Sozialausschuss erörtert die Lage von Menschen mit HIV

Stuttgart. Mit der aktuellen Situation von HIV-positiven Menschen im Südwesten befasste sich der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Integration in seiner Sitzung am Mittwoch, 26. Januar 2022. Weiteres Thema waren queerfeindliche Entwicklungen in Polen und mögliche Auswirkungen auf die Zusammenarbeit Baden-Württembergs mit der polnischen Woiwodschaft Lodzkie.  

Auf Antrag der SPD befasste sich der Ausschuss mit der Lage von HIV-positiven Menschen. Die Sozialdemokraten wollten in Erfahrung bringen, wie sich die Infektionszahlen und die Versorgungssituation der Betroffenen unter den Bedingungen der Corona-Pandemie entwickelt haben. Dazu hatten sie einen umfangreichen Fragenkatalog an das Sozialministerium geschickt. 

Die SPD zeigte sich nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Florian Wahl (SPD) von der Antwort des Ministeriums enttäuscht. Die Datenlage sei insgesamt als „mindestens bedauerlich“ zu bezeichnen, hätten die Sozialdemokraten kritisiert. Dies gelte nicht zuletzt für die laut einer Schätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) rund 900 unerkannten HIV-Infektionen im Land. Es errege Besorgnis, dass dem Landesgesundheitsamt selbst dazu keine Zahlen vorliegen und es lediglich Schätzungen aus Berlin gebe.

Nach Angaben des Hauses von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) liegen zur aktuellen Versorgungssituation ebenfalls keine genauen Daten vor. Eine Erhebung beispielsweise der Zahl der von den Gesundheitsämtern im Land vorgenommenen HIV-Tests sei auch nicht vorgesehen. Stichproben legten jedoch den Schluss nahe, dass es seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 zu einem Einbruch bei Testungen und Beratungen durch die Gesundheitsämter gekommen ist. Das entspräche auch dem bundesweiten Trend. 

Auch zu der Frage, wie viele Menschen angesichts der Pandemie nicht oder nicht angemessen therapiert werden, liegen dem Ministerium demnach keine genauen Daten vor. Auffallend sei allerdings für 2020, dass nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) schätzungsweise 10.500 Menschen im Südwesten mit einer HIV-Infektion lebten, aber nur 9.420 Menschen in den Genuss einer antiretroviralen Therapie kamen, so das Ministerium.  

Mit Blick auf die Entwicklung der HIV-Neuinfektionen im Land verweist das Sozialministerium auf Modellrechnungen, über die das RKI regelmäßig berichtet. Demnach geht die Zahl neuer Infektionen bereits seit 2016 langsam zurück. 2020 sollen es schätzungsweise 210 gewesen sein, 30 weniger als 2019. Welche Rolle die Pandemie bei diesem jüngsten Rückgang spielt, sei unklar. Die verminderten Testungen könnten zu Buche schlagen und einen Teil des Rückgangs nur vortäuschen, so das Ministerium.

Angesichts der in der Pandemie ausgesetzten Testungen hätte das Ministerium bei den Gesundheitsämtern nachhaken müssen, bemängelte die SPD nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Wahl. Die SPD habe weiter kritisiert, dass Kassenpatienten die HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) nur bei spezialisierten Ärzten als Kassenleistung erhalten können.

Die Grünen lobten nach den Worten von Wahl die Bemühungen der Landesregierung im Kampf gegen das HI-Virus. So seien die Mittel für die Aids-Hilfen, die hervorragende Arbeit leisteten, zuletzt nahezu verdoppelt worden. Dem Dank der Grünen an die Aids-Hilfen schlossen sich CDU, SPD und FDP/DVP an.         

Mit den queerfeindlichen Entwicklungen in Polen befasste sich der Sozialausschuss auf Antrag der Grünen. Sie wollten vom Sozialministerium wissen, wie sich die LSBTTIQ-feindlichen Beschlüsse in Polen insbesondere auf die bestehende bilaterale Kooperation des Landes mit der Woiwodschaft Lodzkie auswirken. Nach Angaben des Ministeriums gibt es auf Landesebene sowie auf kommunaler Ebene vielfältige Kontakte mit der Region rund um die drittgrößte Stadt Polens, Lodz. Allerdings stagnierten die Partnerschaftsbeziehungen mit der Woiwodschaft seit den polnischen Kommunalwahlen 2018. Der neue Marschall der Woiwodschaft habe die Abteilung für Auswärtiges aufgelöst, das erschwere die Kooperation. 

Die Entwicklung in Polen, wo sogenannte LSBTTIQ-freie Zonen eingerichtet werden, habe zuletzt Staatsministerin Theresia Schopper a. D. im März 2021 gegenüber dem polnischen Generalkonsul Jan Maciej Makiewicz angesprochen, so das Ministerium. Minister Lucha betonte nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Wahl in der Sitzung, die Landesregierung teile und unterstütze die Auffassung des Europäischen Parlaments, dass LSBTTIQ-Personen überall in der EU Freiheit genießen müssen. 

Dem Ministerium liegen keine Angaben darüber vor, ob es auch in der Woiwodschaft Lodzkie sogenannte LSBTTIQ-freie Zonen gibt. Der Umgang dort mit LSBTTIQ-Personen gebe gleichwohl Anlass zur Besorgnis. Es gebe aber auch Lichtblicke. So habe das Regionalparlament im vergangenen Herbst eine „Anti-LGBTI-Resolution“ zumindest abgeschwächt. 

Die Grünen dankten laut Wahl der Landesregierung für ihr entschiedenes Eintreten für die Rechte von LSBTTIQ-Personen. CDU, SPD und FDP/DVP hätten sich ebenfalls bedankt. SPD und FDP/DVP hätten das Land zudem ermuntert, sich dafür einzusetzen, Polens Haltung zu bedenken, wenn es um die Verteilung von EU-Mittel gehe. Die AfD habe dagegen erklärt, es sei besser, für die Akzeptanz gemeinsamer europäischer Werte zu werben statt Druck aufzubauen.