Sozialausschuss thematisiert Prostitution in Baden-Württemberg

Stuttgart. Der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Integration hat in seiner Sitzung am Mittwoch, 12. Juni 2024, auf Antrag der CDU die derzeitige Situation von Prostituierten in Baden-Württemberg beleuchtet. Insbesondere diskutiert wurde die vom Bund durchgeführte Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes. Das hat der Ausschussvorsitzende Florian Wahl (SPD) mitgeteilt.

Die Antragsteller hatten beim Sozialministerium die Zahl der Angebote sexueller Dienstleistungen in Baden-Württemberg seit 2017 schriftlich erfragt. Hintergrund ist das Prostituiertenschutzgesetz, welches im Juli 2017 in Kraft trat. Es habe erstmals
umfassende Regelungen für das Prostitutionsgewerbe geltend gemacht, mit dem Ziel, die in der Prostitution tätigen Personen besser vor Gewalt zu schützen. 

Dem Ministerium zufolge habe sich Prostitution seit den pandemiebedingten Schließungen der Bordellbetriebe in den Jahren 2020 bis 2023 zunehmend in den schwer kontrollierbaren privaten Bereich verlagert. Die Anzahl der Wohnungs-, Straßen- und Hotelprostitution sei gestiegen. Die Anbahnung erfolge häufig über das Internet oder Vermittlungsplattformen. Dadurch habe sich die Gefahr von gewaltsamen Übergriffen und Unsicherheit für Menschen in der Prostitution erhöht. Laut Wahl seien sich die Ausschussmitglieder fraktionsübergreifend darüber einig gewesen, dass die Situation in Deutschland mehr als besorgniserregend sei, insbesondere mit Blick auf einen potenziell noch stärkeren Anstieg illegaler Prostitution während der Fußball-Europameisterschaft 2024. „Es besteht dringender Handlungsbedarf, um Prostituierte besser zu schützen und Menschenhandel zu bekämpfen“, so Wahl. 

Die Antragsteller erfragten ebenso die Entwicklung der Zahl der Gewalttaten seit Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes. Die Polizeiliche Kriminalstatistik der Polizei Baden-Württemberg zeige, dass die Anzahl der Straftaten mit 194 Straftaten im Jahr 2023, im Vergleich zum Vorjahr mit 155 Fällen, um 25,2 Prozent gestiegen sei und damit einen neuen Höchststand erreiche, gab Wahl die Antwort von Ministeriumsseite wieder. Die Mehrheit der Fälle seien Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit. Mehr als ein Viertel der Taten seien Körperverletzungsdelikte. 

Ein Vertreter des Innenministeriums habe im Ausschuss bestätigt, dass von einem hohen Dunkelfeld der illegalen Prostitution im Land auszugehen sei. Zu den Präventionsmaßnahmen zählten u.a. regelmäßig gezielte Personen- und Objektkontrollen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Beratungsstellen, Behörden und polizeilichen Fachdienststellen. Die polizeiliche Präsenz im Rotlichtmilieu zur Aufhellung der Dunkelziffer sei unabdingbar, habe Staatssekretärin Dr. Ute Leidig (Grüne), in Vertretung des Sozialministers Manfred Lucha (Grüne), im Ausschuss erklärt. In Baden-Württemberg bestehe ein gewachsenes Angebot von Fachberatungsstellen für Menschen in der Prostitution, für Betroffene von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und häusliche sowie sexualisierte Gewalt. Dazu zähle die Beratungsstelle „Amalie“ für Frauen in der Prostitution, der Opferhilfeverein WEISSER RING oder das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“. 

Ausschussmitglieder von Regierungs- und Oppositionsfraktionen erkundigten sich laut Wahl bei Dr. Leidig nach ersten Zwischenergebnissen der Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes durch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. (KFN) im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. „Die Evaluation ist ein breit angelegter Prozess, um komplexe Zusammenhänge zu verstehen“, gab Wahl die Antwort der Staatssekretärin wieder. Sie habe im Juli 2022 begonnen und soll bis spätestens Juli 2025 mit Vorlage des Berichtes beim Deutschen Bundestag abgeschlossen werden. Erst dann könne die Landesregierung eine wissenschaftlich basierte Bewertung der Wirksamkeit vornehmen sowie Schlussfolgerungen daraus ziehen, so die Staatssekretärin. Zur Diskussion könnte dann etwa das Nordische Modell für Prostitution stehen, indem ein Sexkaufverbot gelte und somit die Kunden von Prostituierten kriminalisiert werden.