Versorgung von pflegebedürftigen und psychisch kranken Menschen wirft Fragen auf
Stuttgart. Der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Integration hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch, 4. Mai 2022, mit der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen mit psychischen Erkrankungen beschäftigt. Vertreter aller Fraktionen betonten nach den Worten des Ausschussvorsitzenden Florian Wahl (SPD) die Dringlichkeit des Themas. Sie verwiesen dabei auch auf die demografische Entwicklung, die eine stark steigende Anzahl pflegebedürftiger Menschen erwarten lasse.
Der Ausschuss befasste sich auf Antrag der CDU mit der Situation von psychisch mittelschwer bis schwer beeinträchtigten Menschen, die auf pflegerische Hilfe angewiesen sind. Sie hatte dazu einen umfangreichen Fragenkatalog an das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration gerichtet und sich darin auch nach konkreten Zahlen erkundigt, um aktuelle und künftige Bedarfe für eine angemessene Versorgung dieser Menschen einschätzen zu können.
Aus den Antworten des Ministeriums geht hervor, dass der betroffene Personenkreis nicht zu beziffern sei. Es lägen auch keine Angaben dazu vor, in wie vielen stationären Altenpflegeeinrichtungen Patientinnen und Patienten betreut werden, die eigentlich in einer psychiatrischen Einrichtung behandelt werden müssten. Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Wahl kritisierten FDP/DVP und AfD, dass das Ministerium keine konkreten Zahlen habe liefern können. Das Ministerium habe auch keine überzeugenden Antworten auf die Frage gegeben, wie es auf künftig zu erwartende steigende Bedarfe etwa an Pflegeplätzen und -personal zu reagieren gedenke.
Das Ministerium unterscheidet grundsätzlich zwischen Personen, die gerontopsychiatrische Erkrankungen des Alters wie Demenz oder Altersdepressionen aufweisen, und Personen, die vor dem 65. Lebensjahr chronisch psychisch erkrankten. Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen würden in Pflegeheimen versorgt, die teils entsprechend spezialisiert seien. Menschen mit anderen psychischen Erkrankungen wie Schizophrenien und Suchterkrankungen würden unabhängig von ihrem Alter teils in dafür spezialisierten Pflegeeinrichtungen, teils in normalen Pflegeheimen und in besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe betreut.
In diesen besonderen Wohnformen seien über alle Altersgruppen hinweg 24 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner chronisch psychisch erkrankt, so das Ministerium. Nach Einschätzung des Landesplans der Hilfen für psychisch kranke Menschen (Landespsychiatrieplan) sei grundsätzlich davon auszugehen, dass mehr als 50 Prozent der in Pflegeeinrichtungen lebenden Menschen psychisch erkrankt sind. Das Ministerium gibt in diesem Zusammenhang die Auffassung der Verbände der Leistungserbringer wieder, wonach die Anzahl der gegenwärtig vorhandenen Betreuungsplätze für Menschen, die aufgrund starker psychischer Erkrankungen oder auch starker demenzieller Veränderungen einen besonderen Betreuungsbedarf haben, zukünftig nicht ausreichen könnte.
Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) erklärte nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Wahl, es mache mit Blick auf aktuelle oder zukünftige Bedarfe keinen Sinn, Einrichtungen oder Typen von Einrichtungen zu zählen. Er setze auf eine sektorenübergreifende Vernetzung von Hilfsangeboten, um die betroffenen Patientinnen und Patienten therapeutisch gut und richtig versorgen zu können. Anzustreben seien Lösungen, die eine am persönlichen Bedarf ausgerichtete koordinierte Versorgung im Einzelfall ermöglichen. Ambulante Angebote müssten dabei prinzipiell Vorrang vor stationären Maßnahmen haben. Einzelheiten seien dem Landespsychiatrieplan zu entnehmen.
Wie der Ausschussvorsitzende berichtete, wies die CDU darauf hin, dass gerade in der sektorenübergreifenden Versorgung die Zuordnung zu den jeweiligen Kostenträgern Probleme bereite. Wenn Sozialämter und Pflegekassen stritten, gehe das zu Lasten der Betroffenen.