Sozialausschuss unterstützt neue Wohnformen für pflegebedürftige Menschen

Stuttgart. Auf Antrag der SPD-Fraktion befasste sich der Ausschuss für Soziales und Integration des Landtags in seiner Sitzung am Donnerstag, 24.September 2020, mit der Weiterentwicklung neuer Wohnformen für pflegebedürftige Menschen. Fraktionsübergreifend wurden dabei Modellprojekte begrüßt, die die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung durchbrechen, berichtete der Ausschussvorsitzende Rainer Hinderer (SPD). Nun komme es darauf an, diese Modellprojekte auch in die Regelversorgung zu überführen, damit möglichst viele Menschen von den neuen Ansätzen profitieren können.

Als besonders gelungenes Beispiel für neues Denken in der Pflege stellte der Antrag das Modellvorhaben Ambulantisierung der Hausgemeinschaften der BeneVit Holding in Wyhl vor. Das dortige Pflegekonzept unterscheidet zwischen stationären Grund- und ambulanten Wahlleistungen. Letztere umfassen überwiegend individuelle und frei wählbare Leistungen für die pflegebedürftigen Menschen wie zum Beispiel Körperpflege und Wäscheversorgung. Diese Leistungen können vom hauseigenen ambulanten Pflegedienst von BeneVit, von einem externen Pflegedienst und von Angehörigen erbracht werden. Die Wahlfreiheit gilt als eine wesentliche Ursache für die nachgewiesen hohe Zufriedenheit der pflegebedürftigen Menschen im Modellprojekt. 

Die SPD-Vertreter verwiesen in der Ausschusssitzung nach Angaben des Vorsitzenden Rainer Hinderer darauf, dass das Wyhler Modellprojekt landesweit auf reges Interesse stoße. Mehrere Nachahmer stünden bereits in den Startlöchern. Deshalb komme es nun darauf an, dieses und weitere vergleichbare Modellprojekte möglichst bald im Sozialgesetzbuch XI (Soziale Pflegeversicherung) zu fundieren. Da dies auf sich warten lasse, verweigerten einige Pflegekassen die Kostenübernahme für einen Betrieb in der Regelversorgung. Die SPD-Fraktion habe Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) aufgefordert, entsprechend auf die Bundesregierung einzuwirken, damit diese das SGB XI rasch anpasse, sagte Hinderer.

Vertreter der Regierungsfraktionen wie auch der Opposition lobten nach Angaben Hinderers die vorgestellten Modellprojekte mit dem Ziel, die bisher starren Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung aufzubrechen. Minister Lucha stellte in der Sitzung ebenfalls klar, dass er die Modellprojekte wie bisher nach Kräften unterstützen werde. Es brauche eine möglichste „breite Palette“ an Wohnformen in der pflegerischen Versorgung, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und Bedarfen der Menschen gerecht zu werden. Von Seiten des Landes seien alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt, um Modellprojekte wie in Wyhl in den Regelbetrieb zu überführen. Er werde beim Bund auf eine Änderung des SGB XI drängen und sich auch in der Gesundheitsministerkonferenz für dieses Ziel einsetzen. Zugleich verwies der Minister darauf, dass die soziale Pflegeversicherung auch finanziell neu aufgestellt werden müsse, weil eine bessere Versorgung der Menschen personalintensiver und damit teurer sei.

Ebenfalls auf Antrag der SPD-Fraktion erörterte der Ausschuss für Soziales und Integration den Stand der Umsetzung des Landespflegestrukturgesetzes. Es sieht unter anderem vor, Modellvorhaben zur kommunalen Beratung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen einzurichten. Das Stichwort lautet: Modellkommunen Pflege. In den betreffenden Kommunen sollen Angebote rund um Themen wie beispielsweise Altenhilfe, Hilfe zur Pflege, Eingliederung, Wohnen und rechtliche Betreuung gebündelt werden. Die SPD-Fraktion habe die Frage aufgeworfen, ob Sozialminister Lucha bei den Kommunen ausreichend für das Vorhaben werbe, berichtete der Ausschussvorsitzende Rainer Hinderer. Diese Frage scheine berechtigt, da sich bisher keine Kommune gemeldet habe, um Modell zu stehen.

Die FDP/DVP-Fraktion habe in diesem Zusammenhang die Vermutung geäußert, dass den Kommunen das Programm schlicht nicht passe und sie folglich eine „Zwangsbeglückung“ ablehnten, so Hinderer. Die AfD habe vermutet, der bürokratische Aufwand für die Kommunen sei womöglich zu hoch. 

Seitens der Regierungsfraktionen sei der Hinweis gekommen, dass die Kommunen angesichts der Corona-Pandemie kaum Kapazitäten hätten, das Thema anzugehen. Minister Lucha selbst verwies darauf, dass er mit Städten und Kreisen intensiv über das Thema spreche. Er sei zuversichtlich, dass sich am Ende zwei bis drei Modellkommunen Pflege finden.