Vorort-Termin des Petitionsausschusses in Westsibirien
Stuttgart. Wenn der Petitionsausschuss des Landtags auf Reisen geht, dann hat es immer einen besonderen Grund. Seien es die Windräder auf Schwarzwalds Höhen, Denkmalschutz in Stuttgart oder Naturschutz im Hohenloheschen. Anlass für die Reise Anfang Juli 2004 in die Siedlungsgebiete der Russlanddeutschen waren zahlreiche Eingaben an den baden-württembergischen Landtag gerade aus dem Gebiet Westsibiriens, bei denen es vornehmlich um die Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland als Spätaussiedler im Zuge der Familienzusammenführung geht. Ziel der Informationsreise war es, sich in der Region Nowosibirsk und dem Deutschen Nationalen Rayon Altai ein Bild von der Lage der deutschen Minderheit zu machen, zumal dort 70 Prozent aller Russlanddeutschen leben. Dabei kam es der Delegation insbesondere darauf an, herauszufinden, welchen Lebensstandard die noch verbliebenen Russlanddeutschen heute haben, wie sie in die Gesellschaft integriert sind, wie es um ihre Zukunftschancen bestellt ist und welche Motive bei ausreisewilligen Russlanddeutschen vorherrschend sind. Hauptmotiv für die Auswanderung nach Deutschland sind die schwierigen Lebensbedingungen in der Russischen Föderation, berichtet der Ausschussvorsitzende, der CDU-Abgeordnete Jörg Döpper. „Niedrige Einkommen, Wohnungsmangel und schlechte berufliche Perspektiven locken viele nach Deutschland. Viele haben auch den Wunsch, ihren Familienangehörigen nachzureisen“, so die Analyse des SPD-Abgeordneten und stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Gustav-Adolf Haas. Die wirtschaftliche Situation ist äußerst bescheiden, so erhält ein Rentner monatlich 65 Euro, ein Arbeiter ca. 120 Euro und ein Chefarzt 300 bis 400 Euro. Dies lässt ein nur bescheidenes Leben zu und verstärkt somit den Wunsch, nach Deutschland überzusiedeln. Seit 1990 hilft die deutsche Bundesregierung mit einem finanziellen Programm zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Herkunftsgebieten. Ein guter und richtiger Ansatz von der Idee „Hilfe zur Selbsthilfe“. Als Träger des Förderprogramms unterstützt die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) Begegnungszentren, Jugendarbeit, Ausbildung und Existenzgründungen und kulturelle Einrichtungen. Alle Gesprächspartner, ob russische aus Regierung und Parlament, und die Russlanddeutschen selbst, sprachen sich übereinstimmend dafür aus, dass diese Hilfen weitergeführt und noch ausgebaut werden sollen. „Wir müssen alles unternehmen, damit das Leben der Russlanddeutschen in ihren heutigen Siedlungsgebieten besser wird und sich somit der Wunsch auf Übersiedlung minimiert“, so die Meinung aller Delegationsmitglieder. Der Besuch des Petitionsausschusses in Sibirien war unter dem Gesamteindruck mehr als nur eine Informationsreise. Gerade auch die Gespräche im Sprachtestbüro des deutschen Generalkonsulats in Nowosibirsk mit ausreisewilligen Russlanddeutschen haben gezeigt, dass mancher Antragsteller seine Ausreisepläne neu überdenken würde, wenn weitere verstärkte Hilfe von Seiten Deutschlands erfolgt. Schon der Besuch der deutschen Parlamentariergruppe ist auf großes Interesse und viel Beachtung gestoßen, zumal dieser Besuch von deutschen Parlamentariern schon lange überfällig war. Dies war bei allen Gesprächen deutlich zu spüren. Die Herzlichkeit, mit denen die Landtagsabgeordneten aufgenommen wurden, zeigt deutlich, dass solche Begegnungen zum besseren Verständnis für beide Teile unersetzlich sind.