Wirtschaftsausschuss fordert Änderungen am Entwurf der EU-Dienstleistungsrichtlinie
Stuttgart. Eine deutliche Modifizierung des von der Europäischen Kommission vorgelegten Entwurfs einer Dienstleistungsrichtlinie fordern die Fraktionen von CDU, FDP/DVP und GRÜNE in einem Antrag, der im Wirtschaftsausschuss des Landtags am Mittwoch, 18. Januar 2006, mit den Stimmen der Mehrheit verabschiedet wurde. Geprüft werden soll auch, ob und welche Alternativen zum Herkunftslandprinzip möglich sind. Dies teilte die Vorsitzende des Ausschusses, die CDU-Abgeordnete Veronika Netzhammer, mit. Anders als beim Warenverkehr sei für Dienstleistungen der im EG-Vertrag vorgesehene Binnenmarkt nur sehr unvollständig verwirklicht, sagte Netzhammer. Wichtige Potentiale für Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit, Wertschöpfung und Wachstum könnten deshalb nur unzureichend genutzt werden. Speziell kleine und mittlere baden-württembergische Dienstleistungsanbieter scheiterten immer wieder beim Versuch eines grenzüberschreitenden Markteintritts an hemmenden Regelungsstrukturen und bürokratischen Barrieren. In dem vom Wirtschaftsausschuss verabschiedeten Antrag werde deshalb Übereinstimmung erklärt mit dem grundlegenden Ziel des „Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats über Dienstleistungen im Binnenmarkt“, die Dienstleistungsmärkte weiter zu öffnen. Der Entwurf dieser so genannten Dienstleistungsrichtlinie definiere einen Rechtsrahmen, durch den die bestehenden Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit von Dienstleistungserbringern und für den freien Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten beseitigt oder verringert werden sollen. Ein offener Dienstleistungsmarkt ermögliche gerade Baden-Württemberg wegen seines hohen Exportanteils bei Waren gute Exportchancen auch für Dienstleistungen. „Der von der EU vorgesehene Umsetzungszeitraum für die Dienstleistungsrichtlinie bis spätestens Ende 2008 ist aber viel zu kurz bemessen“, erklärte Netzhammer. Um gesellschaftliche, administrative und kundenbezogene Überforderungen zu vermeiden, benötige ein solcher Prozess nach Ansicht der Antragsteller bis zur vollständigen Dienstleistungsfreiheit mindestens zehn Jahre. Erstrebenswert sei eine gestreckte Stufenlösung. Sollte eine solche Lösung nicht möglich sein, werde in dem Antrag gefordert, auch Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, Zeitarbeitsfirmen und soziale Dienstleistungen, vor allem die Altenpflege, aus dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie auszuklammern. Als besonders umstritten am Entwurf der Richtlinie bezeichnete Netzhammer das so genannte Herkunftslandprinzip. Dieses Prinzip besage, dass ein Dienstleistungserbringer einzig den Rechtsvorschriften des Landes unterliege, in dem er niedergelassen sei. CDU, FDP/DVP und GRÜNE forderten deshalb in ihrem Antrag die Landesregierung auf, zu prüfen, ob und welche Alternativen zum Herkunftslandsprinzip bestehen. Insbesondere solle geklärt werden, ob es EU-rechtlich zulässig wäre, die Wirksamkeit des Herkunftslandsprinzips vom Erreichen eines bestimmten nationalen Durchschnittslohnniveaus abhängig zu machen. Die Mehrheit des Wirtschaftsausschusses begrüßte auch die folgenden vom federführenden Binnenmarktausschuss im Rahmen der Beratungen im Europäischen Parlament in seinem Votum vom 22. November 2005 abgegebenen Empfehlungen: • Die Nichtanwendung der Dienstleistungsrichtlinie auf Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI), auf Gesundheitsdienstleistungen, Tätigkeiten in Ausführung öffentlicher Aufgaben (z.B. Notare), audiovisuelle Dienste und Glücksspiel. • Feststellung, dass der Schutz des Sozial- und Arbeitsrechts, inklusive Tarifverträge, von der Dienstleistungsrichtlinie unberührt bleiben. • Die Nichtanwendung des Herkunftslandsprinzips auf die Bereiche: Abfallentsorgung und alle Bestimmungen des internationalen Privatrechts. • Die Entschlackung der Berichtspflichten für die Mitgliedsstaaten im Rahmen der gegenseitigen Evaluierung. • Mitgliedsstaaten sollen das Recht erhalten, besondere Anforderungen an den Dienstleistungserbringer aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der Volksgesundheit und der Umwelt im Hinblick auf die Vorbeugung gegen besondere Risiken an dem Ort, an dem die Dienstleistung erbracht wird, zu stellen und auch durchzusetzen. • Für die Kontrollen bleiben die Behörden im Zielland zuständig.