherstellung der flächendeckenden ärztlichen Versorgung und innovativen Versorgungsformen wie den sogenannten Primärversorgungszentren befasst. Das berichtete der Ausschussvorsitzende Florian Wahl (SPD).
Auf Initiative der FDP/DVP thematisierte der Ausschuss innovative Gesundheitslösungen auch vor dem Hintergrund drohender Versorgungsengpässe durch den Wegfall von Standorten des ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). Die Liberalen hatten dazu zwei Anträge mit vielen Fragen rund um die Zukunft der flächendeckenden ärztlichen Versorgung im Land gestellt. Unter anderem erkundigten sie sich danach, wie die Landesregierung innovative ärztliche Versorgungsmodelle in kommunaler Trägerschaft unterstützt, darunter die sogenannten Primärversorgungszentren (PVZ).
Aus den Antworten des Sozialministeriums geht hervor, dass als PVZ medizinische Einrichtungen bezeichnet werden, die wie erste Anlaufstellen bei gesundheitlichen Fragestellungen fungieren. Sie bieten präventive, gesundheitsfördernde, kurative, pflegerische, rehabilitative und palliative Maßnahmen an. Im Zentrum stehen jeweils eine hausärztliche Praxis und ein interdisziplinäres Fall-Management unter Rückgriff auf verschiedene Gesundheitsberufe, die insbesondere Patienten und Patientinnen mit chronischen und mehrfachen Erkrankungen zu Behandlungsschritten beraten und Menschen generell beim Zugang in das Gesundheitssystem unterstützen.
Weiter geht aus den Antworten des Sozialministeriums hervor, dass im Rahmen von insgesamt drei Förderaufrufen aus den Jahren 2019, 2020 und 2022 durch das Ministerium bislang 29 Projekte in ganz Baden-Württemberg gefördert wurden mit dem Ziel, PVZ und PVZ-Netzwerke aufzubauen. Die Projekte wurden demnach in erster Linie in ländlichen Gebieten und häufig in Kommunen mit absehbaren oder bestehenden medizinischen Versorgungsengpässen durchgeführt. Insgesamt seien in den drei Förderaufrufen 4,95 Millionen Euro bewilligt und 4,36 Millionen Euro tatsächlich ausgezahlt worden.
Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Florian Wahl sprachen sich die Liberalen in der Sitzung dafür aus, Städten und Landkreisen bei der Unterstützung und Erprobung von neuen Versorgungsmodellen möglichst freie Hand zu lassen. PVZ wiesen in die richtige Richtung, doch Modelle wie Hausärztliche Primärversorgungszentren (HÄPPI-Praxis) oder Patientenorientierte Zentren (PORT-Praxis) seien ebenfalls zukunftsträchtig, auch wenn der Bundesgesetzgeber für diese Modelle bisher noch keine Grundlage geschaffen habe. Das müsse dringend geschehen.
Die Grünen äußerten laut Wahl, es gebe kein Wissensdefizit, sondern es hapere an der Umsetzung, eben weil die gesetzliche Fundierung durch den Bund fehle. Das HÄPPI-Konzept könne eine bessere Gesundheitsversorgung in der Fläche antreiben, wenn es erlaubt sei, bestimmte ärztliche Tätigkeiten an nicht-ärztliche Berufe zu delegieren. Das sei überfällig. Die CDU zeigte sich nach Angaben des Ausschussvorsitzenden ebenso überzeugt von den neuen Praxiskonzepten, haben den Blick aber zudem auf Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in genossenschaftlicher Trägerschaft gelenkt. Diese seien auch vielversprechend.
Die SPD habe erklärt, neue sektoren- und berufsübergreifende Versorgungsmodelle müssten schneller in der Fläche ankommen. In Deutschland werde zu viel geredet und zu wenig gehandelt. Vielleicht bringe die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), die ja aus Baden-Württemberg stamme, neuen Schwung. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) bedauerte nach Angaben des Ausschussvorsitzenden, dass sich Warkens Amtsvorgänger Karl Lauterbach (SPD) nicht dazu habe durchringen können, die im Südwesten getesteten neuen Versorgungsmodelle ordnungs- und leistungsrechtlich abzusichern. Er hoffe auf einen Stimmungsumschwung durch die neue Amtskollegin im Bund. Stelle dieser sich ein, sei der Südwesten gut aufgestellt.